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Eowyn Ivey - "Das Leuchten am Rand der Welt"

[Rezension] Jo Leevers - "Café Leben"

Jo Leevers - Café Leben
Gegenwartsliteratur
 

Originaltitel: „The Grief Café“
Übersetzerin: Maria Hochsieder
ISBN-13: 978-3-426-28280-9
Seiten: 320 Seiten
Erschienen: 2.11.2022
Covergestaltung: Sabine Schröder

   
Zum Inhalt 
„Die 32-jährige Henrietta Lockwood führt in London ein zurückgezogenes Leben mit ihrem Hund Dave. Schon früh hat sie eine Mauer zwischen sich und der Welt errichtet. Das verhilft ihr schließlich zu einem besonderen Job im Hospiz, bei dem man besser nicht ständig in Tränen ausbricht: Henrietta soll todkranken Menschen dabei helfen, die Geschichte ihres Lebens für die Nachwelt aufzuschreiben.
Schon bei den ersten Gesprächen mit ihrer Klientin Annie merkt Henrietta, dass die 66-jährige Krebspatientin schlimmen Erinnerungen ausweicht. Ohne die wird ihre Geschichte jedoch nie vollständig sein, und das kann Henrietta nicht hinnehmen. Sie versucht auf eigene Faust herauszufinden, was Annies Schwester vor 46 Jahren zugestoßen ist.
Doch um Annie dazu zu bringen, alle Puzzleteile offenzulegen, muss Henrietta etwas tun, was sie noch nie zuvor getan hat: ihre eigene Geschichte erzählen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Mich hat vor allem das Cover angesprochen – und nach den ersten positiven Stimmen über das Buch war klar, dass ich es auch lesen möchte. Es handelt sich um den Debüt-Roman der Autorin Jo Leevers, die nach dem Krebstod der eigenen Mutter das Gefühl hatte, dass deren Geschichte nicht auserzählt war – und so ist die Idee zu diesem Roman entstanden.

Henrietta hat es in ihrem Leben nicht immer leicht gehabt – der neue Job, bei dem sie die Lebensgeschichten von Menschen, die bald sterben werden, aufschreibt, soll auch in ihrem Leben eine Wendung bringen. Sie lernt Annie kennen, die sich aber im Gespräch nicht an die vorgegebenen Strukturen hält, sondern nach eigenen Vorstellungen erzählen will. Schnell kommen Dinge ans Licht, die nicht schön waren, die aber Annies Leben geprägt haben.

Für mich hat die Geschichte durch die Charaktere gelebt – Henrietta ist sehr eigen, penibel und fast schon zwanghaft in ihren Handlungen. Sie kann kaum von ihren Ritualen abweichen und hält sich stringent an Vorgaben und Strukturen, egal, wie sinnvoll bzw. sinnlos sie sind. Warum das so ist, erfährt man im Laufe der Geschichte. Auch Annie ist eine sehr besondere Frau – sie kleidet sich fernab jeglicher Konventionen und scheint ansonsten aber ein zurückgezogenes Leben zu führen. Die beiden treffen nun zufällig aufeinander, und so unglücklich das erste Treffen war, entwickelt sich doch ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden. Beide waren mir sympathisch, und dazu hat sicherlich die manchmal skurrile Art beigetragen, denn irgendwie haben beide doch das Herz am rechten Fleck; ihr Handeln konnte ich kaum nachvollziehen, und trotzdem haben die beiden mich in ihren Bann gezogen. Ich mochte dieses langsame Überwinden der Distanz, die zunächst herrscht, vor allem aber die Entwicklung, die beide in den knapp zwei Monaten ihrer Zusammenarbeit machen. 

Ich war überrascht, dass es nicht einfach nur bei den Lebensgeschichten der beiden geblieben ist – denn Henrietta macht sich daran, ein Geheimnis aus Annies Kindheit aufzuklären. Und so bekommt der Roman auch einen kriminalistischen Aspekt, der aber gut in die Geschichte eingewebt ist und die Spannung erhöht. Natürlich lässt das Buch einen auch das eigene Leben reflektieren – was haben Kindheitserlebnisse mit mir gemacht und welche Geschichten sind mir so wichtig, dass sie meine Nachkommen erfahren. Sind es nur gute oder auch nicht so schöne Ereignisse – all das sind Fragen, die mir durch den Kopf gegangen sind.

Der Schreibstil ist gut lesbar, eher kühl und auf den Punkt; immer wieder aber gibt es auch Passagen, die blumig sind und fast schön schnörkelig daherkommen – für mich haben diese Abschnitte aber immer zur Szene gepasst und daher fand ich das nicht störend. Die Atmosphäre ist – trotz des traurigen Themas und dem ja vorauszusehenden Ende des Buches – gar nicht so melancholisch, sondern eher voller Energie, Dinge nicht einfach nur zu akzeptieren, sondern aktiv an sie heranzugehen. Die Botschaften sind gut in die Geschichte verwebt, und ich habe sie auch nicht als zu plakativ empfunden, lediglich im letzten Drittel hat die Autorin dann doch ein paar Mal zu dick aufgetragen.    

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und mochte diese berührende Geschichte über eine Freundschaft zwischen zwei ganz unterschiedlichen Frauen. Wegen der gerade im letzten Drittel manchmal etwas dick aufgetragenen Botschaften ziehe ich einen halben Stern ab und gebe 4,5 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Eine berührende Geschichte über zwei ganz unterschiedliche Frauen, die eins gemeinsam haben: sie haben schreckliches erlebt und über diese Dinge geschwiegen, so dass es zu viel Einfluss auf das nachfolgende Leben genommen hat. Die Charaktere sind sehr eigen und unbequem, dennoch aber liebenswert, so dass ich sie gerne begleitet habe in diesem durchweg fesselnden Roman. Ich gebe 4,5 von 5 Sternen.

WERBUNG: Vielen Dank an Netgalley und den Droemer-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

2 Kommentare:

  1. Liebe Sabine,
    es freut mich sehr, dass dir das Buch auch recht gut gefallen hat. Deine Rezi finde ich auf den Punkt gebracht und du hast besonders den Schreibstil gut beschrieben.

    Von dem etwas banal klingenden Titel hatte ich mir zunächst gar nciht so ein interessantes Buch erwartet und war positiv überrascht. Ich mochte es, wie die Frauen sich einander näher kamen und sich öffneten, weil sie beide über ihre Tiefen im Leben erzählen wollten.

    Liebe Grüße
    Barbara

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    1. Liebe Barbara,
      ich mochte das Buch wirklich sehr gerne und wäre es nicht zwischendurch dann doch etwas zu pathetisch gewesen, hätte ich auch 5 Sterne gegeben - ich hoffe aber sehr, dass die Autorin weiter schreibt!

      LG Sabine

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