Andrea Sawatzki - Brunnenstraße
Erfahrung, Roman
Verlag: Osterwold Audio
ISBN-13: 978-3-84492-978-2
Dauer: 217 Minuten
Erschienen: 24.2.2022
Sprecherin: Andrea Sawatzki
Zum Inhalt
„Keine Kindheit wie jede andere. Eine, die Andrea Sawatzki wie in einem Kurzfilm einfängt: 1971 wird der Journalist Günther Sawatzki von seiner Stelle in London abgezogen und geht zu seiner Familie nach Deutschland zurück. Aber er will sein altes Leben aufgeben und mit seiner Geliebten zusammen sein, mit der er eine Tochter hat: Andrea. Doch bald stellt sich heraus, dass dieser weltläufige und gebildete Mann schwer krank ist. Das Geld wird knapp, die Mutter muss wieder als Nachtschwester arbeiten, und die zehnjährige Andrea kümmert sich um den dementen Vater, der launisch, ungeduldig und jähzornig ist. Es entspinnt sich ein geheimes Leben zwischen den beiden von Nähe und Entfremdung, Liebe und Überforderung. Bis zu seinem katastrophalen Ende.“ (Quelle: Verlagsseite)
Meine Meinung
In diesem Buch gewährt Andrea Sawatzki einen schonungslos ehrlichen Einblick in ihre eigene Kindheit – eine Kindheit, die von Verantwortung, Überforderung und dem ständigen Versuch, es allen recht zu machen, geprägt war. Schon als junges Mädchen musste sie Aufgaben übernehmen, an denen selbst Erwachsene scheitern würden: Die Pflege eines an Alzheimer erkrankten Vaters, das emotionale Vakuum einer sich entziehenden Mutter, und all das ohne irgendeine Hilfe von außen. Mit bemerkenswerter Offenheit schildert Sawatzki diese Zeit – ungeschönt, eindringlich und bewegend.
Die Handlung folgt dem Leben der jungen Andrea über mehrere Jahre hinweg. Die Mutter, von der sich langsam anschleichenden Demenz-Erkrankung des Ehemanns selbst überfordert, zieht sich zunehmend zurück, wodurch die Verantwortung für den Vater nahezu vollständig auf das Kind übergeht. Schule, Haushalt, Pflege – alles lastet auf den Schultern der Achtjährigen. Dass sie das nachhaltig beeinflusst, bleibt nicht aus - Urlaub, Pausen oder kindliche Leichtigkeit sind für Andrea nur leere Worte. Und dennoch: Sie hält durch, mit einer Mischung aus verzweifelter Pflichterfüllung, kindlicher Liebe und schmerzhafter Selbstaufgabe.
Was Andrea Sawatzki hier literarisch aufarbeitet, ist kaum in Worte zu fassen. Mit welch übermenschlicher Kraft sie diese Herkulesaufgabe gestemmt hat. die emotionale Ambivalenz, das permanente Wechselspiel zwischen Zuneigung, Wut, Erschöpfung und die Sehnsucht nach Normalität beschreibt sie dabei sehr eindringlich.
Dass Sawatzki das Hörbuch selbst eingelesen hat, verleiht dem Text eine zusätzliche Dimension. Ihre schauspielerische Erfahrung trägt spürbar dazu bei, die emotionale Tiefe und Ernsthaftigkeit der Geschichte in jeder Nuance hörbar zu machen.
„Brunnenstraße“ ist der erste Teil einer autobiografisch gefärbten Dilogie, die mit dem Folgeband „Biarritz“ endet. Tatsächlich hat mich „Biarritz“, das ich zuerst gehört habe, emotional noch stärker berührt – vielleicht weil ich so Andreas Geschichte ihrer Kindheit schon kannte und beim Hören der „Brunnenstraße“ nicht mehr ganz unvorbereitet war. Was jedoch bleibt – und das über beide Bände hinweg – ist eine tiefe Achtung vor der Autorin: Vor ihrer Stärke, ihrem Mut zur Ehrlichkeit, und vor der Fähigkeit, dieses Leben, das in so jungen Jahren bereits so schwer war, literarisch zu verarbeiten.
Mein Fazit
Ein schonungslos ehrlicher und tief berührender Einblick in die Kindheit der Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki – sie erzählt ihr persönliches Schicksal mit literarischer Kraft und emotionaler Tiefe.
Andrea Sawatzki
1. Brunnenstraße
2. Biarritz
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