[Rezension] Arnon Grünberg - "Gstaad"

Arnon Grünberg - Gstaad
Gegenwartsliteratur
 

 Originaltitel: „Gstaad“ (2013)
 Übersetzer: Rainer Kersten
 ISBN-13: 978-3-757-01094-2
 Dauer: 548 Minuten
 Erschienen: 15.8.2023
 Sprecher: Kevin Kasper

   
Zum Inhalt
„Menschen, die nichts werden können, müssen das werden, was sie spielen. Für den jungen François Lepeltier, der hier scheinbar unbedarft seine Lebensgeschichte ausbreitet, ist das die Essenz des Überlebens. Von der Mutter, einem Zimmermädchen mit kleptomanischen Anwandlungen, wird François in der Pension Sonnenhügel in Baden-Baden aufgezogen. In Stuttgart gibt er sich als Zahnarzt aus, bevor er als Portier und Skilehrer reüssiert – Etappen auf dem Weg zum Gipfel seiner Karriere: François wird Sommelier im noblen Palace Hotel, hoch oben in den Bergen von Gstaad in der Schweiz. Doch wer so hoch aufgestiegen ist, der kann nur fallen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Das Cover hat mich neugierig gemacht und der Klappentext versprach eine interessante Geschichte. Es geht auch interessant los und der Stil hat mich begeistert, im Verlauf aber wurde es immer skurriler, so dass ich abschließend nicht weiß, wie ich dieses Buch bewertet soll.

Im Mittelpunkt des Romans steht François Lepeltier – er erzählt seine Geschichte, die wie ein Abenteuer scheint: Er lebt in einer engen Beziehung zu seiner Mutter und reist mit ihr durch die Landen. Und in jeder Stadt schlüpft er in eine neue Rolle, gibt vor, mal Zahnarzt, mal Skilehrer, oder auch mal Portier zu sein und trotz seiner Unkenntnis dieser Berufe weiß er zu überzeugen. In Gstaad schließlich ist er Sommelier in einem noblen Hotel - doch hier holt ihn sein eigenes Ich ein und es geschieht Schreckliches.

Dieses Buch hat es mir nicht leicht gemacht. Es fängt toll an und ich mochte sehr den Stil des Erzählens: Immer mit einem Schalk und einer gehörigen Portion Humor beschreibt der Autor die Kindheit von François. Es ist eine skurrile Geschichte, und es beginnt zwar bizarr, aber dennoch harmlos, dann aber wird es immer obsessiver und abartiger, die Stationen verstörender und unbehaglicher. In einer weiterhin harmlosen Sprache, die pointiert und charmant daherkommt, beschreibt er dann Dinge, die – gut verpackt in unscheinbare Vokabeln – abartig und abstoßend sind: Schon die Beziehung zu seiner Mutter ist obsessiv, seine anale Fixierung und die verschiedenen Formen sexueller Handlungen sind beschämend und unangenehm, und stehen in der Geschichte im folgenden stets im Vordergrund.

François ist auf den ersten Blick ein charmanter, unscheinbarer Zeitgenosse, der unbedarft und naiv erzählt – und diese Diskrepanz zwischen der harmlosen Erzählweise und den abartigen Inhalten hat mich rat- und auch sprachlos gemacht. 

Auf der anderen Seite bin ich aber auch neugierig gewesen, worauf die Geschichte am Ende hinausläuft – und auch hier hat der Autor mich nochmals kalt erwischt mit einem erschreckenden Abschluss, der aber sehr gut zu dieser abstrusen Geschichte passt. 

Ein Lob an den Sprecher Kevin Kasper, der nicht nur durch seine Stimmfarbe exzellent ausgesucht war, weil er bei mir ein Bild von François Lepeltier geschaffen hat, der auch die Atmosphäre und den pointierten Schreibstil sehr gut einfangen bzw. umsetzen konnte.  

Wer zu diesem Buch greift, sollte sich bewusst sein, dass – so harmlos sich der Klappentext liest – es tiefe Einblicke in einen kranken und obsessiven Menschen gibt und sexuelle – auch abweichende - Handlungen großen Raum einnehmen. 

WERBUNG: Vielen Dank an Netgalley und den Aufbau-Audio-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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