[Rezension] Judith Pinnow – "Die Phantasie der Schildkröte"

Judith Pinnow – Die Phantasie der Schildkröte
Gegenwartsliteratur

ISBN-13: 978-3-732-41569-4
Dauer: 404 Minuten
Erschienen: 24.8.2017
Sprecher*in: Luise Helm

Zum Inhalt
„Edith ist Mitte Vierzig, arbeitet bei einer Versicherung und lebt allein. Ihr Leben ist extrem strukturiert durch ihre Arbeit und das Fernsehen. Andere Menschen kann Edith nicht leiden. Bis sie einem Kind namens Schneewittchen im Haus begegnet, das ein Spiel mit ihr beginnt und ihr fortan Aufgaben stellt. Sie muss merkwürdige Dinge erledigen, aber vor allem: Kontakt aufnehmen. Edith und Schneewittchen werden ein Team, und am Ende ist Edith ein anderer Mensch. Eine Frau die sich selbst mag, eine Frau, die zu ihren Sommersprossen steht und in der Lage ist, sich zu verlieben und jemanden in ihr Leben zu lassen, den sie nicht leiser drehen oder ausschalten kann.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich weiß nicht mehr, wie ich auf dieses Hörbuch gestoßen bin – auf jeden Fall bin ich froh, denn es hat mir sehr gut gefallen, und auf jeden Fall werde ich schauen, was die Autorin noch geschrieben hat.

Edith ist Mitte Vierzig und führt ein sehr strukturiertes Leben – diese Struktur braucht sie, um durch den Alltag zu kommen, diese Struktur aber raubt ihr auch ganz viel Lebensfreude und Spontanität; und auch wenn sie das weiß, kann sie es nicht ändern. Im Hausflur lernt sie ein junges Mädchen kennen – und sie ist das genaue Gegenteil von Edith: spontan, verrückt, offen für Neues – und dieses Mädchen hat sich gerade Edith als Freundin ausgesucht und zeigt ihr nun, was das Leben alles zu bieten hat.

Ich mochte die Geschichte sehr, auch wenn sie natürlich konstruiert und sehr vorhersehbar ist. Edith ist zwar nicht unsympathisch, aber als Freundin möchte man sie sicherlich nicht haben, so, wie sie in ihren selbstgemachten Zwängen lebt. So ernst das Thema ist, hat es aber auch ein paar komische Momente, in denen ich schmunzeln musste, wenn Edith zum Beispiel von ihrem Tages-Outfit abweichen muss und das ihre ganze Wochenplanung durcheinander wirft oder wenn das junge Schneewittchen – wie sich das Mädchen nennt – ihre Wohnung in Unordnung bringt und sie das kaum auszuhalten weiß. Schneewittchen ist einfach großartig, auch wenn sie an mancher Stelle anstrengend ist – sie sprüht vor Energie, hat immer neue Ideen, die Edith mit ihr umsetzen soll, lässt davon auch nicht ab, egal welche Argumente Edith vorträgt und hat einfach das Herz am rechten Fleck. 

Ich denke ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass es einige Abenteuer zu bestehen gibt und dass aus Edith langsam ein ganz neuer Mensch wird – mit sehr liebenswerten Seiten. Es gibt noch einige andere Figuren, die in der Geschichte auftauchen, und auch bei ihnen hat die Autorin interessante Lebensgeschichten entworfen – es ist eine illustre Sammlung von Charakteren, gemein ist allen, dass sie Ecken und Kanten haben und so wie aus dem Leben gegriffen erscheinen.

Der Erzählstil ist angenehm, locker und leicht, und mit Luise Helm hat man eine tolle Sprecherin gewählt, die die Geschichte lebendig vorträgt und ein Händchen (oder Stimmchen) dafür hat, die jeweilige Stimmung zu erfassen und auch zu transportieren.

Das Ende hat meinen Geschmack nicht ganz getroffen, auch wenn es viele offene Fragen klärt und eigentlich auch die einzige Option war, alles aufzulösen; denn während der Geschichte fragt man sich schon, wo Schneewittchen denn eigentlich lebt, wie sie wirklich heißt und was mit ihrer Familie ist und ich zumindest hätte nicht gewusst, wie ich das schlüssig auflösen soll. Da mich aber der Rest der Geschichte überzeugt hat, gebe ich dem Hörbuch gute 4 von 5 Sternen.

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