[Höreindruck] Georges Simenon - "Die Glocken von Bicêtre"

Georges Simenon - Die Glocken von Bicêtre
Gegenwartsliteratur
 

Originaltitel: „Les Anneaux de Bicêtre“ (1963)
Übersetzer: Hansjürgen Wille, Barbara Klau, Mirjam Madlung
ISBN-13: 978-3-742-41262-1
Dauer: ungekürzt, 491 Minuten
Erschienen: 20.9.2019
Sprecher: Wolfram Koch

   
Zum Inhalt
„René Maugras erwacht im Krankenhaus Bicêtre. Er hat einen Schlaganfall erlitten, ist halbseitig gelähmt und der Fähigkeit zu sprechen beraubt. Ausgerechnet er, der mächtige Verleger einer Pariser Zeitung, der jahrelang seine Worte zum Kapital machte. Doch sein Verstand ist unversehrt. Und so kämpft er sich, isoliert vom Tagesgeschehen, unbemerkt zurück: Maugras macht sich sein neues Selbst zu eigen, während alle anderen ihn für besinnungslos halten. Er belauscht die Gespräche an seinem Krankenbett, rekapituliert berufliche Erfolge, private Niederlagen und all die Lügen, die ihn zu dem machten, was er vor der Krankheit war. Wie kehrt man in ein Leben zurück, das man nicht mehr führen möchte?“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Bekannt ist George Simenon vor allem durch seine „Maigret“-Krimis, ich finde aber, er ist auch jenseits der Kriminalliteratur ein ernstzunehmender Schriftsteller – und das hat er mit diesem Buch bewiesen.

Es geschieht nicht viel in dieser Geschichte, und dennoch ist es interessant, spannend und fesselnd. Ein Karrieremensch erleidet einen Schlaganfall – er liegt im Krankenhaus, kann nicht sprechen und eine Seite nicht bewegen. Was geht in seinem Kopf vor, wie erlebt er seine Umgebung, egal ob es das Zimmer, das Bett oder die Menschen sind, die ihn besuchen, behandeln oder versorgen? Nach und nach nimmt er die Außenwelt wahr, fällt aber auch immer wieder zurück in Erinnerungen seiner Kindheit, seiner Ehen und Freundschaften. 

Es ist ein fesselndes Buch, obwohl nicht viel passiert, aber Simenon hat mich als Hörer in seinen Bann gezogen. Er schafft eine sehr plastische Darstellung seiner Situation und wie er sie wahrnimmt; es regt zum nachdenken an, wie er dieses „den anderen ausgesetzt sein“ auch als beruhigend empfindet, einfach weil er Verantwortung abgeben kann und sich genau dieser nicht stellen muss. Die Vorstellung der Rückkehr in das „normale Leben“ – was auch immer das sein mag – ist bedrohlich, und auch das macht mich nachdenklich, denn eigentlich denkt man doch, nichts ist sehnlicher, als der Wunsch nach Unversehrtheit und Gesundheit. Viele Gedanken dieses ausgelieferten Menschen konnte ich gut fühlen und auch nachvollziehen, manches aber auch nicht; und genau diese Kluft hat mich total gefesselt.

Daneben gibt es aber auch viele Gedanken zu allgemeinen Themen – was ist Glück, wie wichtig ist Erfolg, braucht man Menschen, die einen lieben und  braucht man es selber zu lieben – viele Impulse, die mich immer wieder haben innehalten lasen.

Der Sprecher Wolfram Koch ist großartig – nicht nur mag ich seine Stimmfarbe, sie passt auf einfach sehr gut zu der Situation, zu der Figur des René, der seinen Gedanken und Gefühlen nachhängt. Wolfram Koch weiß, mit seiner Stimme umzugehen und Stimmungen einzufangen – er hat den Protagonisten zum Leben erweckt.

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