[Rezension] Jeffrey Eugenides - "Middlesex"

Jeffrey Eugenides - Middlesex
Gegenwartsliteratur
 

Originaltitel: „Middlesex“ (2002)
Übersetzer: Eike Schönfeld
ISBN-13: 978-3-499-23810-9
Seiten: 736 Seiten
Erschienen: 1.11.2004
Umschlaggestaltung: Gudrun Fröba in Zusammenarbeit mit Karen Yamauchi

   
Zum Inhalt
„In einem griechischen Bergdorf fängt alles an. Ein junger Mann und eine junge Frau, Bruder und Schwester, fliehen vor den Türken nach Smyrna und, als die Stadt brennt, weiter nach Amerika. Es ist das Jahr 1922. Auf dem Schiff, weit weg von allem, heiraten sie, verbringen ihre erste Nacht in einem Rettungsboot. In Detroit, der Stadt der Autos, lassen sie sich nieder. Niemand ahnt das Geheimnis dieses Paares, doch Jahrzehnte später, nach abenteuerlicher Reise eines Gens, entpuppt sich die Enkeltochter als Junge, und eine neue Odyssee beginnt.“ (Quelle: dtv)

Meine Meinung
Schon lange wollte ich dieses Buch lesen, das 2003 den Pulitzer Preis gewonnen hat - was als Familiensaga beginnt, entwickelt sich Stück für Stück zu einer einzigartigen Coming-of-Age-Geschichte, wie ich sie noch nicht gelesen habe.

Der Roman beginnt als Familiengeschichte, die weit vor der Geburt des Protagonisten Calliope "Cal" Stephanides einsetzt und aus dessen Sicht geschrieben ist. Cal nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Historie seiner griechischen Familie, beginnend bei den Großeltern, die ihre Heimat verlassen und in Amerika ein neues Leben beginnen. Über mehrere Generationen hinweg verfolge ich ihre Schicksale, Hoffnungen und Enttäuschungen. Die Intersexualität des Protagonisten wird dabei nicht von Beginn an thematisiert, sondern taucht erst im letzten Drittel des Buches als zentrales Element auf. Zuvor liegt der Fokus ganz auf der komplexen und oft skurrilen Familiengeschichte, die den Grundstein für Cals spätere Identitätsfindung legt.

Mein allgemeiner Eindruck dieses Buches ist positiv, wenngleich mit kleinen Einschränkungen. Ich fand das Thema von Anfang an unglaublich spannend und war stets neugierig, wie es mit Cal und seiner Familie weitergehen würde. Es ist dem besonderen Schreibstil von Jeffrey Eugenides geschuldet, dass ich manche Passage etwas langatmig fand, gleichzeitig ist es genau diese einzigartige Erzählweise und die fesselnde Entwicklung mit vielen Überraschungen und unerwarteten Wendungen, die mich immer „am Ball“ gehalten hat. Ich wollte einfach wissen, wie diese ungewöhnliche Geschichte endet. 

Die Charaktere sind für mich ein absoluter Höhepunkt des Romans. Der Autor schafft es, sehr besondere und individuelle Persönlichkeiten zu kreieren, die weit entfernt von irgendwelchen Stereotypen sind. Jeder Charakter ist außerordentlich gut gezeichnet, mit all seinen Eigenheiten, Schwächen und Stärken. Ich konnte tief in ihre Leben eintauchen, mit ihnen fühlen und ihre Motivationen verstehen, selbst wenn sie noch so exzentrisch erscheinen mochten. Es ist eine sehr nuancierte Darstellung eines besonderen Familiengeflechts.

Der Schreibstil von Jeffrey Eugenides ist besonders: Er ist oft ausschweifend und detailreich, was zwar zu Längen führen kann, aber auch eine unglaubliche Tiefe und Atmosphäre schafft. Manchmal mag er etwas blumig wirken, doch genau das verleiht der Sprache ihren ganz eigenen Charme. Was mich aber besonders fasziniert hat, sind der spezielle Humor und die Ironie, die sich durch den gesamten Text ziehen. Der Autor versteht, die oft komplexen Themen auf eine Weise zugänglich zu machen, dass sie sowohl zum Nachdenken anregen als auch unterhalten. Die Tatsache, dass der Protagonist schon von seiner Geburt und den Ereignissen weit davor erzählt, unterstreicht die Idee, dass unsere Identität und unser Schicksal oft tief in unserer Vergangenheit verwurzelt sind.

Mein Fazit
„Middlesex“ ist ein außergewöhnlicher Roman, der durch seinen einzigartigen Plot und die tiefgründigen, unkonventionellen Charaktere besticht. Jeffrey Eugenides erzählt eine Geschichte, die zum Nachdenken über Familie, Herkunft und Selbstfindung anregt. Trotz gelegentlicher Längen hat mich der Roman durch seine fesselnde Erzählweise und die komplexen Figuren nachhaltig beeindruckt. Ein außergewöhnliches Werk, das ich gerne empfehle.


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