[Rezension] Juli Zeh & Simon Urban - "Zwischen Welten"

Juli Zeh & Simon Urban - Zwischen Welten
Gegenwartsliteratur
 

 Verlag: Der Hörverlag
 ISBN-13: 978-3-844-54888-4
 Dauer: 766 Minuten
 Erschienen: 8.2.2023
 Ersterscheinung: 25.1.2023
 Sprecher: Max Urlacher, Julia Nachtmann, Rosario     Bona
 Umschlaggestaltung: buxdesign/Ruth Botzenhardt,   SabBee unter Verwendung eines Motivs von ©   plainpicture/  Buiten-Beeld/ Nico van Kappel 

   
Zum Inhalt
„Zwanzig Jahre sind vergangen, als sich die Landwirtin Theresa und der Journalist Stefan zufällig wiederbegegnen. Aus unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden: Klimapolitik, Gendersprache, Rassismusvorwürfe – es ist, als liefen die Gräben einer gespaltenen Nation mitten durch ihre Beziehung. Kann ihre Freundschaft die Kluft noch überbrücken?“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich war sehr neugierig auf das neue Buch von Juli Zeh, da mich ihre Geschichten entweder begeistern oder aber enttäuschen – und neugierig war ich auch, ob man dem neuen Werk anmerkt, dass es einen Co-Autor, nämlich Simon Urban gegeben hat. Auf jeden Fall kann ich aber sagen: Es ist ein Buch, das mich begeistert hat.

Stefan ist ein erfolgreicher Journalist, als er zufällig seine ehemalige Studienkollegin Theresa in Hamburg trifft, die das Studium abgebrochen hatte, um den landwirtschaftlichen Betrieb ihres verstorbenen Vaters in Brandenburg zu übernehmen. Doch das Treffen läuft nicht sehr harmonisch und endet in einem Streit. Trotzdem bleiben die beiden in Kontakt – und tauschen sich über Email und WhatsApp aus; über ganz verschiedene Dinge, aber gerade bei politischen Themen geraten sie immer wieder aneinander.

Theresa ist verheiratet und hat zwei Kinder, doch eigentlich bleibt für die Familie keine Zeit, denn die verbringt ihre Zeit fast ausschließlich auf ihrem Hof, um ihn vor dem finanziellen Ruin zu retten. Schuld an diesem Debakel sieht sie in der verfehlten Landwirtschaftspolitik. Zwar sind ihr Klimaschutz und Energiepolitik wichtig, die Bewegung verschiedener Aktivisten empfindet sie aber als vertane Liebesmühen. Auch die Diskussion ums Gendersternchen findet sie sinnlos, da sie Gleichberechtigung nicht an Sprache alleine festmachen kann. Stefan sieht diese Dinge alle ganz anders – Friday for Future findet er großartig, das Gendersternchen einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, außerdem arbeitet er stetig an sich selbst, immer politisch korrekt aufzutreten und zu agieren. 

Dass die beiden immer wieder in Streit geraten mit ihren gegensätzlichen Vorstellungen, kann man sich gut vorstellen. Dabei hat jeder gute Argumente für seine Sichtweise, und ich konnte bei vielen Themen beide Seiten gut verstehen. Ich mochte diese Auseinandersetzung um aktuelle Themen, die mich immer wieder hat innehalten lassen, um meine eigene Meinung zu hinterfragen. 

Beide Figuren sind in ihrem Kontext gut und konsequent gezeichnet – Theresa als Bio-Bäuerin im Kampf ums Überleben des eigenen Hofs und Stefan als Journalist in einem Kampf ums Grundsätzliche, aber eben auf dem Papier. Ich kann nicht sagen, dass ich die Charaktere mochte, eher ist es so, dass ich die Streitgespräche und auch die Auswirkungen auf die Beziehung untereinander gerne verfolgt habe. Ich kann nicht verleugnen, dass ich anfangs immer an „Gut gegen Nordwind“ denken musste, da manche Szene durchaus auch schmunzeln lässt, letztlich aber bleibt lediglich die Form des reinen Email-Romans als Parallele – die Inhalte unterscheiden sich dann doch beträchtlich. 

Auch sprachlich hat mich das Hörbuch angesprochen – beide haben eine ganz eigene Stimme. Damit meine ich nicht nur die Erzählstimme, also den Stil, denn jeder hat da eine ganz eigene Kommunikationsform, sondern auch die Sprecher. Max Urbacher hat eine klare, eher jugendliche Stimme, die wunderbar zu Stefan passt, der sich immer politisch korrekt auszudrücken versucht und der dadurch immer ein wenig distanziert und trocken rüberkommt. Julia Nachtmann hat den stets etwas nörgelig wirkenden Ton von Theresa sehr gut eingefangen, die immer sagt, was sie denkt und fühlt – wodurch sie sehr authentisch und nahbar wirkt.

Ich habe das Hörbuch wirklich mit Spannung verfolgt und war froh, dass eine Romanze zwischen den beiden Hauptfiguren von Anfang an ausgeschlossen war. Leider gibt es dann doch eine Wendung, die mir nicht gefallen hat und wegen der ich auch einen halben Stern abziehe. 

Gelungen ist dann aber das Ende – es ist ganz anders als erwartet, und hier hat mich das Autorenduo kalt erwischt; dabei ist es ein sehr schlüssiges Ende, das nicht klarer die beiden Positionen hätte zeigen können.

Offen bleibt für mich aber die Frage – wie haben die beiden das Buch geschrieben? Ist Juli Zeh die weibliche, Simon Urban die männliche Erzählstimme? Oder haben beide alles zusammen geschrieben? Das würde mich wirklich sehr interessieren.

Ein wirklich gutes Hörbuch, das immer noch nachhallt und dem ich 4,5 von 5 Sternen gebe.

Mein Fazit
Ein Email-Roman, der sich mit sehr aktuellen Themen beschäftigt – der Austausch über Themen wie Energiepolitik, Klimawandel, Gendersternchen und den Ukrainekrieg war interessant und voller Aspekte, die mich zum Nachdenken angeregt haben. Ein Hörbuch, das lange nachhalt und dem ich 4,5 von 5 Sternen gebe.

WERBUNG: Vielen Dank an den Hörverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

4 Kommentare:

  1. Liebe Sabine,
    auf das neue Buch von Juli Zeh bin ich auch schon sehr gespannt und nach deiner Rezi jetzt noch mehr =) Ich hoffe es wird bald in meiner Bücherei aufliegen.
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Und ich drücke dir die Daumen, dass es dann nicht von zu vielen vorbestellt ist ...

      Oder ist das bei euch nicht so ein Problem bei Neuerscheinungen?

      LG Sabine

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  2. Hi Sabine!

    Jetzt musste ich auch in deine Rezension reinlesen, denn es klingt schon echt interessant. Das Cover hätte mich jetzt überhaupt nicht angesprochen bzw. weiß man hier auch gar nicht, was man dahinter erwarten soll... Ich werd mir das mal auf meine Merkliste setzen :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Ich fand es großartig, weiß aber auch von vielen, denen es gar nicht gefallen hat. Mir hat die Aktualität sehr gut gefallen, und ja, es ist nciht so, dass es hier viele neue Argumente gibt, aber ich mochte den Schlagabtausch.

      Du hast Recht - das Cover sagt wirklich nichts zum Buch aus.

      LG Sabine

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