[Rezension] Glendy Vanderah - "Ein Nest voller Träume"

Glendy Vanderah - Ein Nest voller Träume

Gegenwartsliteratur
 

 Originaltitel: „Where the forest meets the stars“ (2019)

 Übersetzerin: Andrea Fischer

 Verlag: Argon Hörbuch

 ISBN-13: 978-3-73240-714-9

 Dauer: 627 Minuten

 Erschienen: 3.2.2023

 Sprecherin: Sabine Arnhold

   

Zum Inhalt

„Die Ornithologin Joanna ist kurz vor der Doktorarbeit und betreibt für einen Sommer Feldforschung in den Wäldern von Illinois. Von morgens bis spätabends arbeitet sie routiniert und ohne Pause. Doch alles ändert sich, als ein kleines Mädchen bei ihr auftaucht und nicht mehr von ihrer Seite weichen will. Ist sie eine Ausreißerin? Ist sie auf der Flucht? Zusammen mit ihrem zurückgezogen lebenden Nachbarn Gabe versucht Joanna dem rätselhaften Erscheinen des Mädchens auf die Spur zu kommen. Es entsteht eine enge Verbindung zwischen den dreien, die dazu führen wird, dass Joanna mehr Freude am Leben und zu einem noch größeren Glück finden wird.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung

Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen drei ganz unterschiedliche Figuren. Joanna ist Ornithologin und untersucht für ihre Doktorarbeit die Brutgewohnheiten der Indigofinken. Allein in den Wäldern von Illinois lebt sie ein strukturiertes, zurückgezogenes Leben, bis eines Tages ein fremdes Kind vor ihrer Tür steht: Ursa, verwahrlost, hungrig und voller Geheimnisse. Das Mädchen behauptet, ein Alien zu sein, das auf der Erde eine bestimmte Anzahl an Wundern erleben müsse, bevor es zurückkehren könne. Gemeinsam mit ihrem wortkargen Nachbarn Gabe versucht Joanna herauszufinden, wer Ursa wirklich ist – und wird dabei nicht nur mit dem Schicksal des Kindes, sondern auch mit ihrer eigenen Lebensweise konfrontiert.

Ich habe das Hörbuch sehr gemocht! Die Geschichte entfaltet sich ruhig und atmosphärisch und lässt viel Raum für leise Töne. Es ist eine berührende Erzählung über drei Außenseiter, die durch Zufall eine Verbindung zueinander aufbauen – und dabei mehr über sich selbst erfahren, als sie je für möglich gehalten hätten. Mit viel Einfühlungsvermögen und einer ganz eigenen Wärme erzählt die Autorin von dem Zusammenfinden dreier unterschiedlicher Menschen.

Die Charaktere sind für mich das Herzstück dieses Romans. Joanna, anfangs nüchtern und distanziert, macht eine glaubwürdige Entwicklung durch und öffnet sich Schritt für Schritt für das Leben jenseits der Forschung. Gabe, der zurückgezogen im Wald lebt und Eier verkauft, ist wortkarg, aber keineswegs unsympathisch – eher eine stille Kraft, die im Laufe der Geschichte an Tiefe gewinnt. Und dann ist da Ursa: klug, manchmal auch altklug, vor allem aber fantasievoll – ein ungewöhnliches Kind mit schmerzhafter Vergangenheit, das durch seine Art alle um sich herum verändert. Die Autorin schafft es, jeder Figur eine eigene Stimme und nachvollziehbare Geschichte zu geben. Besonders berührt hat mich, wie sich ihre Beziehungen zueinander entwickeln – erst zögerlich, dann zunehmend liebevoll und selbstverständlich.

Der Schreibstil ist poetisch und zugleich sehr zugänglich. Die Autorin schildert Natur, Gefühle und Gedanken mit viel Detailtreue, ohne ins Sentimentale abzugleiten. Die Sprache ist klar, aber nicht nüchtern – vielmehr trägt sie viel zur Stimmung des Buches bei. Am Ende wechselt die Atmosphäre etwas – es wird dramatisch und spannend. Für mich war das eine überraschende Wendung, die zwar den vorher sehr feinen Erzählton ablegt, für mich aber dennoch gut gepasst hat. 

Sabine Arnhold als Sprecherin liest ruhig, nuanciert und mit viel Gefühl für die leisen Untertöne der Geschichte. Ihre ruhige Art passt hervorragend zur Atmosphäre der Geschichte und unterstützt die emotionale Wirkung.

Mein Fazit

Ein Nest voller Träume ist ein leises, berührendes Hörbuch über Liebe und Freundschaft, über Heilung und Verantwortung. Die Figuren sind tiefgründig und liebevoll gestaltet, die Sprache sensibel – mir hat dieses Hörbuch voller Wärme und Liebe gut gefallen und mir schöne Hörstunden geschenkt.