Jean-Philippe Blondel - 6 Uhr 41
Verlag: Goldmann-Verlag
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München unter Verwendung eines Entwurfs von Lowlypaper, Marion Blomeyer, München, unter Verwendung eines Fotos von © Rob Kints /Getty Images
ISBN-13: 978-3-442-48374-7
Seiten: 167 Seiten
Erschienen: 8. März 2016
Originaltitel: „06 H 41“
Übersetzerin: Anne Braun
Buchrückentext
„Cécile sitzt im Frühzug nach Paris. Der Platz neben ihr ist frei, ein Mann setzt sich. Cécile erkennt ihn sofort: Philippe Leduc. Auch Philippe hat Cécile gleich erkannt. Doch beide schweigen geschockt. Jeder für sich erinnern sie sich in den eineinhalb Stunden bis Paris, wie verliebt sie vor dreißig Jahren waren, bis alles aus den Fugen geriet. Und je näher Paris kommt, desto größer wird die Ungewissheit: Soll er sie ansprechen? Was könnte sie – nach all den Jahren – zu ihm sagen? Was wäre, wenn...“
Meine Meinung
Auch wenn ich eine ganze andere Erwartung an das Buch hatte und daher zunächst überrascht war, hat es mir abschließend doch gut gefallen. Für mich ist es ein Buch, dass beim Lesen nicht unbedingt fesselt und bestens unterhält, dafür aber nachhallt und über das ich auch noch nach einigen Tagen nachdenke.
Im Frühzug nach Paris treffen Cécile und Philippe aufeinander und sitzen nebeneinander auf der ungefähr 90 Minuten dauernden Fahrt. Sie kennen sich, weil sie in ihrer Jugend mal ein Paar waren, sich dann aber im Streit getrennt haben, doch hier im Zug nebeneinander sitzend wagen sie es nicht, den anderen anzusprechen – vielmehr hängt jeder seinen Gedanken nach, und bei beiden ist es die Zeit vor über 20 Jahren.
Ich hatte gedacht, die beiden würden tatsächlich auch ins Gespräch kommen – dem ist aber nicht so, und deshalb war ich zunächst ein wenig enttäuscht. Ich konnte mich aber gut auf die andere Situation einlassen und fand die Art des Erzählens sehr gelungen. Erzählt wird die Geschichte nämlich in Ich-Form, immer abwechselnd hängen Cécile und Philippe ihren Gedanken nach. Beide denken an die Zeit, als sie ein Paar waren, wie es zur Trennung kam, beide reflektieren auch ihre eigenen Verhaltensweisen durchaus kritisch und überlegen, was hätte werden können und was tatsächlich geschehen ist. Interessant fand ich den „Tausch“ beider Rollen – war Philippe in der Jugend der gutaussehende und erfolgreiche junge Mann und Cécile das verhuschte schüchterne Mädchen, verhält es sich 20 Jahre später fast genau umgekehrt. Mir hat es gefallen, in die beiden Köpfe hineinzuschauen, auch wenn ich beide Charaktere nicht sonderlich sympathisch fand und ich sie in ihren Handlungsweise – weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit – verstanden habe.
Gelungen fand ich die Darstellung, was eine Begegnung auslösen kann, wie viel von einem vergangenen Moment tatsächlich noch in Erinnerung bleibt und wie sich die Wahrnehmung ändern kann. Der Schreibstil war der jeweils gerade in Rückblenden versunkenen Person angepasst – bei Cécile war er geprägt von kurzen abgehackten Sätzen, die zwischen verschiedenen Szenen immer hin und her gesprungen sind und so ihre Zerrissenheit und vermeintliche Überlegenheit gezeigt haben. Bei Philippe war der Schreibstil runder, mit längeren Sätzen, er blieb in Gedanken viel länger bei einzelnen Szenen, wirkte insgesamt wehmütiger und melancholischer. Letztlich aber sind beide völlig verunsichert in ihrer Situation und wissen nicht so recht, damit umzugehen.
Natürlich habe ich als Leser gedacht, wann die beiden denn nun ein Gespräch miteinander beginnen und am Ende gibt es auch kleine Ereignisse, die geradezu dahindrängen, letztlich aber bleibt das Ende offen und lässt dem Leser viel Platz für eigene Spekulationen.
Das Buch ist nicht spannend im herkömmlichen Sinne, hat mich aber noch Tage nach Beenden gedanklich beschäftigt, weil es einfach interessante Einblicke in unterschiedliche Seelen geboten und mich zum Nachdenken angeregt hat. Ich gebe daher knappe 4 von 5 Sternen.
Mein Fazit
Ein interessantes Setting, das Einblicke in die Gedanken und Gefühle zweier Menschen erlaubt, die sich nach über 20 Jahren zufällig wieder in einem Zug begegnen, sich aber nicht zu erkennen geben. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach, ein Gespräch entsteht nicht und doch sinnieren beide über das Gleiche. Das Buch ist nicht unbedingt spannend, hat mich aber noch Tage nach Beenden gedanklich beschäftigt. Ich gebe ihm daher knappe 4 von 5 Sternen.
Vielen Dank an den Goldmann-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Da ist sie ja - die Rezension - die dir wirklich sehr gut und vor allem ansprechend gelungen ist. Danke dafür. Mein Wunschzettel wird einfach nicht kürzer. ;-)
AntwortenLöschenGanz liebe grüße,
Hibi
Danke schön! Freut mich, dass ich dich neugierig machen konnte.
LöschenLiebe Grüße Sabine