[Rezension] Kristine Bilkau - "Halbinsel"

Kristine Bilkau - Halbinsel
Gegenwartsliteratur
 

 Verlag: Der Hörverlag
 ISBN-13: 978-3-844-55361-1
 Dauer: 399 Minuten
 Erschienen: 17.3.2025
 Sprecherin: Isabelle Redfern

   
Zum Inhalt
„Eine Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer. Hier, an der Nordsee, lebt Annett, Ende vierzig, seit vielen Jahren, hier hat sie nach dem frühen Tod ihres Mannes ihre Tochter Linn allein großgezogen. Linn, Mitte zwanzig, ist nach dem Abitur voller Energie in die Welt gezogen, hat sich in schwedischen und rumänischen Wäldern als Umweltvolontärin engagiert, arbeitet für ein Aufforstungsprojekt. Für Annett ist ihre Tochter die Verkörperung von Hoffnung, Sinn und Zukunft. Doch auf einer Tagung, während eines Vortrags kippt Linn um, Kreislaufzusammenbruch, Erschöpfung. Annett holt sie für eine Woche zu sich nach Hause, ans Meer, nahe Husum. Aus einer werden zwei, dann drei Wochen, dann Monate. Zerrieben zwischen Leistungsdruck und Sinnsuche, scheint Linn mit Mitte Zwanzig an einem Nullpunkt. Annett fühlt sich hilflos angesichts der Antriebslosigkeit ihrer Tochter. Mit der Zeit brechen Konflikte auf, zwischen Mutter und Tochter, aber auch zwischen zwei Generationen. Die eine muss die Lebenswirklichkeit der anderen neu verstehen lernen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Schon lange stand das Hörbuch "Halbinsel" von Kristine Bilkau auf meiner persönlichen „Want-to-hear“-Liste. Meine Neugierde war geweckt worden, weil ich die Autorin in einem Interview erleben durfte und das Werk zudem den Leipziger Buchpreis 2025 gewonnen hat. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an diese tiefgründige Auseinandersetzung mit familiären Dynamiken.

Die Geschichte entführt auf eine Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer, wo Annett, Ende vierzig, lebt und ihre Tochter Linn großgezogen hat. Linn, Mitte zwanzig und engagiert in Umweltprojekten, ist für Annett die Verkörperung von Sinn und Zukunft, doch leider ist der Kontakt oft schwierig. Als Linn aus Erschöpfung zusammenbricht, kehrt sie für eine vermeintliche Woche nach Hause zurück, woraus Monate werden. Zerrieben zwischen gesellschaftlichem Leistungsdruck und der Suche nach dem tiefen Sinn des Lebens, scheint Linn an einem Nullpunkt angelangt. Und ihre Mutter Annett fühlt sich hilfloser denn je. Unausgesprochene Konflikte zwischen den beiden Generationen kommen ans Tageslicht, und Lebenswirklichkeiten wollen neu verstanden werden.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gehört. Es ist ein ruhiges Werk, das durch viele intime Innenansichten beeindruckt, die durch eine interessante Rahmenhandlung entstehen. Der Roman dreht sich um Erwartungen, unausgesprochene Dinge, Sorgen und Vorwürfe, und behandelt dabei die Themen emotionale, gesellschaftliche sowie körperliche Erschöpfung. Rückblenden gewähren dabei tiefe Einblicke in die Umstände, die zu den gegenwärtigen Konflikten geführt haben.

Die Charakterzeichnung finde ich sehr gelungen – beiden Hauptcharaktere, Annette und Linn, sind realistisch und authentisch gezeichnet. In beide konnte ich mich gut hineinfühlen – in ihre jeweiligen Problemen und Sorgen, die sie auf unterschiedliche Weise bewältigen. Besonders bemerkenswert finde ich die Entwicklung der Mutter Annett. Sie durchläuft einen schönen Prozess, in dem sie am Ende nicht einfach alles hinnimmt, sondern beginnt, nicht nur ihr eigenes Handeln, sondern auch das ihrer Umgebung zu hinterfragen. Und bei dem sie vor allem auch ihrer Tochter wieder ein Stück näher kommt.

Kristine Bilkau schreibt mit einer feinen Art, fast schon einer meditativen Zurückhaltung. Ihre Sätze sind klar und unaufgeregt, aber erfüllt von subtilen Zwischentönen. Es gibt keine überflüssigen Sätze, kein Pathos und keine Effekthascherei. Dies macht das Hörerlebnis zwar ruhig, aber keineswegs langweilig. Im Gegenteil: Gerade aus dieser Stille heraus erwächst eine unglaubliche Dichte, die mich in die Geschichte hineinzog.

Ich fand die Geschichte daher stimmig und angenehm. Isabelle Redfern als Sprecherin ist eine gute Wahl – sie verfügt über eine ruhige Stimme, die hervorragend zum Buch passt und die die leisen Töne des Romans einfühlsam transportiert.

Mein Fazit
Für mich ist "Halbinsel" ein klug beobachteter und einfühlsamer Roman über Erschöpfung, das Ringen der Generationen und die Notwendigkeit des Hinterfragens. Die feine Sprache und die ruhige Erzählweise erzeugen eine Sogwirkung, die mich als Hörerin gefesselt hat. Wer bereit ist, sich auf eine intime und tiefschürfende Innenansicht einzulassen, wird hier eine bereichernde Lektüre finden, die nachklingt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Teile mir deine Gedanken und Kommentare zu meinem Beitrag mit - ich freue mich sehr auf unseren Austausch!

DATENSCHUTZ: Mit dem Absenden deines Kommentars und dem Einverständnis der Kommentar-Folgefunktion bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und akzeptierst.