[Leseeindruck] Emily Brontë - "Sturmhöhe"

Emily Brontë - Sturmhöhe 
Klassiker
 

 Originaltitel: „Wuthering Heights“ (1847)
 Übersetzerin: Michaela Meßner
 Verlag: dtv
 ISBN-13: 978-3-423-19126-5
 Seiten: 464 Seiten
 Erschienen: 1.10.2014
 Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen

   
Zum Inhalt 
„Der Findling Heathcliff wächst bei Familie Earnshaw auf dem Gutshof Wuthering Heights in Yorkshire auf. Mit deren stürmischer und leidenschaftlicher Tochter Catherine verbindet ihn eine tiefe Freundschaft. Als der Stiefbruder nach dem Tod des Vaters dem Alkohol und der Spielsucht verfällt und beide terrorisiert, entschließt sich Catherine entgegen ihrer Gefühle, den reichen und angesehenen Nachbarn Edgar Linton zu ehelichen. Der schwer gekränkte Heathcliff schwört, sich daraufhin an beiden Familien zu rächen...“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich habe das Hörbuch 2020 gehört und mochte es damals gerne. Jetzt habe ich es für einen Lesekreis gelesen und war zum einen erstaunt, wie wenig ich noch wusste von der Geschichte und vor allem auch, wie anders ich sie jetzt empfunden habe (wenn ich mir meinen damaligen Höreindruck im Vergleich durchlese) – für mich, die ja sehr häufig zum Medium Hörbuch greift, sehr interessant, wie sehr das Medium das Empfinden beeinflusst.

Zum Inhalt möchte ich gar nichts mehr sagen. Um ahnen zu können, warum Emily Brontë sich solch toxischer Charaktere bedient, muss man ein bisschen Sekundärliteratur lesen – und selbst dort ist man sich nicht einig. 

Die Charaktere sind in sich schlüssig und auch gut gezeichnet, deren Motivationen aber kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Dass der Findeljunge Heathcliff sich schlecht behandelt fühlt und sich rächen will – okay, dass aber seine Rachegelüste sein ganzes Leben anhalten und es ihm so auch vermiesen, ist heftig. Alles zielt nur darauf ab, die beiden Familien, von denen er sich betrogen fühlt, zu zerstören, und sein Plan ist durch und durch böse, aber durchdacht bis ins kleinste Detail. Dass er so aber auch Menschen mit hineinzieht, die gar nichts mit der Situation zu tun haben, kümmert ihn nicht. Interessant ist aber auch, dass alle in diesen toxischen Abhängigkeiten verbleiben und sich keiner abwendet und die Situation verlässt – sicher mag da die Zeit eine Rolle spielen, und gerade die Frauen waren ja schon abhängiger von ihren Gatten oder der Herrschaft, bei der sie arbeiteten. Die junge Cathy hat auf der einen Seite ein großes Herz, so wie sie sich um ihren sterbenden Vater bemüht oder auch um ihren zukünftigen Ehemann Hareton, auf der anderen Seite wirkt sie aber auch wie ein verwöhntes Kind, das mit dem Fuß aufstampft, wenn es nicht bekommt, was es will. 

In der ersten Hälfte fand ich die Geschichte noch sehr gut, in der zweiten war es mir dann aber zu viel der Toxizität – da hätte ich mir ein wenig Hoffnung gewünscht, irgendeinen Lichtblick. Die Autorin aber hat sich dazu entschlossen, den bitteren Weg bis ganz zum Schluss zu gehen. 

Großartig ist der Schreibstil und daher auch schade, dass „Sturmhöhe“ der einzige Roman aus der Feder Emily Brontës ist, denn gerne hätte ich noch zu einem weiteren Buch gegriffen. Er ist sehr lebendig, weil es viele Dialoge gibt, er weiß aber auch, die Atmosphäre einzufangen, sowohl in den düsteren Häusern, als auch in der Umgebung, wo ich das neblige Moor fast schon spüren konnte. Es gibt also Beschreibungen, die die Stimmungen sehr gut einfangen, die aber nie langweilig werden, weil sie nicht überhand nehmen.

Es ist ein Klassiker, den ich nicht bereue, auch gelesen zu haben, der tiefe Einblicke in menschliche Abgründe bietet und der voller Atmosphäre steckt – bei dem man sich aber bewusst sein sollte, dass er sich ausschließlich mit toxischen Charakteren beschäftigt.

5 Kommentare:

  1. Hallo Sabine!

    Ich hab das Buch vor ... 20 Jahren oder so gelesen - ist also schon ewig her und das einzige, dass ich noch weiß ist, dass es mir damals gefallen hat.
    Dass das Hörbuch und das gelesene Buch sich so unterscheiden kann ich gut nachvollziehen. Ich hab jetzt in der letzten Zeit auch einige Hörbücher gehört und ja, an sich eine tolle Option; aber ich für mich habe festgestellt, dass ich beim Lesen ein ganz anderes Gefühl für die Bücher bekomme, als beim Hören.

    Schade jetzt natürlich, dass es dir beim Lesen nicht so gefallen hat. Irgendwie machst du mich neugierig, wie mir diese Geschichte wohl heute gefallen würde? Damals hab ich jedenfalls von dem Begriff "toxische Beziehungen" noch nicht gehört - obwohl es die natürlich schon gab - und eigentlich finde ich es spannend, dass die Autorin das bis zum Ende durchgezogen hat. (wobei ich das Ende nicht mehr weiß, nur jetzt das was du geschrieben hast) und es wohl kein Happy End gibt. Was sich ja leider viele nicht trauen.

    Dass manche Menschen so in ihrem Hass oder ihren Rachegefühlen festhängen, ohne Rücksicht auf Verluste, gibt es ja heute noch bzw. gab es wohl immer. Was sehr traurig ist, aber eben leider auch möglich.

    Vielleicht nehme ich mir das Buch demnächst doch mal vor :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hi Aleshanee,

      die erste Hälfte fand ich wirklich gut - ich hätte mir in der zweiten Hälfte nur etwas "Hoffnung" gewünscht und nicht nur diese bösen, toxischen Geschehen. es ist in sich aber schlüssig - und vor allem vom Erzählstil her toll. Schade, dass Emiliy nicht noch mehr Romane geschrieben hat!

      LG Sabine

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  2. Hallo Sabine,

    das ist wahr, ein sehr düsteres Buch. Mir hat es gefallen, weil es so ungewöhnlich und dramatisch war. Für die damalige Zeit hätte ich mir auch etwas Leichteres erwartet und dann haut Emily Brontë so eine wuchtiges Drama raus. Das hat mich sehr überrascht.

    Die Hintergründe der Rache fand ich damals gar nicht so abwegig. Natürlich waren die Beteiligten allesamt verbissen und richtig stur. Nur haben sich auch kaum Alternativen ergeben, weil sie doch sehr auf ihre Welt begrenzt waren, denke ich.

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Ich habe den Haken vergessen.

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    2. Wir haben gestern im Lesekreis über das Buch gesprochen - und sind uns einig, dass es auch deshalb so mystisch ist, weil man nicht weiß, was Emily damit darstellen wollte. Ich konnte vieles verswtehen - ja - dennoch bin ich der Meinung, dass man immer eine Wahl hat. Heathcliff hätte sich seinem Hass nicht so hingeben müssen - er hatte ja schon mal 3 Jahre irgendwo anders gewohnt (was auch immer er da gemacht hat - vielleicht auch Menschen gehasst und gequält? ...).

      LG Sabine

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