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[Rezension] Delphine de Vigan - "Dankbarkeiten"

Delphine de Vigan - Dankbarkeiten 
Gegenwartsliteratur

Verlag: Dumont-Buchverlag
Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln
Umschlagmotiv: Suteishi/Gettyimages
ISBN 13: 978-3-832-18112-3
Seiten: 176 Seiten
Erschienen: 10. März 2020
Originaltitel: „Les gratitudes“
Übersetzer: Doris Heinemann

Zum Inhalt 
„Michka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Geplagt von Albträumen glaubt sie ständig, wichtige Dinge zu verlieren. Tatsächlich verliert sie nach und nach Wörter, findet die richtigen nicht mehr und ersetzt sie durch ähnlich klingende. Die junge Marie, um die Michka sich oft gekümmert hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Der alten Frau fällt es schwer, sich in der neuen Ordnung einzufinden. In hellen Momenten leidet sie unter dem Verlust ihrer Selbstständigkeit. Doch was Michka am meisten beschäftigt, ist die bisher vergebliche Suche nach einem Ehepaar, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Daher gibt Marie erneut eine Suchanzeige auf, und Michka hofft, ihre tiefe Dankbarkeit endlich übermitteln zu können.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ein schwieriges Thema, an das die Autorin sich hier herangewagt hat, aber sie hat die Herausforderung gut gemeistert. 

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Michka, eine ältere Dame, die sich immer weniger alleine versorgen kann, weil sie körperlich abbaut, die vor allem aber darunter leidet, dass sie ihre Worte verliert, ihr die passenden nicht einfallen, sie neue erfindet oder gesuchte durch fehlerhafte ersetzt. Sie kommt in ein Pflegeheim, wird dort regelmäßig von Maire besucht, die sie schon seit vielen Jahren kennt und die sich ihr verbunden fühlt. Jerome ist ein Logopädie, der Michka auch regelmäßig aufsucht, mit ihr aber nicht nur Übungen gegen die Aphasie macht, sondern auch einfach so mit ihr redet – und so entwickelt sich auch zwischen diesen beiden eine innige Freundschaft. Neben dem körperlich Verfall quält Michka vor allem auch noch der Gedanke, dass sie sich nie bei dem Ehepaar bedankt hat, das sie vor vielen Jahren vor der Deportation gerettet hat – und Marie und Jerome geben alles, um dieses Ehepaar zu finden.

Ich mochte das Buch – vor allem, weil die Autorin trotz ihrer knappen und präzisen Sprache dennoch Emotionen bei mir geschaffen hat. Ich konnte Michkas Schmerz geradezu spüren, den Schmerz, bei wachem Verstand den körperlichen Verfall zu erleben, aber auch den Schmerz um verlorene Chancen, ihren Schmerz, dieses ihr Leben rettende Ehepaar nicht mehr aufgesucht zu haben. Michka hat mich sehr gerührt und ich habe den Schmerz des Altwerdens hautnah gespürt. Und trotz des ganzen Schmerzes hat die Geschichte am Ende bei mir ein gutes Gefühl zurückgelassen, denn Michka findet doch noch Ruhe und ist mit sich im Reinen – sie ist dankbar. Jerome mochte ich auch sehr, er hat einfach eine sehr gefühlvolle, aber unaufdringliche Art zu helfen – er ist wirklich ein wahrer Freund, genauso wie Marie, von der man im Verlauf erfährt, was sie genau mit Michka verbindet.  

Nicht so gefallen hat mir die Kürze der Geschichte – ich hätte mir gewünscht, mehr über das Ehepaar zu erfahren, über die Suche und auch über die Zeit, die Michka bei ihm verbracht hat. Das war mir zu knapp erzählt. Trotzdem empfehle ich das Buch gerne weiter und gebe 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Ein berührendes Buch, das den körperlichen Verfall einer alten Dame zeigt und den Schmerz, den sie dabei empfindet. Trotzdem ist das Ende versöhnlich und hat mich zufrieden zurückgelassen. Der Schreibstil ist knapp und präzise, trotzdem schafft er es, Emotionen zu erzeugen. Ich mochte das Buch und gebe ihm 4 von 5 Sternen.

WERBUNG: Vielen Dank an den Dumont-Verlag und an Netgalley für die Überlassung des Rezensionsexemplars.

1 Kommentar:

  1. Sehr eindrucksvoll. Mir gefällt besonders die Tiefe und die Ehrlichkeit in den Sätzen... Aber nicht nur, wenn man Rhetorik lernen möchte sehr zu empfehlen

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