Gert Ledig - Vergeltung
Zeitgenössische Literatur
Verlag: Suhrkamp-Verlag
ISBN-13: 978-3-518-18851-8
Seiten: 233 Seiten
Ersterscheinung: 25.10.2004
Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner
Umschlagfoto: Armin Smailovic
Kommentar: Florian Radvan
Buchrückentext
„Die Stadt brannte seit drei Tagen, und seitdem heulten die Sirenen regelmäßig zu spät. Es war, als würden sie absichtlich so in Betrieb gesetzt, denn zwischen dem Zerbomben brauchte man Zeit zum Leben. Das war der Beginn.“
Meine Meinung
Ich hatte das Buch schon lange auf meiner Wunschliste, nachdem ich es durch eine geschätzte Booktuberin empfohlen bekommen hatte. Ich lese viel Literatur, die im 1. oder 2. Weltkrieg spielt, dieses Buch aber ist sehr besonders und eins der wichtigsten zu dem Thema, das ich je gelesen habe.
Es ist eine kurze Lektüre, dadurch aber nicht minder intensiv. Beschrieben wird das Erleben verschiedener Menschen eines amerikanischen, ca. 70-minütigen Bombenangriff auf eine ungenannte deutsche Stadt. Es gibt verschiedene Perspektiven, sowohl von Zivilisten als auch von Soldaten, genauso von Amerikanern wie von Deutschen, Kindern und Erwachsenen. Und obwohl das Buch nur ein dünnes ist und der Zeitraum, in dem es geht, nur ein kurzer, hat man weniger das Gefühl einer zusammenhängenden Handlung als denn einer episodischen Darstellung von Fragmenten. Was aber nicht fehlt, ist die durchdringende Kraft dessen, was erzählt wird. Manche halten das Buch für brutal, ich finde, es ist eins der wenigen Bücher, in denen der wahre Horror dessen, was im Krieg passiert ist, deutlich wird. Und ich rede nicht allein von der physischen Gewalt. Sondern auch von der psychischen – da wird jemand verfolgt und soll auch getötet werden, weil er sein Kind sucht, völlig unsinnige Befehle werden befolgt, weil es eben ein Befehl ist, Menschen werden bloßgestellt, einfach weil man es kann und es gibt viele weitere, zum Teil nur kleine Szenen, die die Absurdität des Ganzen aufzeigen. Ja, es ist brutal, aber ja, genau so stelle ich mir auch Krieg vor.
Sprachlich ist das Werk nicht leicht zu lesen, weil der Autor die Menschen mit ihren ganz eigenen Worten sprechen lässt. Diese kommentierte Ausgabe hat den Vorteil, dass manche vielleicht heute nicht mehr gängigen Begriffe erklärt werden, insbesondere bei manchen militärischen Ausdrücken musste ich auch passen und war froh um die kurze Erklärung im Kommentar. Herausfordernd ist neben der Sprache aber vor allem diese fürchterliche Bedrohung, Verrohung und Gewalt. Sehr schade, dass dieses Buch so unbekannt ist – einen Vergleich zu anderer Antikriegsliteratur muss es nämlich nicht scheuen.
Die Einordung von Ledigs Roman in den literarischen Kontext fand ich zudem interessant und spannend – und durch die Beschäftigung mit Formalismen, narrativer Struktur und Deutungsansätzen wird der Fokus – zumindest für eine kurze Zeit – verschoben und liegt nicht mehr rein auf der Darstellung von Gewalt.
Auch wenn es nicht gut auszuhalten ist, was man da liest, weil es weh tut, erkennen zu müssen, was Menschen anderen antun, weil es schmerzt, dass Menschen sind, wie sie nun mal sind, empfehle ich das Buch jedem, der sich mit dem Thema beschäftigt. Wirklich keine leichte Lektüre, aber eine sehr beeindruckende und nachhallende.
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