[Rezension] Harry Mulisch – "Die Entdeckung des Himmels"

Harry Mulisch – Die Entdeckung des Himmels
Gegenwartsliteratur
 

 Originaltitel: „De ontdekking van de hemel“ (Oktober 1992)
 Übersetzerin: Martina den Hertog-Vogt
 Verlag: Rowohlt-Verlag
 ISBN-13: 978-3-499-13476-0
 Seiten: 871 Seiten
 Erschienen: 1.9.1995
 Umschlaggestaltung: Walter Hellmann
 Umschlagabbildung: Gemälde „Im Zeichen der Liebe“ von Urs Lüthi, 1982

   
Buchrückentext
„Eine in dieses umtriebige und abgründige Jahrhundert ausschwärmende Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft, eine Liebe, die aufmüpfigen sechziger, die pragmatischen siebziger und die windigen achtziger Jahre und den langen Nachhall der Kriegs- und Nachkriegszeit; über ein ungewöhnliches Kind, das einen noch ungewöhnlicheren „Auftrag“ hat; einen Astronomen und Don Juan, der nie zur Ruhe kommt, und ein Sprachgenie, das in der Politik Karriere macht.“ 

Meine Meinung
Das Buch hat bei mir sehr lange warten müssen, bis ich es zur Hand genommen habe, und jetzt weiß ich nicht, wie ich mein Eindrücke zusammenfassen soll, weil es eine so komplexe und vor allem sehr gut durchdachte Geschichte ist, die mich in Teilen sehr begeistert, in anderen aber auch gelangweilt hat.

Es gibt eine Rahmenhandlung, mit der das Buch beginnt – zwei Engel sind im Gespräch, wie sie ein großes Ziel erreichen sollen: Die in Stein gemeißelten 10 Gebote sollen zurück in den Himmel. Dafür bringen sie zwei Menschen auf der Erde zusammen, die genau das langfristig erfüllen sollen. Während dann die eigentliche Geschichte in der Gegenwart spielt, gibt es immer wieder zwischendurch auch Kapitel von diesen Engeln, die über ihre Erfolge sprechen. Durch sie lernen sich Onno Quist und Max Delius irgendwann in den 1960er Jahren in den Niederlanden kennen. Onno ist eigentlich ein Linguist, im Wesen eher chaotisch und weltfremd, dafür aber mit großen Ideen im Kopf, Max dagegen ist Astronom und Draufgänger, ordnungsliebend und weltnah. Vielleicht sind es gerade die Gegensätze, die beide verbindet und aus denen eine tiefgehende Freundschaft entsteht. Das ganze Buch spielt über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren, dazu gibt es aber auch Rückblenden in die 1930er – der Autor bleibt mit seinen Hauptfiguren auch nicht in den Niederlanden, sondern entführt den Leser nach Polen, Kuba, Jerusalem und Deutschland. Der Bogen der Geschichte ist groß und zwischendurch habe ich mich auch schon mal verloren gefühlt, am Ende aber schließt sich der große Kreis und man begreift, wie großartig der Plot angelegt und wie gut durchdacht er ist und wie dann auch eins ins andere greift. Neben Onno und Max gibt es noch zwei weitere Hauptfiguren – zum einen Ada, mit der Max eine Beziehung eingeht und Quinten, der vor allem in der zweiten Hälfte eine wichtige Rolle einnimmt, weil es durch ihn dann sehr konkret um den die ganze Geschichte auslösenden Auftrag der Engel geht.

Die Charaktere sind großartig gezeichnet – nicht nur, weil sie fernab jeglicher Stereotypen sind, vor allem aber, weil ich sie wirklich fühlen konnte. Nicht dass ich ihre Gedanken und Handlungen immer nachvollziehen oder gar gutheißen konnte, trotzdem aber waren sie für mich wie lebendige Menschen, weil sie authentisch und in ihrem Tun so glaubhaft waren. Onno merkt man in allem seine Weltfremde an, er ist ein wahrer Chaot und darin dann doch aber auch ein Schöngeist, Max dagegen ist sehr bodenständig, und auch er schätzt das Schöne, aber eher im weltlichen und nicht im geistigen Sinne. Adas tragische Rolle hat mich sehr berührt und auch Quinten ist ein sehr besonderer Mensch, nicht nur weil seine Kindheit außergewöhnlich ist und er unter – ich sag mal – interessanten Umständen aufwächst, sondern weil er von seiner direkten Umwelt so geprägt ist, dass er sie nicht verleugnen kann. Die vier stehen in unterschiedlichen und manchmal auch wechselnden Beziehungen zueinander und so wie im Buch die Jahre vergehen, so fühlt man auch den Wechsel der Beziehungen zueinander. 

Wahrscheinlich klingt das alles sehr kryptisch, was aber der komplexen Geschichte geschuldet ist – denn neben den wirklich tollen und eindrucksvollen Charakteren werden auch viele Themen angeschnitten – vordergründig die Tafeln der 10 Gebote, aber die spielen erst später eine größere Rolle. Vielmehr geht es um Freundschaft und Liebe, um politische Unruhen in den Niederlanden und auf Kuba, um Kapitalismus und Kommunismus, um unterschiedliche familiäre Strukturen, um Sterbehilfe und um noch vieles mehr. 

Der Schreibstil ist nicht immer leicht zu lesen, weil es oft lange Sätze und auch lange Beschreibungen gibt. Toll waren die Dialoge zwischen Onno und Max, die immer wie ein Schlagabtausch wirkten und bei denen keiner der beiden dem anderen nachstehen wollte. Andererseits wird auch diskutiert und philosophiert, was auch schon mal langatmig sein konnte. Und so haben mich manche Abschnitte wirklich gefesselt und begeistert, andere eher gelangweilt.

Es ist eine Geschichte, die mir in Erinnerung bleiben wird, weil ich sie so großartig angelegt finde. Man muss aber auch den langen Atem haben und bis zum Ende durchhalten, um die Großartigkeit dann in aller Gänze zu spüren. Insgesamt also ein wirklich tolles Werk, das für mich aber auch einige Schwächen hatte. 

Mein Fazit
Ein groß angelegtes Werk mit einer komplexen Geschichte, die an manchen Stellen durchaus Längen aufweist, die aber in sich wunderbar konstruiert ist, so dass am Ende alles ineinandergreift und ein großes Ganzes ergibt. Die Charaktere sind großartig gestaltet und ich habe sie gerne begleitet – trotzdem hatte das Buch für mich auch einige Längen. Trotzdem wird es mir lange in Erinnerung bleiben. 

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