[Rezension] Caroline Wahl - "22 Bahnen"

Caroline Wahl - 22 Bahnen
Gegenwartsliteratur
 

Verlag: Dumont Audio
ISBN-13: 978-3-832-16045-6
Dauer: ungekürzt, 381 Minuten
Erschienen: 18.4.2023
Sprecherin: Carolin Haupt

   
Buchrückentext
„Tildas Tage sind strikt durchgetaktet: studieren, an der Supermarktkasse sitzen, sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern – und an schlechten Tagen auch um die Mutter. Zu dritt wohnen sie im traurigsten Haus der Fröhlichstraße in einer Kleinstadt, die Tilda hasst. Ihre Freunde sind längst weg, leben in Amsterdam oder Berlin, nur Tilda ist geblieben. Denn irgendjemand muss für Ida da sein, Geld verdienen, die Verantwortung tragen. Nennenswerte Väter gibt es keine, die Mutter ist alkoholabhängig. Eines Tages aber geraten die Dinge in Bewegung: Tilda bekommt eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt, und es blitzt eine Zukunft auf, die Freiheit verspricht. Und Viktor taucht auf, der große Bruder von Ivan, mit dem Tilda früher befreundet war. Viktor, der – genau wie sie – immer 22 Bahnen schwimmt. Doch als Tilda schon beinahe glaubt, es könnte alles gut werden, gerät die Situation zu Hause vollends außer Kontrolle.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich bin durch das Cover aufmerksam geworden auf das Hörbuch – und auch wenn ich eine ganz andere Vorstellung von der Geschichte hatte, fand ich sie beeindruckend und berührend. 

Die Studentin Tilda wohnt mit ihrer Mutter und Ida, ihrer jüngeren Schwester, zusammen. Sie ist diejenige, die die Familie zusammenhält und alles organisiert, denn ihre Mutter ist alkoholkrank. Als sie das Angebot einer Doktorandenstelle in Berlin erhält, sieht sie darin ihre Chance – doch was wird mit Ida, wenn sie weg ist und was mit ihrer Mutter, die ihr Leben trotz verschiedener Anläufe, einfach nicht in den Griff bekommt?

Die Geschichte ist eine ruhige, dafür aber eine sehr einnehmende und eindringliche. Die Autorin hat weniger auf Spannung gesetzt, dafür aber einen unglaublichen Sog geschaffen, der mich tief in die Geschichte hineingezogen hat und mich hat mitfühlen lassen vor allem mit Tilda. Tilda wirkt zunächst wie eine folgsame Tochter, die sich in ihr Schicksal eingefunden und wenig Hoffnung auf Änderung hat. Erst nach und nach erkennt man ihre Stärke, denn sie hat alle Fäden in der Hand, immer mit dem Ziel, ihrer Schwester Ida ein gutes Leben zu ermöglichen, trotz der widrigen Umstände. Sie selber geht dabei unter, und sie hat nur wenig Freiräume, die sie ganz für sich nutzt – dazu gehört das Schwimmen, immer 22 Bahnen, während dessen sie nachdenken und ganz für sich sein kann. Tilda hat mich tief berührt, weil ihre Situation so ausweglos erscheint und sie trotzdem einen Weg findet, ihrer Schwester, aber vor allem auch sich selbst, ein Stück Hoffnung zu geben und zu erhalten. 

Auch Ida ist eine beeindruckende Figur, sie ist noch sehr jung und muss schon so viel Leid sehen und erleben – das lässt sie in einigen Situationen stark werden, eigentlich aber ist das zu viel für ein kleines Mädchen. Sie hat keine Freunde, dafür aber Tilda, die – und das sieht sie auch – alles für sie tut und die sie manchmal mit zum Schwimmen nimmt. Ich mochte Ida sehr, nicht nur, wie sie mir leid getan hat, sondern weil sie im Laufe des Buches eine Entwicklung zeigt, die sie auch mal das Kind sein darf, was sie eigentlich ist.

Der Schreibstil ist sehr angenehm, ruhig, mit vielen Innenansichten. Die Stimmung ist melancholisch, gerade anfangs auch hoffnungslos – und obwohl es eher düster bleibt, gibt es im letzten Drittel immer wieder Situationen, in denen man mit den beiden Schwestern so etwas wie Hoffnung und Glück verspürt. In einer Szene hatte ich dann auch Tränen in den Augen, weil das Glück eben nicht immer etwas großes sein muss, sondern auch im kleinen liegen kann. Ich war gerade in der zweiten Hälfte oft berührt und habe mich tief mit Tilda und Ida verbunden gefühlt. 

Im Mittelteil hat es leider auch die eine oder andere Länge gegeben – trotzdem habe ich das Hörbuch sehr gerne gehört und vor allem das Gefühl am Ende, die Hoffnung, die sich auftut, sehr gemocht. Die Sprecherin Carolin Haupt war mir bislang unbekannt – das wird aber sicher nicht so bleiben, denn ich habe ihre ruhige und klare Stimme genauso gemocht wie ihre Art der Interpretation. 
Ich gebe 4,5 von 5 Sternen.   

Mein Fazit
Eine ruhige und melancholische Geschichte um zwei Schwestern, die es mit der alkoholkranken Mutter nicht leicht haben – ich fand den Roman sehr emotional und berührend und habe das Hörbuch sehr genossen. Von meiner Seite gibt es 4,5 von 5 Sternen.

WERBUNG: Vielen Dank an Netgalley und den Dumont Audio-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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