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[Rezension] Claire Winter - "Die geliehene Schuld"

Claire Winter - Die geliehene Schuld
Roman

Verlag: Diana-Verlag
Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design, München
Umschlagfoto: Stephen Mulcahey /Trevillion Images, akg-images und fotogestoeber, Lekky /shutterstock,com
ISBN 13: 978-3-453-29194-2
Seiten: 573 Seiten
Erschienen: 5. März 2018

Zum Inhalt
„Berlin, Sommer 1949: Die Redakteurin Vera Lessing hat während des Zweiten Weltkrieges ihre Eltern und ihren Mann verloren. Sie will vor allem eines – die traumatischen Erlebnisse für immer hinter sich lassen. Doch als ihr Jugendfreund und Kollege Jonathan auf mysteriöse Weise ums Leben kommt, wird sie unweigerlich in seine Arbeit hineingezogen. Jonathan hat Recherchen über ehemalige Kriegsverbrecher betrieben. Gleichzeitig stand er im persönlichen Kontakt mit einer jungen Frau namens Marie Weißenburg, eine Sekretärin im Stab Konrad Adenauers. Vera geht den Spuren nach, die sie bis in die mächtigen Kreise der Geheimdienste führen.“ (Quelle: Diana-Verlag)

Meine Meinung
Ein toller Roman, der mich in die Nachkriegszeit entführt hat und vor allem nicht mehr losgelassen hat – spannend wie ein Krimi von der ersten Seite an!

Die Geschichte spielt über einen kurzen Zeitraum, von August 1948 bis Mai 1949. Zunächst ist man nur in Berlin, bald aber entführt die Autorin den Leser auch nach Köln und Düsseldorf und weiter entfernte Gefilde. Es sind 4 Hauptfiguren, die im Mittelpunkt stehen. Vera, eine Journalistin in Berlin, die eigentlich nur im Kulturressort arbeitet, verliert plötzlich ihren besten Freund Jonathan durch einen „Unfall“ – Jonathan hat an einer brisanten Geschichte gearbeitet und ihr in einem mysteriösen Brief davon erzählt. Vera glaubt nicht an einen Unfall und recherchiert auf eigene Faust. Und das wird  für sie von Tag zu Tag gefährlicher. Im Rheinland lebt Marie - ihr Vater ist im Krieg gefallen, doch näheres gibt ihre Familie nicht preis, so dass sie selber recherchiert und auf Unglaubliches stößt. Bei dieser Suche lernt sie die junge Jüdin Lina kennen und schon bald verbindet die beiden eine ungewöhnliche Freundschaft. 

Die Autorin hat nicht nur exzellent recherchiert und ein interessantes Thema aufgegriffen, über das ich in Romanen bisher noch nichts gelesen habe, sondern auch interessante Handlungsstränge entworfen, die zunächst nebeneinander herzulaufen scheinen und sich erst im weiteren Verlauf zu einem Strang verknüpfen. Das besetzte Deutschland ist noch in verschiedene Zonen eingeteilt, eine Verfassung ist noch im Entstehen, die Nürnberger Prozesse versuchen, Gerechtigkeit walten zu lassen und trotzdem gibt es Kriegsverbrecher, die dem System entkommen konnte. Um diese geht es in der Geschichte.

Gerade Vera hat mir sehr gut gefallen – sie ist eine starke Persönlichkeit, die beharrlich an der Sache dranbleibt; und das, obwohl sie viel Angst hat – und das auch mit gutem Grund. Denn mehr als einmal gerät sie in große Gefahr. Trotzdem lässt sie nicht locker und geht jeder Spur nach. In Rückblicken kommt auch Jonathan zu Wort, den ich gleich in mein Herz geschlossen habe und den ich leider auch gleich zu Anfang wieder verloren habe. Bei Marie habe ich richtig mitgelitten – sie ist sehr verletzt und man kann den Schmerz beim Lesen geradezu spüren. Gut, dass sie Lina hat, die sie immer wieder tröstet und ihr gut zuredet. Dabei hat auch Lina einiges zu bewältigen und gerät mehr und mehr in Gefahr. Alle Charaktere sind sehr gut gezeichnet, mit Stärken und Schwächen – so wirken sie sehr authentisch. Durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven konnte ich mich zudem gut in sie hineinversetzen und ihre Gedanken und Handlungen besser nachvollziehen – und da vor jedem Kapitel steht, um wen es sich gerade dreht, kommt man als Leser auch nicht durcheinander.

