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[Rezension] Nguyễn Phan Quế Mai - "Der Gesang der Berge"

Nguyễn Phan Quế Mai - Der Gesang der Berge
Zeitgenössische Literatur
 

Originaltitel: „The Mountains sing“
Übersetzerin: Claudia Feldmann
Verlag: Insel-Verlag
ISBN-13: 978-3-458-17940-5
Seiten: 429 Seiten
Erschienen: 10. Oktober 2021
Umschlaggestaltung: Rothfox & Gabler, Hamburg unter Verwednung des Originalumschlags von Mumtaz Mustapha

   
Zum Inhalt
„Hu'o'ng wächst bei ihrer Großmutter auf, mitten im vom Krieg gebeutelten Hanoi der frühen 1970er Jahre. Der Vater ist auf den Schlachtfeldern verschollen, ihre Mutter folgte ihm in der Hoffnung, ihn zu finden. Und die Großmutter erzählt Hu'o'ng an den vielen langen Abenden die Geschichte ihrer Familie, eine Geschichte, die in Frieden und Wohlstand ihren Anfang nimmt, aber im Zuge fremder Besatzung, Landreform und Krieg eine Geschichte von Vertreibung, Flucht und unsäglichem Leid wurde. Doch die Frauen ihrer Familie sind stark und entschlossen, dem Schicksal eine lebenswerte Zukunft abzutrotzen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Mich hat das Cover magisch angezogen und beim reinlesen in die Leseprobe war ich direkt gefangen in der Geschichte – eine vietnamesische Familiengeschichte, die in den 1930er Jahren beginnt und bis in die Gegenwart hineinreicht. 

Im Mittelpunkt stehen Dieu Lan und ihre Enkelin Huong. Huongs Eltern sind in den Krieg gezogen, seitdem lebt sie bei ihrer Großmutter. Dieser Erzählstrang beginnt in den 1970er Jahren und reicht bis in die Gegenwart, er beginnt mit dem Leid des Vietnamkriegs und verfolgt dann das Leben in Angst und Hoffnung, da keiner weiß, was mit den anderen Familienmitgliedern geschehen ist und es keine Lebenszeichen mehr gegeben hat. In einem anderen Handlungsstrang erzählt Großmutter Dieu Lan von ihrer eigenen Vergangenheit - wie sie Besatzung, Landflucht und Krieg erlebt hat. Und letztlich laufen beide Erzählstränge zusammen und ergeben so ein vollständiges Bild der Familiengeschichte, bei der es ganz unterschiedliche Schicksale mit ganz verschiedenen Erlebnissen gibt.

Es ist eine sehr berührende Geschichte – nicht nur, weil es so viel Leid gibt, das diese Familie ertragen musste, sondern auch, weil man trotz aller schrecklichen Dinge auch unglaublich viel Liebe und Freundschaft erlebt, die Kraft geben, so dass ein Überleben überhaupt erst möglich wird. Ich habe bisher noch keine Bücher gelesen, die in Vietnam spielen und hatte daher nur sehr ungenaue Vorstellungen von dem Leben dort – Besetzung, Landflucht und auch den Vietnamkrieg aus so persönlicher Sicht beschrieben zu bekommen, war sehr emotional, schmerzhaft und unfassbar. Und trotzdem habe ich beim Lesen aber auch immer Mut und Hoffnung gespürt, Liebe, Kraft und Freundschaft – und das wegen der nicht nur unglaublich sympathischen, sondern vor allem an der Hoffnung haltenden Charaktere, die nicht aufgeben und immer nach einem Weg aus der Not suchen.
 
Ich mochte beide, sowohl Großmutter Dieu Lan als auch ihre Enkelin Huong. Zu Beginn des Buches ist Huong noch jung und ein Kind, und natürlich kann sie vieles noch nicht verstehen. Ihre Großmutter aber hat eine sehr liebevolle Art mit ihr umzugehen, sie spricht ihr Mut zu, so dass sie die Hoffnung nicht verliert. Und das, obwohl die Zeit, in der sie aufwächst, schrecklich ist. Dieu Lan wirkt sehr stark und verlässlich. Sie selber hat einiges Schreckliche mitgemacht, wie man in den Rückblenden erfährt, und trotzdem hat sie sich nie unterkriegen lassen, sondern immer gekämpft und alles für ihre Kinder getan, was möglich war. Huong wächst so in einer zwar schwierigen, aber dennoch sehr liebevollen Umgebung auf und nimmt vieles von der Stärke und Kraft, die ihre Großmutter ausstrahlt, an und wird selber zu einer ebenso liebevollen und mutigen jungen Frau. Ich habe beide gerne begleitet und war am Ende sehr gerührt von der Geschichte. Natürlich gibt es auch noch viele andere Figuren, die man nach und nach kennenlernt, und jede ist wirklich sehr gut gezeichnet – gelungen finde ich, dass am Ende alle Fäden zusammenlaufen, ohne dass es aber kitschig wird, ganz im Gegenteil: Es ist ein sehr authentisches Ende, das aber dennoch ein warmes Gefühl im Bauch zurücklässt, wenn man das Buch am Ende zuschlägt. Schwer getan habe ich mich nur mit den Namen – das aber liegt einfach an der Fremdartigkeit für mich und kann ich der Autorin nicht „vorhalten“; hat man sich aber schon mit dieser Kultur beschäftigt, wird das kein Problem sein.

Gefallen hat mir auch der Schreibstil, der einfühlsam und poetisch ist und so auf mich eine sehr beruhigende Wirkung hatte, trotz vieler schrecklicher Dinge, die in dieser Geschichte beschrieben werden. Schön sind auch die immer wieder eingeflochtenen Sprichwörter aus Vietnam, die weise und wohlklingend, oft auch ein wenig mystisch wirken. Mich hat der Schreibstil sehr angesprochen, sicher aber mag er manchen zu blumig sein, das muss aber jeder für sich selber herausfinden.

Es ist eine tolle Familiengeschichte, sehr intensiv und dicht erzählt – ich fand das Buch großartig und gebe daher 5 von 5 Sternen. 

Mein Fazit
Ein tolles und sehr eindringliches Buch über eine vietnamesische Familie in den Wirren von Landflucht, Krieg und Besatzung – eine wirklich erschreckende Geschichte, die aber dennoch auch Hoffnung und Ruhe mit sich bringt. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, eine Menge gelernt und hoffe, dass von der Autorin noch weitere Bücher übersetzt werden. Ich gebe 5 von 5 Sternen.

WERBUNG: Vielen Dank an Vorablesen und den Insel-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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