Carl Frode Tiller - Halt
Gegenwartsliteratur
Originaltitel: „Flukt“ (2021)
Übersetzerin: Ina Kronenberger
Verlag: btb-Verlag
ISBN-13: 978-3-442-77476-0
Seiten: 254 Seiten
Erschienen: 11.12.2024
Umschlaggestaltung: semper smile, München
Umschlagabbildung: © Aina Griffi, Jan Alsaker /Observatoriet
Buchrückentext
„Es ist Heiligabend. Elisabet und Sakarias haben nachmittags das Grab ihres Sohnes besucht, der mit 12 bei einem Verkehrsunfall gestorben ist. Sie haben eine Kerze angezündet, den Schnee vom Grabstein gefegt und wollen den Abend getrennt verbringen, denn sie sind schon lange kein Paar mehr. Doch es kommt anders. Sie gehen gemeinsam in das Haus, in dem sie als Familie gewohnt haben. Elisabet setzt sich ans Klavier und spielt ein Stück, das ihr Sohn oft geübt hat, hängt dabei Bildern und Gedanken nach. Es wird für die Eltern ein ganz besonderer Abend, erfüllt von Melancholie und Erinnerungen. Neben der Trauer erleben sie jedoch gleichzeitig auch ein neues Gefühl von Zusammengehörigkeit und Halt. Die Anwesenheit des Sohnes ist für beide spürbar.“ (Quelle: Verlagsseite)
Meine Meinung
Nach dem Tod ihres zwölfjährigen Sohnes gehen Elisabet und Sakarias getrennte Wege. Beim ersten Weihnachtsfest ohne das Kind entscheiden sie sich jedoch spontan, Heiligabend zusammen zu verbringen. Sie erinnern sich an vergangene Ereignisse, hängen ihren Gedanken und Gefühlen nach und verbringen einen Abend in gemeinsamer Melancholie.
Ich habe etwas gebraucht, um in die Geschichte hineinzukommen, was vor allem dem sehr besonderen Schreibstil gewidmet ist. Denn der Autor schlüpft immer wieder in die Köpfe verschiedener Erzähler, ohne das aber anzukündigen oder zu erklären. Und da es aber bei einer Erzählstimme bleibt und man die verschiedenen Ich-Erzähler nicht durch ihren Ausdruck unterscheiden kann, brauchte ich immer ein bisschen, bis ich wusste, wer gerade seine Sicht erzählt. Dabei kommen nicht nur Elisabet und Sakarias zu Wort, sondern auch der verstorbene Sohn Johannes. Sicher wollte der Autor so eine Nähe schaffen und zeigen, dass Johannes immer noch bei ihnen ist, zunächst aber hat es mich verwirrt, die Stimme des toten Jungen zu lesen. Außerdem verschmelzen die Gedanken der verschiedenen Personen miteinander und bieten so neue Perspektiven und Aspekte. Die Sprache ist sehr gefühlvoll und dicht, mit schönen und oft auch ungewöhnlichen Bildern – so erzeugt der Autor eine berührende Melancholie, der ich mich beim Lesen kaum entziehen konnte.
Diese Erzählweise erforderte meine volle Aufmerksamkeit und ich bin immer noch nicht sicher, ob ich das mochte – auf der einen Seite war es eine literarische Erfahrung für mich, auf der anderen Seite war ich auch oft verwirrt und verlassen.
Die Charaktere sind sehr gut gezeichnet – nach und nach bekommt man ein immer besseres Gefühl für sie, alleine aus ihren Gedanken und Handlungen heraus. Und da auch der verstorbene Sohn eine eigene Stimme hat, wird auch er nah- und fassbar. Der Schmerz der Eltern ist fast greifbar, und obwohl das Buch ein trauriges ist und voller Schmerz und Trauer steckt, habe ich am Ende ein Fünkchen Mut und Hoffnung gespürt; mit dem Gefühl, dass der Verlust natürlich immer schmerzhaft sein wird, er aber doch auch in den Hintergrund tritt und so wieder Platz für neues entsteht, habe ich das Buch zugeschlagen.
Mein Fazit
Ein düsteres, trauriges Werk, in dem Schmerz und Trauer fast auf jeder Seite präsent sind – durch eine sehr besondere Erzählweise ist zwar alle Konzentration beim Lesen notwendig, die Figuren kommen so aber dem Leser sehr nah. Ein anspruchsvolles Werk, das bei mir immer noch nachhallt.
WERBUNG: Vielen Dank an den btb-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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