Schon der Einstieg in die Geschichte ist gut gelungen und ich habe mich direkt als Teil von ihr gefühlt; die Autorin versteht es, Spannung aufzubauen – und hat diese auch bis zum Schluss gehalten. Dachte ich zunächst, es handelt sich um eine Familien-Nachkriegsgeschichte, entpuppt sich der Roman dann eher zu einem Krimi. Zur Spannung beigetragen hat natürlich auch der Schreibstil, der mich völlig eingenommen hat – angenehm zu lesen und voller Bildgewalt, ohne dass es langatmige Passagen von Beschreibungen gibt; ich hatte viele Bilder im Kopf und konnte die Atmosphäre im Nachkriegsdeutschland geradezu spüren.

Das Buch hat mich wirklich packen können – wegen des interessantes Themas und der spannenden Erzählweise. Ich habe viel Neues erfahren und auch jetzt noch denke ich viel über die Geschichte nach. Trotzdem hat mir irgendetwas gefehlt, um 5 Sterne zu geben – was es ist, kann ich gar nicht richtig in Worte fassen. Aber 4,5 Sterne sind es allemal – und gerne empfehle ich das Buch an alle, die sich für die Nachkriegszeit in Deutschland interessieren.  

Mein Fazit
Bisher habe ich nie etwas gelesen über Kriegsverbrecher, die dem System entkommen konnten – und genau darum geht es in diesem Buch, das eher an einen Krimi erinnert denn an einen Roman. Die Autorin hat die Geschichte spannend und fesselnd erzählt und kann die Spannung auch bis zum Schluss halten. Die zunächst parallel verlaufenden Erzählstränge verbinden sich nach und nach und ergeben dann am Ende ein schlüssiges Bild. Gerne habe ich die tollen Charaktere begleitet und gebe 4,5 von 5 Sternen.

Werbung: Vielen Dank an den Diana-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

4 Kommentare:

  1. Das Buch klingt wirklich interessant und es behandelt auch ein spannendes Thema in einer Zwischenphase der deutschen Geschichte, zu der sicher einiges in der Schwebe war. Wenn Dich das Thema Naziverbrechen und wie sie (nicht) bestraft werden, kann ich Dir auch "Die Vergessenen" von Ellen Sandberg (alias Inge Löhnig) sehr ans Herz legen. Ich bin begeisterte Krimileserin und finde es besonders toll, wenn die Story in Form eines Krimis oder krimiartiger Handlung erzählt wird.

    LG Gabi

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    1. Oh - vielen Dank für den Tipp! Das Buch schaue ich mir gerne mal an. :-)

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  2. Huhu Sabine,
    danke für die tolle Besprechung. Ich habe das Buch auch hier und freue mich nun noch mehr darauf. Meine Challenge habe ich leider auf Eis legen müssen, weil selbst von den wenigen Teilnehmern kaum mitgemacht wurde. Das finde ich auch schade, aber vielleicht versuche ich es irgendwann nochmal.
    Tut mir leid, ich hoffe dass du das ein bisschen verstehen kannst.
    Liebste Grüße, Petra

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    1. Viel Spaß bei "Die geliehene Schuld" - es war toll und wird dir bestimmt auch gefallen.

      Schade mit der Challenge, aber ich kann dich verstehen. Ich finde es nur doof, wenn man sich zu etwas anmeldet und dann nicht mitmacht. Aber da kannst du ja nicht für...

      LG Sabine

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