Anthony Doerr - Winklers Traum vom Wasser
Gegenwarsliteratur
Originaltitel: „Abou Grace“ (2004)
Übersetzerin: Judith Schwaab
Verlag: btb-Verlag
ISBN-13: 978-3-442-73397-3
Seiten: 488 Seiten
Erschienen: Mai 2010
Umschlaggestaltung: semper smile, München
Umschlagabbildung: plainpicture /Anja Weber-Decker
Buchrückentext
„David Winkler wächst in Anchorage, Alaska, auf. Schon als Junge hat er eine Vorliebe für Schnee du die Schönheit der Eiskristalle. Manchmal kann er Ereignisse sehen, bevor sie eintreten – als er eines Tages träumt, dass seine neugeborene Tochter in einer Flut ums Leben kommt und er sie nicht retten kann, verlässt David Hals über Kopf seine Familie. Kann er so den Lauf der Dinge ändern?“
Meine Meinung
Ich hatte das Buch in einem Bücherschrank entdeckt und war neugierig, da ich von Anthony Doerr schon sehr viel Gutes gehört hatte – und tatsächlich hat er einen eigenen Stil, Atmosphäre zu erzeugen und den Leser in die Geschichte zu ziehen.
David Winkler ist ein zurückhaltender Mensch – er wächst in Alaska auf, begeistert sich schon als Kind für Schneekristalle und Wasser, scheut dafür menschliche Kontakte. Eine ungewöhnliche Fähigkeit begleitet ihn sein ganzes Leben – er träumt Dinge, die dann wirklich geschehen. Als er vom Tod seiner geliebten Tochter bei einer Flutkatastrophe träumt, hat das große Auswirkungen auf sein weiteres Leben…
Es ist eine besondere Geschichte, die weniger durch Spannung punktet, sondern vielmehr still und leise erzählt ist, dabei dennoch einen ungeheuren Sog ausübt. David Winkler ist kein Protagonist, den ich sofort ins Herz geschlossen habe, dafür aber einer, mit dem ich gefühlt und gelitten habe – durch seine Fähigkeit, Dinge zu träumen, die dann tatsächlich geschehen, handelt er sich viel Misstrauen ein, so dass er sich immer weiter zurückzieht und ein karges und einsames Leben führt. Trotzdem lässt ihn der Gedanke an seine Tochter nicht los, will wissen, ob sie in den Fluten wirklich umkam – doch es braucht viele Jahre, bis er die Suche tatsächlich aufnimmt.
David scheint irgendwie immer auf der Flucht vor sich und seinen Träumen zu sein, er verliert jegliches Vertrauen in sich selbst und würde ohne seine wenigen Freunde wahrscheinlich gänzlich untergehen. Diese selbstgewählte Zurückgezogenheit und das ärmliche Leben, das nur noch aus Stillen von Grundbedürfnissen besteht – für mich war das sehr schmerzhaft zu lesen. Insbesondere wenn man weiß, wie leidenschaftlich er sein kann – und diese Leidenschaft hat er bewiesen, wenn es um das Erforschen von Eiskristallen und Schneeflocken geht.
Besonders gefallen hat mir der Stil von Anthony Doerr – er ist ruhig und leise, dennoch aber mit einer gehörigen Portion Kraft, die mich immer wieder in das Buch gezogen hat. Denn spannend ist die Geschichte nicht und es gibt auch einige Längen, bei denen nicht viel passiert und man sich wünscht, dass endlich wieder ein wenige Bewegung in die Geschichte kommt – und trotzdem hat mich das Buch bei der Stange gehalten, auch wenn ich verstehen kann, dass manch einer aufgibt und das Buch abbricht.
Im ersten Drittel lernt man David kennen, seine Kindheit, wie er seine Zukünftige kennenlernt und wie es dann zur Trennung kommt. Das zweite Drittel ist geprägt von dem kärglichen und zurückgezogen Leben, in dem er mit sich und seinen Entscheidungen hadert, im letzten Drittel kommt dann doch noch Schwung in die Geschichte und Bewegung in David.
Ich mochte das Buch sehr gerne, bin aber auch sicher, dass die eigene Lesestimmung passen muss, um in den vollen Genuss zu kommen. Es geht um Hoffnung und Verlust, und das Hadern mit eigenen Entscheidungen und das Gefühl von Perspektivlosigkeit – und zu guter Letzt aber auch um die Kraft, genau das zu überwinden.
Mein Fazit
Ein ruhiges Buch, das ernste Themen beleuchtet, das aber vor allem durch seinen eindringlichen Schreibstil überzeugt. Einige Längen will ich nicht verschweigen, trotzdem habe ich auch einen gewissen Sog gespürt – ich mochte es und werde bestimmt noch anderes von dem Autor lesen.
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