[Rezension] Greer Macallister - "In der Stille der Polarnacht"

Greer Macallister - In der Stille der Polarnacht
Historischer Roman
 

Originaltitel: „The Arctic Fury“ (2021)
Übersetzerin: Eike Schönfeld
Verlag: Insel-Verlag
ISBN-13: 978-3-458-68245-5
Seiten: 472 Seiten
Erschienen: 21.11.2022
Umschlaggestaltung: Designbüro Lübbeke Naumann Thoben, Köln, unter Verwendung des Originalumschlags von Chelsea McGuckin, Abbildungen: Magdalena Russocka/Trevillion Images; Getty Images

   
Buchrückentext
„Dreizehn wagemutige Frauen brechen im Frühjahr 1853 in die Arktis auf, um eine Gruppe verschollener Forscher wiederzufinden. Zuvor sind einige männliche Expeditionen gescheitert – nun sollen die Frauen unter der Leitung von Virginia Reeve ihr Können beweisen. Von Buffalo aus machen sie sich auf den Weg. Es ist eine Reise voller Gefahren – und nicht alle kehren zurück. Virginia Reeve wird dafür verantwortlich gemacht – und des Mordes angeklagt… Der Prozess jedoch ist geprägt von Lügen, Intrigen und Bestechung und scheint weniger die Wahrheitsfindung als die Hinrichtung Virginias zum Ziel zu haben …“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Bücher, die in der Arktis spielen, ziehen mich derzeit magisch an – und auch wenn dieser Roman nicht nur in der Polarregion spielt, hat er mich gänzlich überzeugt.

Im Jahr 1853 wird Virginia Reeve von Lady Franklin engagiert, ihren bei der Franklin-Expedition verschollenen Ehemann zu finden. Viele männliche Suchtrupps hatten das bisher nicht geschafft, Lady Franklin setzt daher auf weibliche Intuition und Stärke – dass die Frauen zum größten Teil schon ausgesucht und engagiert sind, irritiert Virginia, auch, dass alles unter größter Verschwiegenheit stattfinden soll. So machen sich 13 mutige Frauen auf den Weg in die Arktis, jede mit einem Geheimnis und einer eigenen Motivation für das Abenteuer. Schon früh gibt es erste Probleme auf der Reise, und Virginia hat Mühe, den Trupp zu leiten und zusammenzuhalten. Unter Einsatz ihres Lebens gibt sie alles, die Frauen auch wieder heil nach Hause zu bringen – das aber gelingt ihr nicht. Und muss sich deshalb vor Gericht verantworten…

Es gibt zwei Zeitebenen in diesem Buch – einmal die des Gerichtsprozesses im Jahr 1854 und dann die der eigentlichen Expedition im Jahr 1853. Die meisten Kapitel sind aus Sicht Virginias geschrieben, so dass ich mich gut in sie hineinfühlen konnte. Sie ist eine starke Frau, die mit den damalig herrschenden Konventionen bricht, in dem sie als Frau Dinge tut, die eigentlich nur Männern vorbehalten sind. Im Laufe der Geschichte erfährt man auch, jetzt aber gilt es, das Polarabenteuer zu bestehen. Sie ist eine verantwortungsvolle Frau, die sich nicht blauäugig in das Abenteuer stürzt und die sie der Gefahren sehr bewusst ist. Mir hat ihre Art sehr gefallen – zwar tritt sie den anderen gegenüber sicher und selbstbewusst auf, insgeheim aber zweifelt sie auch an sich und ihren Fähigkeiten und hat Angst, den Gefahren nicht trotzen zu können. Die Frauen der Expedition kennen sich zunächst nicht, lernen sich aber bald näher kennen – auf engstem Raum und widrigen Umständen zeigen sich bald die wahren Gesichter der Teilnehmenden – und natürlich bleibt Streit und Zwist nicht aus. Die Autorin hat für alle Frauen der Expedition eine eigene Geschichte erdacht, jede hat ihr Geheimnis und ihren Grund, an der Expedition teilzunehmen, so dass manches erstmal komisch erscheinende Handeln zumindest nachvollziehbar ist.

In Rückblenden erfährt man, was alles geschehen ist, warum nur ein Teil der Frauen zurückkehrte und warum eine Frau sogar im Eis zurückgeblieben ist. Das ist sehr interessant und vor allem auch spannend, denn man kennt ja den Ausgang der Expedition, weiß nur nicht, wie es dazu kam. Neben diesen Rückblenden spielt ein großer Teil des Buches im Gerichtssaal, denn Virginia ist des Mordes angeklagt. Auch dieser Teil ist sehr packend, denn die Staatsanwaltschaft lässt nichts aus, um Virginias vermeintliche Schuld aufzuzeigen und sie vor den Geschworenen in ein schlechtes Licht zu rücken. Das war zum Teil wirklich haarsträubend, insbesondere auch, weil der Verteidiger nicht sehr engagiert ist und Virginia ins offene Messer laufen lässt.

Die Spannung baut sich immer weiter auf, sowohl bei dem Erzählstrang in der Arktis, als auch im Gerichtssaal – und ich mochte gar nicht daran denken, dass Virginia zu Unrecht verurteilt wird. 

Der Schreibstil ist ein bisschen ungewöhnlich, passt zur damaligen Zeit, auch wenn mir Virginias Erzählstimme manchmal etwas zu vulgär erschien. Dafür aber haben mich die Beschreibungen begeistert – ich hatte so viele Bilder im Kopf, sowohl von der Arktis als auch von der Gerichtsverhandlung, dass ich mich inmitten des ganzen Geschehens gefühlt habe. 

In dieser Geschichte geht es aber nicht nur um das Arktis-Abenteuer, vielmehr auch um die Beziehungen zwischen den Frauen, wie sich diese verändern und was die Expedition mit ihnen macht. Im Gerichtssaal zeigt sich dann, wer wirklich ehrlich ist, wem Freundschaft etwas bedeutet und wer sich trotz widriger Umstände nicht unterkriegen lässt und sich für den anderen einsetzt. 

Ich habe die Lektüre sehr genossen und empfehle das Buch gerne weiter – man sollte aber nicht nur Geschichten aus der Arktis, sondern auch Gerichtsromane gerne mögen. 

Mein Fazit
Ein toller Roman, der mich von der ersten Seite an gefesselt hat – 13 Frauen, die sich auf eine Expedition in die Arktis aufmachen, von der aber nicht alle zurückkehren. Ich mochte beide Erzählebenen, sowohl die des arktischen Abenteuers, aber auch die über den Gerichtsprozess. Die Atmosphäre ist wunderbar eingefangen, die Charaktere sind sehr gut gezeichnet – und Spannung gibt es von Anfang an. Ich habe die Lektüre sehr genossen und empfehle das Buch gerne weiter. 



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