Margaret Atwood, Douglas Preston – Vierzehn Tage
Gegenwartsliteratur
Originaltitel: „Fourteen Days“ (6.2.2024)
Übersetzer: Pieke Biermann, Christine Blum, Christiane Burkhardt, Svenja Geithner, Susanne Goga-Klinkenberg, Susanne Höbel, Brigitte Jakobeit, Stephan Kleiner, Claudia Max, Hella Reese, Mechthild Sandberg-Ciletti
Verlag: dtv
ISBN-13: 978-3-423-29002-9
Seiten: 479 Seiten
Erschienen: 15.02.2024
Umschlaggestaltung: Sandra Taufer, München
Umschlagabbildung: istockphoto.com/RobertDupuis; shutterstock.com; stocksy.com/Lauren Lee; creativemarket.com/LEROY Design
Buchrückentext
„New York im April 2020. Während des ersten Lockdowns wird das Dach ihres Mietshauses für die Bewohner zur überraschenden Zuflucht vor der Isolation. Jeden Abend treffen sie sich dort und erzählen einander ihre ungewöhnlichen, spannenden, komischen und bewegenden Geschichten. Jeder Mieter und jede Mieterin steuert eine bei (wahr oder zumindest gut erfunden) und ein neues Decamerone für unsere Zeit nimmt seinen Anfang. Allmählich findet die Runde zu einer unerwarteten Gemeinschaft und Anteilnahme füreinander...“
Meine Meinung
Ich gebe zu, dass ich durch Margaret Atwood auf das Buch aufmerksam wurde und erst auf den zweiten Blick sah, dass es ein Gemeinschaftsprojekt ist und Margaret Atwood mit Douglas Presto „nur“ Herausgeber ist. Aber auch das klingt spannend – ein literarisches Projekt mit 36 Autoren der „Authors Guild of America“ - darunter sehr bekannte und auch einige mir nicht so bekannte Namen.
Die Geschichte spielt in New York im Jahr 2020 – die Corona-Pandemie ist ausgebrochen und ein Lockdown wird verhängt. Die Bewohner eines großen Mietshauses treffen sich allabendlich auf dem Dach des Hauses – erst nur um allen Helfern zu danken und Respekt zu zollen, indem man abends um 19:00 h auf den Balkonen und Dächern klatscht, dann entwickelt sich daraus aber eine Runde, in der man sich Geschichten erzählt. Jeder ist mal dran, mal ist es etwas lustiges, mal ein Geständnis, auch gruselige und romantische Geschichten kommen vor – und nach 14 Tagen ist plötzlich alles ganz anders als gedacht.
Die Idee gefällt mir sehr gut, und nach dem Lesen bleiben mir zwei Dinge in Erinnerung. Zum einen der Plot selber, die vielen Geschichten und das überraschende Ende, zum anderen der Aufbau des Buches und die Kunst, die geschriebenen Passagen der vielen Autoren zu einem Guss zusammenzuschweißen.
Erzählt wird die Geschichte aus Sicht Yessies, die als neue Hausmeistern des Gebäudes versucht, den eher heruntergekommenen Block irgendwie zusammenzuhalten. Sie wirkt sehr robust und bodenständig, ihre Sprache ist eher derb und dennoch lernt man sie im Laufe des Buches auch von einer anderen Seite kennen – das braucht aber ein bisschen. Die Geschichten selber, die dann erzählt werden sind immer aus Sicht der Erzählenden – und hier ist es gelungen, ganz unterschiedliche Töne zu treffen, eben genau den, der zu dem Erzählenden passt. Die Pandemie selber spielt keine große Rolle, sie bietet eigentlich nur den Rahmen für das Szenario. Durch das Erzählen der Geschichten lernt man dann nach und nach die Bewohner des Hauses kennen – und auch die sind alle sehr gut gezeichnet. Nicht nur gefällt mir die Diversität, sondern auch, dass mit viel Liebe zum Detail die Figuren gestaltet sind – es gibt neben den Geschichten auch rein äußerliche Beschreibungen, Gesten, Sprechweisen, oder auch Spitznamen, die die Menschen ausmachen. Die Geschichten selber – und das habe ich nicht anders erwartet – habe ich ganz unterschiedlich gefunden. Manche sind interessant, manche fesselnd, manche aber auch belanglos oder schlichtweg langweilig. Vor allem verliert sich irgendwann der Reiz des Ganzen – nach Tag acht etwa – und kurz zur Erklärung: jeder Tag stellt ein eigenes Kapitel dar und ist mit dem Tag überschrieben – habe ich mich schon gefragt, ob noch etwas anderes passieren wird, oder ob es jetzt einfach so bis Tag 14 weitergeht. Und nein – es gibt dann eine Wendung, die ich nicht habe kommen sehen und die mich völlig unvorbereitet getroffen hat – genauso wie das Ende, das ziemlich gelungen, vielleicht sogar brillant ist.
Hätte ich nicht gewusst, dass sich hinter diesem Werk viele Autoren verbergen und es nicht von einer Person geschrieben wurde, ich hätte es nicht erkannt. Es ist wirklich gelungen, alles wie aus einer Hand erscheinen zu lassen, und das finde ich großartig. Natürlich hat jeder, der seine Geschichte erzählt, auch eine eigene Erzählstimme, aber im Gesamten wirkt das Buch „rund“, eben wie aus einer Hand. Der Stil ist dabei eher umgangssprachlich, lebendig, einfach wie aus dem Leben gegriffen. Das macht die Lektüre leicht, wenn auch manche Geschichten dann doch zum Nachdenken anregen, weil sie heftig, berührend oder sogar philosophisch sind.
Am Ende sind alle Autoren, die sich an diesem Projekt beteiligt haben, aufgezählt, und auch, welche Teile sie geschrieben haben. Interessant war für mich, dass nicht „die großen Namen“ die für mich interessanten Geschichten geschrieben haben, sondern dass es eher die mir unbekannteren waren – aber das ist natürlich auch Geschmackssache. Und zum Glück wusste ich das auch nicht vorher, sondern habe es erst nach Beenden der Lektüre entdecken dürfen.
Ein gelungenes Projekt, das mich nachhaltig beschäftigt – auch wenn es nicht durchweg spannend war, habe ich es dennoch als wertvoll empfunden. Es ist kein Band mit Erzählungen, aber auch kein klassischer Roman – egal, wo man das Buch einordnet, mit mir hat es etwas gemacht.
Mein Fazit
Ein ungewöhnliches Buch – ein Projekt mehrerer Autoren, bei denen die Geschichten einzelner Menschen im Mittelpunkt stehen und die dann zusammen doch ein großes Ganzes ergeben. Trotz der Vielzahl an Autoren, die an dem Projekt gearbeitet haben, wirkt es doch wie aus einem Guss – nicht immer ist es spannend und fesselnd, das Ende aber kam völlig überraschend und hat mich wieder versöhnt. Ich bin froh, das Buch gelesen zu haben und empfehle es weiter, wenn man sich für diese Idee eines Gemeinschaftsprojektes erwärmen kann.
WERBUNG: Vielen Dank an dtv für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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