Thomas Glavinic - Das größere Wunder
Gegenwartsliteratur
Verlag: Hanser-Literaturverlage
ISBN-13: 978-3-446-2432-3
Seiten: 523 Seiten
Erschienen: 26.8.2013
Umschlaggestaltung: Peter-Andreas Hassiepen, München
Umschlagabbildung: © akg images /getty-images, Space Frontiers
Zum Inhalt
„Während einer Expedition zum Gipfel des Mount Everest erinnert sich Jonas zurück an sein Leben – an seine außergewöhnliche Kindheit mit seinem Zwillingsbruder Mike und seinem Freund Werner, an seine Reisen durch die ganze Welt und an die Momente mit seiner großen Liebe Marie, die sein Leben verändert hat.“ (Quelle: Fischer-Verlage.de)
Meine Meinung
Bücher, die auf dem Mount Everest spielen, ziehen mich magisch an – und als dieses Buch in meinem Lesekreis ausgewählt wurde, war ich natürlich sehr erfreut!
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Jonas – zu Beginn des Buches steht er am Fuß des Mount Everest, bereit, den höchsten Punkt der Erde zu erklimmen. Doch der Weg zum Gipfel ist nicht nur körperlich fordernd, sondern auch eine Reise tief in sein Innerstes. Während der beschwerlichen Expedition denkt Jonas zurück an prägende Stationen seines Lebens: seine unkonventionelle Kindheit, die enge Beziehung zu seinem Bruder Mike, seine ziellosen Reisen um die Welt und die schicksalhafte Begegnung mit der geheimnisvollen Marie. Auf zwei Erzählebenen – der realen Herausforderung auf dem Berg und den Rückblenden in Jonas‘ Vergangenheit – lernt man Jonas immer besser kennen, einen jungen Mann, der sein ganzes Leben auf der Suche zu sein scheint.
Ich bin unentschlossen, wie ich das Buch insgesamt finde. Die Passagen, die auf dem Everest spielen, haben mich absolut mitgerissen – sie sind eindringlich, atmosphärisch dicht und vermitteln ein authentisches, sehr starkes Gefühl für die körperliche und mentale Ausnahmesituation, in der sich Jonas befindet. Gerade im letzten Viertel entfalten die Beschreibungen eine enorme Intensität: Die Höhenkrankheit, das Schwanken zwischen Realität und Halluzination, das Aufbrechen innerer Grenzen – das alles ist grandios erzählt.
Schwieriger war für mich der andere Erzählstrang: die Rückblicke in Jonas’ Leben. Es erinnert an einen Coming-of-age-Roman, denn man begleitet Jonas in seiner Kindheit, die er weniger bei seinen Eltern als denn bei liebevollen Freunden verbringt, die aber etwas merkwürdige Werte haben und diese auch vermitteln. Er hat eine sehr innige Beziehung zu seinem Bruder, einen tollen „besten Freund“, mit dem er die Welt entdeckt und schließlich auch die erste große Liebe. Man begleitet Jonas bei seinen ziellosen Reisen um die Welt, immer auf der Suche nach sich selbst und dem Sinn des Lebens – ohne sich dabei Gedanken um Geld machen zu müssen und ohne irgendein Bewusstsein, wie sein Umfeld damit umgeht; und aus heutiger Perspektive sind die ganzen Flugreisen klimatechnisch zudem sehr fragwürdig.
Es ist ein facettenreiches Bild, das von Jonas gezeichnet wird, und leider konnte ich mit all seinen Gedanken und Handlungen kaum mitgehen. Als Kind hat er mich leid getan, denn er hat einige Schicksalsschläge zu erleiden, dann aber hat mich sein egozentrisches Verhalten sehr geärgert. Er wirkt gleichgültig – nicht auf seine eigene Person, aber auf alles um ihn herum – und das mochte ich leider überhaupt nicht an ihm.
Auch wenn ich Jonas so gar nicht in mein Herz schließen konnte, finde ich aber, dass der Autor die Figur sehr gut gezeichnet hat - sonst könnte ich vermutlich auch gar nicht eine solche Abneigung empfinden. Alle Figuren wirken lebendig und komplex, und damit auch authentisch. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und besonders in den Everest-Passagen voller Atmosphäre – man friert und kämpft irgendwie mit. Die Everest Passagen habe ich wirklich geliebt, die Rückblenden in Jonas Leben vor seiner Expedition haben mich leider nicht begeistern können.
Mein Fazit
Ein vielschichtiger Roman mit zwei Erzählebenen – einmal entführt der Autor uns zu einer Expedition auf den höchsten Berg der Welt, mit dem anderen Handlungsstrang in die Vergangenheit des Protagonisten. Mich haben vor allem die Passagen auf dem Everest begeistert – sie sind intensiv, eindrücklich und spannend. Mit der Hauptfigur Jonas und den Rückblicken in sein vielschichtiges Leben konnte ich dagegen nicht so viel anfangen, sicher auch, weil mir Jonas einfach unsympathisch war. Trotzdem ein Buch, das bei mir nachhallt – da muss sich wohl jeder eine eigene Meinung bilden.
Liebe Sabine,
AntwortenLöscheneine meiner ersten Lesungen war eine Lesung von drei Autor:innen, wo auch Thomas Glavvinic dabei war. Er hat damals aus genau diesem Buch gelesen. Ein sehr komischer Typ und in jedem seiner Bücher heißt der Protagonist Jonas!
Liebe Grüße
Martina