[Rezension] Joachim B. Schmidt - "Moosflüstern"

Joachim B. Schmidt - Moosflüstern
Gegenwartsliteratur
 

 Verlag: Diogenes-Verlag
 ISBN-13: 978-3-257-69564-9
 Dauer: 521 Minuten
 Erschienen: 21.8.2024
 Sprecher: Maximilian Kraus

   
Zum Inhalt
„Heinrich Lieber ist Schweizer, Bauingenieur und Familienvater. Ein unauffälliger Typ, korrekt und umgänglich. Als ein Fehler in einem seiner Baupläne zum Einsturz einer Lagerhalle führt, gerät Heinrich Liebers eigenes Leben ins Wanken. Doch damit nicht genug: Zur gleichen Zeit erfährt er von seinen Adoptiveltern, dass seine leibliche Mutter, von der er immer geglaubt hatte, sie sei bereits tot, vor Kurzem gestorben ist, und zwar ausgerechnet in Island. Um das Maß voll zu machen, bekommt Heinrich zur Mutter in Island noch drei Halbschwestern und eine sehr lebendige Tante in Paris dazu. Anna Lieber hat den Krieg in Deutschland erlebt. Ihre Lebenskraft ist beinahe erloschen, als ein isländischer Frachter die Rettung bringt. Zusammen mit 200 anderen Frauen schifft sich Anna 1949 nach Island ein, lässt Mann und Kind zurück, und beginnt ein hartes und karges Leben auf einem isländischen Bauernhof. Als Heinrich in Island ankommt, taucht er ein in die ihm vollkommen fremde Welt, die seiner Mutter ein Zuhause wurde, und findet dort zu sich selbst zurück.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich hatte bisher noch nie etwas von Joachim B. Schmidt gelesen oder gehört – nachdem mich der Autor aber mit diesem Hörbuch in ein atmosphärisch dichtes und wunderbar melancholisches Island entführt hat, wird es sicher nicht das letzte Buch gewesen sein von ihm. 

Im Mittelpunkt steht Heinrich, dessen geordnetes Leben mit 40 Jahren aus den Fugen gerät. Denn er erfährt, dass seine Mutter nicht seine leibliche ist und diese nach Island ausgewandert war, als er noch ein Baby war. Leider eröffnet ihm sein Vater dieses Geheimnis erst nach dem Tod der leiblichen Mutter. Als Heinrichs Ehe kriselt und auch der berufliche Druck immens wird, fasst er den Entschluss, nach Island aufzubrechen und sich auf die Suche nach seinen Wurzeln zu machen. In kurzen, geschickt eingeflochtenen Rückblenden wird das Leben von Heinrichs leiblicher Mutter beleuchtet, wie sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Island kommt. Sehr interessant ist, wie die beiden verschiedenen Generationen Island erleben und wie sie beide vor einem Leben fliehen, das sie hinter sich lassen möchten

Ich mochte das Hörbuch. Es ist eine ruhige, tiefgehende Erzählung, die zum Nachdenken über Identität und Heimat anregt – hier eingebettet in die spezielle Kulisse Islands. Gerade die melancholische Grundstimmung fand ich sehr berührend und habe sie ist keinster Weise als Manko empfunden, eher als Zeichen der Tiefe dieser Geschichte. Denn die emotionalen Lasten der Charaktere wurden so für mich greif- und spürbar.

Die Charaktere sind sehr gelungen und authentisch. Heinrich ist für mich ein Mann mittleren Alters, der sich trotz seines Alterns noch nicht gefunden hat. So ist es für mich stimmig, dass er nach Island flieht, um zum einen seiner zerbrechenden Ehe zu entfliehen, zum anderen mehr über seine Wurzeln zu erfahren. Auch seine Mutter hat viele Jahre zuvor einen Neuanfang gewagt, wenngleich unter völlig anderen, vor allem entbehrungsreichen Umständen. Ich konnte mich in ihre jeweiligen Beweggründe hineinversetzen und fand sie beide auf ihre Weise sehr menschlich.

Obwohl es eine ruhige Geschichte ist, bauen sich ein ganz eigener Sog und auch eine stetige Spannung auf. Durch den Wechsel zwischen Heinrichs Gegenwartssuche und den historischen Rückblenden seiner Mutter wurde ich regelrecht an der Geschichte gefesselt. Ich wollte immer wissen, wie es weitergeht und wie die beiden Erzählstränge zusammenlaufen. Die Sprache ist angenehm, bildhaft und stimmungsvoll – für mich passte sie sehr gut zur rauen Schönheit Islands. Ich hatte das Gefühl, mit Heinrich durch das Moos zu stapfen. 

Von den erwähnten „Esja-Frauen" – deutsche Frauen, die nach dem Krieg als Arbeitskräfte auf isländischen Höfen angeworben wurden – hatte ich noch nie gehört, fand es daher aber sehr interessant und lehrreich. Insgesamt eine ruhige, vor allem aber sehr atmosphärische Generationsgeschichte. 

Mein Fazit
Ein ruhiges Buch, in dem es um Heimat, Suche nach Identität und auch die Last der Vergangenheit geht – eingebettet in die wundervolle Kulisse Islands. Ich mochte diese besondere Atmosphäre sehr und werde ganz sicher zu weiteren Geschichten von Johannes B. Schmidt greifen. 

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