[Rezension] W. Somerset Maugham - "Der Menschen Hörigkeit"

W. Somerset Maugham - Der Menschen Hörigkeit
Historischer Roman
 

Originaltitel: „Of Human Bondage“ (1915)
Übersetzer: Mimi Zoff und Susanne Feigl
ISBN: 3-257-20298-9
Seiten: 706 Seiten
Erschienen: 1991
Umschlagabbildung: A. M. Cassandre „MS Côte d’Azur“ (1931)

   
Zum Inhalt
„Das Leben scheint es nicht gut zu meinen mit Philip Carey. Der Junge, der früh seine Eltern verloren hat, ist mit seinem Klumpfuß ein gefundenes Fressen für die Hänseleien seiner Mitschüler. Genauso sehr leidet er unter der Engstirnigkeit seines puritanischen Onkels, bei dem er aufwächst. Mit scharfem Verstand, Sarkasmus und Verweigerung setzt Philip sich zur Wehr. Doch erst als er die Schule beendet, kann er endlich ausbrechen: Philips Weg führt ihn als Student nach Deutschland und als Möchtegern-Künstler nach Paris, ehe er in London ein Medizinstudium beginnt. Dort lernt er die Kellnerin Mildred kennen, mit der er sich in eine ebenso heftige wie qualvolle Affäre stürzt. Diese obsessive Liebe, die den jungen Mann beinahe zerstört, ist Dreh- und Angelpunkt des fesselnden Bildungsromans, von dem W. Somerset Maugham sagte: »Ich habe alles, was ich wusste, hineingelegt.«“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Das Buch war mir in einer Buchhandlung auf einem „unbedingt lesen Tisch!“ aufgefallen – und ich war sehr gespannt auf diesen Roman!

Im Mittelpunkt steht Philip Carey – ihn begleitet man über 30 Jahre seiner Lebensgeschichte. Dabei dreht es sich vor allem um die rastlose Suche eines jungen Mannes nach seinem Platz in der Welt und der Bewältigung seiner inneren und äußeren Fesseln. Die Geschichte beginnt mit Philips von der körperlichen Behinderung seines Klumpfußes gezeichneten Kindheit, die ihn zum Außenseiter macht und ihm die Bildung tiefer Freundschaften erschwert. Er stolpert durch verschiedene Studienfächer und Orte – von der Theologie in London über die Kunst in Paris bis hin zur Medizin – ohne jedoch irgendwo wirklich Fuß fassen zu können. Der zentrale, qualvolle Anker der Handlung ist Philips verhängnisvolle Hörigkeit in seinen Frauenbeziehungen, insbesondere zu der Kellnerin Mildred Rogers. Es ist die Darstellung eines Coming-of-Age-Prozesses, der von Orientierungslosigkeit und emotionaler Abhängigkeit geprägt ist und mich als Leserin zwar hat mitfühlen lassen, mich aber frustriert zurückgelassen hat.

Es ist eine vielschichtige und zweifellos gelungene Auseinandersetzung mit dem Thema Hörigkeit und emotionaler Abhängigkeit. Das Buch beleuchtet, wie sehr innere Unsicherheiten und ein Gefühl des Mangels einen Menschen in toxische Muster führen können. Der Titel ist in seiner Prägnanz exzellent gewählt, da er das Kernthema des Romans – die Fesseln, die wir uns selbst anlegen – perfekt zusammenfasst. Obwohl ich die psychologische Tiefe und die Ehrlichkeit der Darstellung mochte, war der Roman an vielen Stellen sehr langatmig. Viele Abschnitte waren wenig handlungstreibend und haben die Geschichte nur in die Länge gezogen. Man hätte den wirklich interessanten Plot an einigen Stellen sicherlich etwas kürzer fassen können, ohne dass dadurch die Intensität verloren wäre.

Philip Carey war mir zu Beginn der Geschichte, dem kleinen Jungen, der wegen seines Klumpfußes gehänselt wird, wirklich sympathisch, und ich konnte die Einsamkeit und die Schwierigkeit, Freundschaften zu schließen, gut nachempfinden. Mit dem Einsetzen seiner weiblichen Beziehungen allerdings wurde mir seine Figur zunehmend unverständlich, und oft habe ich den Kopf geschüttelt und hätte Philipp am liebsten wachgerüttelt.

Seine erste Liebeserfahrung mit einer älteren Frau war schräg und befremdlich, er ist offensichtlich auf der Suche nach Liebe und Zuneigung, nur so kann ich mir erklären, dass er sich auf diese überkandidelte Frau einlassen konnte. Besonders aber die toxische Beziehung zu Mildred Rogers war für mich schrecklich anzusehen. Er  war so offensichtlich von ihr abhängig und hat ihre berechnende, oberflächliche Art gar nicht durchschaut, so dass es beim Lesen wirklich weh getan hat. 

Gestört bei Philip haben mich neben seinen Beziehungen auch die anhaltende Ziellosigkeit und sein Mangel an Ehrgeiz. Er „eierte“ durch sein Leben ohne einen konkreten und ehrlich gemeinten Plan – auch diese Passivität konnte ich nur schwer nachvollziehen oder akzeptieren.

Der Schreibstil ist angenehm und gut zu lesen. Er ist klar und unkompliziert, manchmal etwas ausschweifend, von der damaligen Zeit geprägt ohne gestelzt zu sein. Die Art und Weise, wie der Autor die Emotionen und die innere Zerrissenheit Philips schildert, ist wirklich gut gelungen. Es entsteht aber wenig Spannung und auch das Bedürfnis, immer weiterlesen zu wollen, fehlte bei mir – trotzdem hat mich die psychologische Verstrickung und die Hoffnung, dass Philip irgendwann die Fesseln seiner emotionalen Abhängigkeit sprengen wird, am Buch gehalten. Dass dieser Prozess so langsam dargestellt wird, trägt letztlich aber auch zur Wirkung des Themas bei.

Mein Fazit
Ein intensiver und psychologisch dichter Entwicklungsroman, der das Coming-of-Age-Thema mit der schonungslosen Analyse emotionaler Abhängigkeit verbindet. Ich fand es oft langatmig, gleichzeitig sehe ich aber auch die literarische Leistung, auch wenn mich die langatmige Erzählweise und die Passivität des Protagonisten wirklich forderten.


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