[Rezension] Maxim Biller - "Mama Odessa"

Maxim Biller - Mama Odessa
Gegenwartsliteratur
 

 Verlag: Argon-Hörbuch
 ISBN-13: 978-3-732-40929-7
 Dauer: 323 Minuten
 Ersterscheinung: 17.8.2023
 Sprecher: Jens Harzer

   
Zum Inhalt
„Mit beeindruckender Leichtigkeit spannt Maxim Biller einen Bogen vom Odessa des Zweiten Weltkriegs über die spätstalinistische Zeit bis in die Gegenwart. Alles hängt bei der Familie Grinbaum miteinander zusammen: das Nazi-Massaker an den Juden von Odessa 1941, dem der Großvater wie durch ein Wunder entkommt, ein KGB-Giftanschlag, der dem Vater des Erzählers gilt und die Ehefrau trifft, die zionistischen Träumereien des Vaters, der am Ende mit seiner Familie im Hamburger Grindelviertel strandet, wo nichts mehr an die jüdische Vergangenheit des Stadtteils erinnert – und wo er aufhört seine Frau zu lieben, um sie wegen einer Deutschen zu verlassen. Dennoch scheint ständig ein schönes, helles Licht durch die Zeilen dieses oft tieftraurigen, außergewöhnlichen Buchs.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Maxim Biller hatte verkündet, mit Beginn des Ukraine-Krieges keine Bücher mehr zu schreiben – dieser Aussage ist er nicht treu geblieben, und vielleicht hat ihn der Krieg auch gerade zu diesem Buch bewegt.

Erzählt wird die Geschichte der Familie Grinbaum aus Sicht des Sohnes Micha. Wie viel autobiografisches dahintersteckt, kann ich nicht sagen, an mancher Stelle kommt man aber nicht drumherum, genau das zu denken. Vater und Großvater des Erzählers entkamen knapp dem Juden-Massaker in Odessa 1941 – letztlich sind sie im Hamburger Grindelviertel gelandet, jedoch bricht hier die Familie auseinander. Vater Grinberg hatte immer Sehnsucht nach Israel und gibt diesem Gefühl schließlich nach. Mit einer anderen Frau verlässt er Hamburg und lässt Mutter und Sohn zurück. 

Das Leben ist für die beiden nicht leicht, mehr recht als schlecht schlagen sie sich aber durch. Auch als Micha nach München zieht, bricht die Verbindung zwischen beiden nicht ab – sicher auch, weil sich beide der Literatur verschrieben haben. Während die Mutter aber Geschichten erzählt, auch aus ihrer eigenen Kindheit in Odessa, widmet sich Micha eher den Romanen. Und spät trifft er auch noch mal auf seinen Vater – ein Treffen, das ihn manches mit anderen Augen sehen lassen wird.

Maxim Biller hat eine Geschichte mit viel Gefühl und Sehnsucht geschrieben, das merkt man sofort, wenn man in das Hörbuch hineinhört. Ein wenig verwirrt hat mich die fehlende Chronologie – es sind viele einzelne Geschichten aus verschiedenen Lebensabschnitten von Mutter, Vater und Micha und erst in Zusammensicht ergibt sich schließlich ein großes Ganzes. Das Bild muss sich der Leser bzw. Hörer aber selber zusammensetzen, für ihn gibt es lediglich viele einzelne Puzzlestücke. Die Liebe zur Literatur bleibt dabei aber ein vorherrschendes Element – sowohl die von Micha als auch die seiner Mutter. 

Es gibt viele erschreckende Momente in dem Hörbuch, gar nicht, weil so detailliert in die Tiefe gehend berichtet wird, was geschieht, sondern weil trotz der Oberflächlichkeit der Schmerz und die Verletztheit in vielen Situationen zu spüren ist. Es werde viele Themen angesprochen, doch leider bleibt Maxim Biller bei den meisten sehr oberflächlich, so dass der Eindruck eines unzuverlässigen Erzählers entsteht und man sich als Hörer bzw. Leser viele eigene Gedanken machen kann und muss. 

Das Verhältnis von Micha zu seiner Mutter ist durchaus ein tiefes, wenn auch nicht immer innig, je mehr sie aber aus ihrer Kindheit erzählt, desto mehr Verständnis kann Micha für vieles aufbringen. Ähnlich ist es mit seinem Vater – an ihm lässt er zunächst kein gutes Haar und hier ist seine Wortwahl auch sehr harsch. Das Treffen mit dem Vater ist dann ein zwar wortarmes aber sehr erhellendes.

Der Schreibstil ist erstaunlich leicht und gut les- bzw. hörbar; aber durch die vielen Zeitsprünge in der Erzählung muss man trotzdem mit Konzentration hören, sonst könnte man den Anschluss verpassen. Der Sprecher Jens Harzer war mir bisher gänzlich unbekannt, er hat das Hörbuch aber sehr gut eingesprochen und mit seiner noch jung klingenden Stimme sehr gut zum Erzähler gepasst. Er hat dem eher ruhigen Hörbuch trotz der schrecklichen Inhalte Leben einhauchen können.

WERBUNG: Vielen Dank an Netgalley und den Argon-Hörbuch-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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