Olga Tokarczuk – Gesang der Fledermäuse
Gegenwartsliteratur
Originaltitel: „Prowadź swój pług przez kości umarłych“ (2009)
Übersetzerin: Doreen Daume
Verlag: Kampa-Verlag
ISBN-13: 978-3311100225
Seiten: 320 Seiten
Erschienen: 27.11.2019 (deutsche Ersterscheinung 2011)
Umschlaggestaltung: Herr K | Jan Kermes, Leipzig
Zum Inhalt
„Ein Dorf an der polnisch-tschechischen Grenze. Im Sommer tummeln sich hier wohlhabende Warschauer. In den Wintermonaten fliehen die meisten Einwohner das windumtoste Hochplateau im Glatzer Kessel. Die alleinstehende Englischlehrerin Janina Deszeijko widmet sich in den langen dunklen Tagen ihren astrologischen Studien und der Übersetzung von Gedichten des verehrten Willam Blake. Man hält die alte Dame für verschroben, wenn nicht gar für verrückt, auch weil sie die Gesellschaft von Tieren der von Menschen vorzieht. Dann gibt es einen Toten. Janinas ungeliebter Nachbar Big Foot ist grausam erstickt, in seiner Kehle steckt der Knochen eines Tiers. Und es bleibt nicht bei dieser einen Leiche. Janina hat einen starken Verdacht und ermittelt auf eigene Faust. Aber ist sie wirklich auf der richtigen Spur?“ (Quelle: Verlagsseite)
Meine Meinung
Olga Tokarczuk hat 2018 den Nobelpreis für Literatur bekommen, deshalb habe ich zu einem ihrer Bücher gegriffen, um die gepriesene „narrative Vorstellungskraft“ selber zu erleben. Erzählen kann die Autorin – auch wenn ich mit der Protagonistin dieses Romans ein wenig Probleme hatte.
Janina Duszejko lebt an der polnisch-tschechischen Grenze und ist der Natur und den Tieren sehr verbunden. Menschen findet sie eigenartig, deshalb lebt sie zurückgezogen und alleine in einem kleinen Haus fernab jeglicher Zivilisation. Als ein Nachbar von ihr tot in seinem Haus aufgefunden wird, ist sie sicher, dass es die Tiere waren, die ihn umgebracht haben. Doch die Polizei hat für ihre Ideen kein Ohr – und selbst als weitere Tote gefunden werden, kümmert sie sich kaum, so dass sich Janina selber auf die Suche nach dem Mörder macht.
Es ist kein Krimi – auch wenn das der Klappentext suggeriert. Vielmehr ist es eine Geschichte um eine schrullige Protagonistin, die sehr eigene Vorstellungen von sich, ihrem Leben und der Welt hat. Sie glaubt an die Astrologie und daraus resultierende Vorhersagen, sie liebt die Tiere und gibt Menschen ganz eigene Namen, sie schätzt den Autor William Blake und lässt nur wenige Freunde an sich heran. Janina lebt alleine, seitdem ihre beiden geliebten Hündinnen verschwunden sind. Im Dorf gilt sie als verrückt – und das noch mal mehr, da sie die Morde als Rache der Tiere sieht. Janina hat ein paar tolle Gedankenkonstrukte, vieles aber hat mich auch schmunzeln oder gar Augenrollen lassen. Sie ist eine ungemütliche Protagonistin, die wirklich verschroben und eigen daherkommt und nicht gerade vor Sympathie strahlt – aber: Sie hat ein großes Herz, das sie den Tieren schenkt, den Menschen dafür gar nicht. Es gibt nicht viele Figuren in diesem Roman, die wenigen sind aber gut ausgearbeitet. Nach und nach erfährt man mehr von ihren Geschichten, und nach und nach auch, wie das Leben in dieser eigentümlichen Dorfgemeinschaft ist. Es sind eingeschweißte Verbindungen, und das Dorf wirkt ein wenig zurückgeblieben – denn während es in der Geschichte schon Handys gibt, fühlt man sich beim Lesen doch häufiger in eine Zeit vor Existieren des Internets versetzt.
Die Stimmung der Geschichte hat die Autorin wirklich gut eingefangen – größtenteils spielt sie im Winter und so hatte ich das Gefühl, Eis und Kälte zu spüren, genauso wie die Verzweiflung und Sorge der Protagonistin. Sie versucht zwar, Licht in die unklaren Morde zu bringen, das hat aber nichts mit Ermittlungen zu tun, sondern mehr damit, die Polizei von ihrer eigenen, unkonventionellen Theorie zu überzeugen. Da gab es bei mir wirklich einige Momente, in denen ich geschmunzelt habe, insbesondere als sie zitiert, wann schon Prozesse gegen Tiere stattgefunden hätten und wie sie dann verurteilt worden seien.
Der Schreibstil ist trocken, pointiert, manchmal schleicht sich aber auch ein poetischer Gedanken ein. Er ist gut lesbar und kann diese besondere Stimmung des Buches sehr gut transportieren.
Am Ende gibt es einen Twist, den ich nicht habe kommen sehen – dabei liegt er eigentlich auf der Hand. Vielleicht aber wollte ich so auch nicht sehen, denn mit diesem Ende hat die ganze Geschichte noch mal eine ganz neue Lesart.
Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn ich die Protagonistin nicht sonderlich sympathisch fand und ich mit ihr auch nicht richtig mitfühlen konnte. Von meiner Seite gibt es 3,5 von 5 Sternen.
Mein Fazit
Die Geschichte lebt von der verschrobenen Protagonistin, die wirklich eigentümlich und schrullig daherkommt – ein Krimi ist es wie im Klappentext angegeben beileibe nicht, vielmehr geht es um Weltanschauungen und Beziehungen. Ich habe das Buch gerne gelesen, an mancher Stelle war es mir aber doch zu verschroben, so dass ich 3,5 von 5 Sternen vergebe.
Schönen guten Morgen!
AntwortenLöschenIch bin grade beim Durchscrollen der neuen Posts am Titel hängengeblieben - vielleicht, weil er mich an den "Gesang der Flusskrebse" erinnert hat xD
Jedenfalls hätte ich mir dieses Buch niemals näher angeschaut -umso froher bin ich, wenn ich dich und euch habe, die mir immer wieder so tolle Bücher zeigen!
Auch wenn es dich nicht so ganz überzeugen konnte: mich hat es jedenfalls extrem neugierig gemacht!
Das kommt direkt auf die Wunschliste :D
Danke dafür!
Liebste Grüße, Aleshanee
So soll es doch sein beim bloggen - den anderen neugierig machen. Das freut mich, dass mir das gelungen ist!
LöschenLG Sabine
Liebe Sabine,
AntwortenLöschenich habe das Buch bei Wilja auf You Tube gesehen und seitdem auf dem Wunschzettel. Wilja hat aber auch gemeint, dass der Schreibstil eigen sei und man vorher eine Leseprobe lesen sollte. Muss ich erst machen. Im Moment stecke ich in einer kleinen Leseflaute - da passt es sowieso nicht.
Liebe Grüße
Martina
Den Schreibstil mochte ich, aber es stimmt schon, er ist etwas kühl und distanziert, da macht eine Leseprobe Sinn.
LöschenIch hoffe, deine Leseflaute hält nciht mehr zu lange an ...
LG Sabine