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[Rezension] Laetitia Colombani – "Das Mädchen mit dem Drachen"

Laetitia Colombani – Das Mädchen mit dem Drachen
Gegenwartsliteratur
 

Originaltitel: „Le Cerf-volant“ (2021)
Übersetzerin: Claudia Marquardt
ISBN-13: 978-3-103-97490-4
Seiten: 272 Seiten
Deutsche Ersterscheinung: 23.2.2022 
Covergestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

   
Zum Inhalt
„Am Golf von Bengalen will Léna ihr Leben in Frankreich vergessen. Jeden Morgen beobachtet sie das indische Mädchen Lalita, das seinen Drachen fliegen lässt. Als Léna von einer Ozeanwelle fortgerissen wird, holt Lalita Hilfe bei Preeti, der furchtlosen Anführerin einer Selbstverteidigungsgruppe für junge Frauen. Léna überlebt und zusammen mit Preeti schmiedet sie einen Plan, der nicht nur Lalitas Leben grundlegend verändern wird.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Das dritte Buch der Autorin, das ich natürlich unbedingt lesen wollte, nachdem mir die ersten beiden sehr gut gefallen haben – dieses finde ich ein bisschen schwächer, dabei ist das Thema ein sehr wichtiges und verdient noch viel mehr Aufmerksamkeit.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Léna, die nach einem persönlichen Schicksalsschlag auf der Suche nach sich selber ist und die es so nach Indien verschlägt. Sie lernt dort ein kleines Mädchen kennen, Lalita, und mit ihr das ärmliche Leben, das von Hunger und Arbeit geprägt ist und bei dem Bildung keinen Stellenwert hat. In Léna reift der Entschluss zu helfen – doch so einfach, wie sie sich das vorstellt, ist es nicht, denn nicht jeder will ihre Hilfe auch wirklich annehmen.

Laetitia Colombani hat einen wunderbaren Schreibstil – er ist eindringlich und voller Emotion, poetisch und direkt ins Herz treffend; insbesondere bei so empfindlichen Themen wie die Armut in Indien und die Stellung der Frau in dem von Kasten geprägten System. Léna ist zunächst mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt, und immer wieder taucht in diesem Zusammenhang der Name ihres Freundes auf – erst im Laufe des Buches erfährt man aber, was geschehen ist und versteht ihren Kummer und Schmerz. Leider reißt die Autorin hier ein Thema an, was sie dann nur ganz knapp behandelt – aus meiner Sicht wird sie dem so gar nicht gerecht und ich hätte mir hier viel mehr Tiefe gewünscht. Mit Léna hat sie aber eine sympathische junge Frau geschaffen, die ich wirklich mochte und deren Idealismus ich geschätzt habe – auch wenn sie an mancher Stelle naiv und ein wenig überheblich wirkt. Als „Westler“ in ein Land zu kommen und erklären zu wollen, was gut für die Menschen ist, wird sicher schnell falsch verstanden – auch wenn im Kern nur gute Absicht steckt. Und so ist es Léna auch ergangen. Sie freundet sich mit der indischen Frauenrechtlerin Preeti an, die zunächst auch skeptisch ist, sich dann aber auf das Projekt, eine Schule aufzubauen, einlässt. Preeti ist klasse – sie setzt sich für die Frauen ein, wählt damit einen Weg mit vielen Widerständen und musste in ihrem kurzen Leben schon einiges einstecken. Auslöser für die Idee der Schule ist Lalita, ein Mädchen, dass bei Fremden für Kost und Logis arbeitet, weder lesen noch schreiben kann und mehr gelitten als gewünscht ist. Lalita muss man einfach mögen, und es tut weh, wenn man beispielhaft an ihr sieht, wie mit Kindern umgegangen wird, und wie wenig ein Mädchen in Indien wert ist.

So interessant der Plot ist und so wichtig die Themen sind, so sehr hat mir leider die Umsetzung missfallen – die Autorin wirkt sehr belehrend mit ihren Schilderungen und trotz sicher guter Recherche wirkt manches doch sehr klischeehaft. Natürlich sind die Umstände schrecklich und insbesondere, was den jungen Frauen und Mädchen angetan wird, kann ich aus westlicher Sicht kaum aushalten – aber leider sind das keine neuen Fakten, sondern schon lange bestehende Missstände, die trotz Bemühungen auch aus eigenen Reihen bisher nicht behoben wurden. 

Die Stimmung und Atmosphäre in der Geschichte ist durchweg düster und traurig, und es gibt kaum positive Aspekte, obwohl doch auch Gutes geschieht. Und so habe ich das Buch leider – trotz des eigentlich ein wenig versöhnlich stimmenden Endes – mit einem unguten Gefühl im Bauch zugeschlagen.

Obwohl mir die Umsetzung nicht zugesagt hat, gebe ich dem Buch knappe 4 von 5 Sternen, weil ich den Schreibstil einfach sehr gerne mochte und ich die Themen wichtig finde.

Mein Fazit
Eine Geschichte, die die Not junger indischer Frauen zeigt und das problematische Kastensystem im Land – leider hat mir nicht zugesagt, wie die Autorin diese wichtigen Themen umsetzt, da ich aber die Sprache und auch die Charaktere mochte und ich das Thema so unglaublich wichtig finde, gebe ich dennoch knappe 4 von 5 Sternen.

WERBUNG: Vielen Dank an Netgalley und an die Fischer-Verlage für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

1 Kommentar:

  1. Liebe Sabine,
    danke für deinen Kmmentar bei mir. Wir haben eine zienlich ähnliche Meinung zum neuen Buch von Laetita Colombani. Da ich Indien sehr interessant finde, hat mich schon in "Der Zopf" der Teil um Smita am meisten angesprochen. Hier erfährt man wieder ein bisschen mehr über die Unberührbaren und hat die westliche Einstellung als Gegenpart. Wie auch du hätte ich allerdings noch etwas mehr Einblicke in einige Themen gehabt. Im Gegensatz zu "Das Haus der Frauen" hat es mir aber wesentlich besser gefallen.

    Liebe Grüße
    Martina

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