[Rezension] Matt Ruff - "Ich und die anderen"

Matt Ruff - Ich und die anderen
Gegenwartsliteratur
 

Originaltitel: ‎“Set this House in Order“ (2003)
Übersetzer: Ditte und Giovanni Bandini
ISBN-13: 978-3-8445-1107-9
Dauer: ungekürzt, 1360 Minuten
Erschienen: 8.3.2014
Sprecher: Jens Wawrczeck

   
Zum Inhalt
„Mouse erwacht in Betten fremder Männer, ohne sich an den Weg dahin erinnern zu können. Andrew hingegen teilt seinen Körper mit einem sexbesessenen Teenager, einer tollen Tante, grummeligen Cousins und anderen Gestalten. Mit großem Einfühlungsvermögen und schrägem Humor erzählt Matt Ruff die Geschichte zweier junger Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung. Begleitet von jeder Menge "Personal" brechen die beiden zu einem wilden Road Trip in ihre verstörende Vergangenheit auf ...“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Das Buch stand schon länger auf meiner Liste der Bücher, die ich gerne lesen wollte, die Dicke hat mich aber ein wenig abgeschreckt. Jetzt wurde es in meinem Lesekreis ausgewählt, und ich habe mich für das Hörbuch entschieden – ein spannendes Thema interessant umgesetzt!

Im Mittelpunkt steht Andrew, der an einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidet. Seine verschiedeneren Seelen hat er mit Hilfe seiner Therapeutin in einem „Haus“ untergebracht, und jeder darf beizeiten mal in den Körper schlüpfen – so ist Andrew mal das verspielte Kind Jack, mal die Künstlerin Tante Sam oder der aufmüpfige Teenager Adam – und das sind nur einige wenige Beispielen seiner Persönlichkeiten. Andrew arbeitet als Hausmeister in der Reality Factory, in der Virtual-Reality-Games hergestellt werden. Neu im Team ist Penny, eine begabte Programmiererin – was sie noch nicht weiß, das sich hinter ihren Blackouts auch eine multiple Persönlichkeit versteckt. Kann Andrew ihr helfen oder zieht sie so beide in den Abgrund? 

Das Thema ist großartig, und die besondere Art der Umsetzung, für die der Autor sich entschieden hat, reizvoll. Denn es ist kein ernster Roman über eine Persönlichkeitsstörung, sondern eine Mischung aus skurrilen Szenen, sarkastischen Passagen, aber auch ernsten Kapitel – und das Ganze als Roadmovie gestaltet. 
Der Schreibstil ist einfach, mit vielen Dialogen, sehr lebendig und vom Ton her eher umgangssprachlich. Gelungen ist vor allem, dass jede der verschiedenen Persönlichkeiten ganz unterschiedlich ist und jede auch eine eigene Stimme hat – die eine vornehm, der andere cool, der nächste ordinär, dann wieder ein Kind; eine Herausforderung für einen Schriftsteller, die Matt Ruff fantastisch gemeistert hat. Lob hier auch an den Sprecher Jens Wawrczeck, der diese Vielfältigkeit sprachlich hervorragend umgesetzt hat. So war es trotz der vielen Figuren ein leichtes, sie auseinanderzuhalten. 

Die Geschichte ist mal rasant, weil die unterschiedlichen Alter Egos miteinander nicht gerade grün sind, dann aber gibt es auch mal ernstere Töne, in denen die Erkrankung selbst thematisiert wird und die therapeutische Idee des „Hauses“, in dem die Alter Egos leben und sich arrangieren. Ich gebe zu, dass ich mich im humoristischen Genre nicht so wohl fühle und auch hier die ernsteren Aspekte mehr mochte, dennoch muss ich sagen, dass der Plot in sich schlüssig ist und wirklich mitreißt – vielleicht ist das Maß der Skurrilität an mancher Stelle etwas übertrieben, dafür aber voller Leben und sehr unterhaltsam. 

Gerade auch als Hörbuch hat die Geschichte sehr gut funktioniert, obwohl ich wegen der Vielzahl an Charakteren skeptisch war – völlig unbegründet, denn sowohl sind die Figuren exzellent gezeichnet, so dass man sie nicht verwechseln kann und dann auch noch fantastisch von Jens Wawrczeck interpretiert. Ich empfehle das Hörbuch daher gerne weiter. 

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