Kazuo Ishiguro – Damals in Nagasaki
Gegenwartsliteratur
Originaltitel: „A Pale View of Hills“ (1982)
Übersetzerin: Margarete Längsfeld
Verlag: Heyne-Verlag
ISBN-13: 978-3-453-42157-8
Seiten: 222 Seiten
Erschienen: 14.11.2016
Umschlaggestaltung: Kornelia Rumberg, Büro für sichtbare Angelegenheiten, 82340 Feldafing
Umschlagabbildung: © Arcangel /Danilo Piccioni
Buchrückentext
„Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist Nagasaki eine zerstörte Stadt. Doch zwischen den Ruinen keimen bereits die ersten Anzeichen einer neuen Zeit. Etsuko ist frisch verheiratet und versucht ihrem ehrgeizigen Mann eine gute Ehefrau zu sein. Sachiko lebt allein mit ihrer Tochter und träumt von einem Leben mit einem amerikanischen Soldaten. Doch drohen beide über ihre Bestrebungen nach einer besseren Zukunft hinweg sowohl sich selbst als auch ihre Kinder zu vergessen.“
Meine Meinung
Ich habe schon andere Bücher des Autors gelesen, dieses hier ist sein Debüt und es war für mich der „japanischste“ Roman des Schriftstellers.
Erzählerin ist Etsuko, die in London lebt und sich Erinnerungen ihrer Vergangenheit hingibt. Zu Besuch ist ihre ältere Tochter Niki, zwischen beiden herrscht aber eine kühle Distanz, und schon früh merkt man, dass gewisse Themen ausgeklammert werden. Dazu gehört auch der Suizid der ersten Tochter. In den Erinnerungen Etsukos lebt sie noch in Nagasaki, ist schwanger und lernt zufällig Sachiko und ihre Tochter Mariko kennen. Die beiden Frauen sind völlig verschieden – während Etsuko sehr zurückhaltend und ruhig ist, immer auf Harmonie bedacht und Konfrontationen meidend, ist Sachiko eine Frau, die klare Pläne hat. Sie will zu ihrem Geliebten nach Amerika, jedoch gibt es immer wieder Probleme und Versprechen ihres Liebhabers, die dann gebrochen werden. Dass Mariko diesen Mann hasst, interessiert Sachiko nur wenig, auch, dass ihre Tochter sich sehr merkwürdig verhält, immer wieder verschwindet und von einer Frau erzählt, die sie getroffen habe.
Das Buch ist ein ruhiges – man darf nicht denken, dass die angedeuteten Konflikte in irgendeiner Weise laut geäußert werden, vielmehr ist alles still erzählt, nur zwischen den Zeilen kann man das eine oder andere erahnen. Etsuko ist die Erzählerin und wirkt nicht sehr vertrauenswürdig – gerade am Schluss bleibt vieles offen und lässt dem Leser viel Raum zu Spekulation und Interpretation.
Der Suizid der ersten Tochter wird nie offen thematisiert, und weder weiß man, warum sie sich das Leben nahm, noch, warum Etsuko irgendwann das Land verlassen hat und nun in London lebt. Sachiko dagegen geht seht offen damit um, dass sie ihrem Geliebten nach Amerika folgen will. Stellen die beiden eine Generation dar und sind trotzdem sehr verschieden, wird durch Etsukos Schwiegervater noch eine weitere Generation vorgestellt, die ganz andere Ideen und Werte hat und die im Konflikt zu den Jüngeren stehen – das hat Ishiguro geschickt in die Geschichte eingewebt.
Für mich ist der Erzählstil sehr „japanisch“ – die Zurückhaltung, Höflichkeit und das Meiden von Auseinandersetzung ist sehr präsent, manche Gespräche bestehen nur aus höflichen Floskeln, die immer wiederholt werden, alles ganz zart und leise und mit der dem Japaner zugewiesenen Zurückhaltung. Dadurch kommt wenig Spannung auf, und auch die Handlung, die ja eigentlich viel Zündstoff bietet, wirkt dadurch ruhig, gelassen, für manche Leser vielleicht auch langweilig.
Und trotzdem hatte die Gehsichte für mich auch einen gewissen Sog, denn durch die vielen Andeutungen ist einiges sehr geheimnisvoll – natürlich hatte ich auf Auflösung gehofft – da aber lässt Ishiguro den Leser dann sehr alleine. Vielleicht sollen die beiden unterschiedlichen Frauen ein Bild der damaligen Sichtweisen dargestellt, denn die Geschichte spielt nach dem 2. Weltkrieg. Es gibt aber auch Hinweise, dass es gar nicht zwei Freundinnen sind, sondern dass die beiden eigentlich eine Person sind und die Erzählerin Etsuko so einen Weg für sich geschaffen hat, mit dem Tod der Tochter umzugehen. Aber das ist reine Spekulation, sicher gibt es verschiedene Möglichkeiten der Interpretation.
Mich lässt das Buch etwas ratlos zurück – dabei habe ich es wirklich gerne gelesen. Ein paar mehr Hinweise zur Auflösung hätte ich mir schon gewünscht, so tappe ich nun ziemlich im Dunkeln, fühle mich alleingelassen und bin mir meiner Interpretation wahrlich nicht sicher.
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