Aktuelle Leserunde:

Laura Purcell - Das Korsett

[Rezension] Thomas Röthlisberger - "Am Saum der Jahre"

Thomas Röthlisberger - Am Saum der Jahre
Historischer Roman
 

ISBN-13: 978-3-039-81019-2
Seiten: 192 Seiten
Ersterscheinung: 27.10.2025
Umschlaggestaltung: Benedikt Troxler

   
Buchrückentext
„Margret strich mit der h#Hand über den Stoff. Er fühlte sich an wie eine weichgewalkte Wolldecke und entbehrte trotzdem nicht einer gewissen Derbheit. Was wichtig war für das Authentische, das Ursprüngliche, wie es ihr vorschwebte. Wenn sie die Augen schloss, erinnerte sie der Stoff unter ihrer Hand an das Schneideratelier des Vaters. Es war stets erfüllt gewesen von den bläulichen Schleiern seiner Zigaretten. Aber es hatte nie nach abgestandenem Rauch gerochen, sondern nach aromatischem Gewebe. Die Stoffballen, die wie Speckseiten im Rauchfang hingen und nichts mit gewöhnlichem, gelagertem Leinen zu tun hatten.“

Meine Meinung
Thomas Röthlisberger erzählt die Geschichte von Margret Bermann, die in einer großen Familie im Emmental aufwächst. Schon früh zeigt sich ihr handwerkliches Geschick und ihr Wunsch, wie ihr Vater den Beruf der Schneiderei zu erlernen. Als sie eine Lehre bei Paul Pfund beginnt, wird sie jedoch mit Erfahrungen konfrontiert, die sie für ihr ganzes Leben prägen. Margrets Weg führt sie schließlich in die Westschweiz und weiter nach Paris, wo sie versucht, einen Neuanfang zu wagen und ihrem Traum als Modeschöpferin näher zu kommen. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob sie tatsächlich aufbricht oder nur vor der Vergangenheit flieht.

Ich habe das Buch als ruhige, aber eindringliche Geschichte erlebt. Obwohl Schreckliches geschieht, bleibt der Ton gedämpft, fast zurückgenommen. Ich habe beim Lesen oft innegehalten, weil mich die Schwere der Themen und die stille Art der Erzählung beschäftigt haben. Für mich ist es ein Buch über eine Frau, die versucht, in einer engen Gesellschaft ihren eigenen Weg zu finden, und dabei immer wieder an Grenzen stößt, Grenzen in sich selbst und in ihrer Umwelt.

Margret ist eine Figur, die ich nur schlecht greifen konnte - ich habe Mitgefühl für sie empfunden, aber auch Distanz, weil sie sich selbst immer wieder entzieht. Ihr Ringen zwischen Auflehnung und Anpassung hat mich bewegt, und ich habe oft überlegt, wie viel von ihrem Schicksal durch äußere Zwänge bestimmt ist und wie viel durch ihre eigene Unsicherheit. Dabei ist sie nicht unsympathisch, ich mochte sie wirklich gerne – aber inwieweit sie auch ein Bild der Frauen der damaligen Zeit abgegeben hat, kann ich nicht sagen.

Der Schreibstil hat auf mich ruhig und konzentriert gewirkt. Ich hatte das Gefühl, dass jedes Wort mit Bedacht gewählt ist. Die Sprache ist mal schlicht, mal voller Poesie, aber immer mit großer emotionaler Dichte. Gelungene Beschreibungen von Situationen, Menschen und Umgebung schaffen eine Atmosphäre, die still, manchmal beklemmend und doch sehr lebendig wirkt.

Für mich war das Lesen eine Erfahrung, die nachhallt, weil sie nicht laut ist, sondern sich langsam einprägt.

Mein Fazit
Im Fazit bleibt für mich der Eindruck einer melancholischen Geschichte über das Suchen und Verpassen von Lebenswegen. Ich habe Margrets Geschichte mit einer gewissen Traurigkeit aus der Hand gelegt. Sie hat mich nicht losgelassen, weil sie so viele unausgesprochene Fragen offenlässt – über Schuld, Freiheit und die Möglichkeit, mit der eigenen Vergangenheit Frieden zu schließen. Gleichzeitig spreche ich aber auch eine Empfehlung aus.

WERBUNG: Vielen Dank an den Verlag Edition Bücherlese für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Teile mir deine Gedanken und Kommentare zu meinem Beitrag mit - ich freue mich sehr auf unseren Austausch!

DATENSCHUTZ: Mit dem Absenden deines Kommentars und dem Einverständnis der Kommentar-Folgefunktion bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und akzeptierst.