[Rezension] Nina Sahm - "Das letzte Polaroid"

Nina Sahm - Das letzte Polaroid
Gegenwartsliteratur

Verlag: atb-Verlag
Umschlaggestaltung Originalcover: Tim Jockel, graphische Adaptation www.buerosued.de, München
ISBN-13: 978-3-746-63178-3
Seiten: 239 Seiten
Erschienen: 12. Oktober 2015

Buchrückentext
„Sie lernen sich am Balatoin kennen. Kinga aus Budapest hat schon echte Brüste, ist Meisterin um Kirschkernweitspucken und weiß einiges mit Männern anzufangen. Anna aus München hingegen ist das behütete Nesthäkchen. Ein Tag und eine Nacht am Balaton genügen, um Anna und Kinga zusammenzuschweißen. Dann hat Kinga einen Unfall und liegt im Koma. Anna reist nach Budapest. Doch statt an Kingas Krankenbett zu sitzen, beginnt sie immer tiefer in Kongas altes Leben einzutauchen.“

Meine Meinung
Mir hat es vor allem das Cover angetan – dieses gekriselte Foto, das tatsächlich an ein Polaroid denken lässt und damit natürlich wunderbar zum Titel des Buches passt. Aber auch den Klappentext fand ich ansprechend und so war ich neugierig auf die Geschichte.

Es ist ein ruhiges Buch, das für mich vor allem durch seine sehr dichte Atmosphäre glänzt. Anna fährt nach Budapest, weil ihre Freundin Kinga nach einem Unfall im Koma liegt. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden, nicht nur weil sie unterschiedlicher nicht sein können, sondern auch, weil es vor allem eine Brieffreundschaft ist, die auf nur wenigen gemeinsamen Tagen und Erlebnissen aufbaut. 

Das ganze Buch hat eine eher melancholische, oft auch wehmütige Stimmung, diese hat Nina Sahm wirklich wunderbar eingefangen. Es ist kein Buch, in dem viel passiert, eher eine Geschichte, die ruhig und leise vor sich hin tröpfelt, von Alltagsdingen und deren Beschreibungen lebt und dennoch aber berührt und mich zum Nachdenken gebracht hat. Während das Buch in der Gegenwart spielt, gibt es immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit, so dass man nicht nur Anna besser kennenlernt, sondern nach und nach auch die sehr eigene Freundschaft zwischen ihr und Kinga.  

Anna ist eine Protagonistin, die mir zwar nicht unsympathisch ist, deren Gedanken und Handlungen ich aber überhaupt nicht verstehen konnte, so dass ich mich in sie auch nicht hineinversetzen konnte. Sie ist ein ruhiger und zurückhaltender Mensch, der zwar immer mal wieder versucht, aus sich auszubrechen, dabei aber immer eher anderen nachzueifern scheint als dass sie es wirklich von sich aus tut. In Budapest scheint sie einfach durchs Leben zu treiben, immer irgendwie auf der Suche – nur nach was, weiß Anna selber nicht so genau. Und es dauert, bis sie selber erkennt, was für ein merkwürdiges Spiel sie da treibt – und leider kommt diese Erkenntnis – wie so oft im Leben – viel zu spät. Kinga lernt man nur indirekt kenne, durch Erzählungen ihrer Freunde und Rückblicke in die Vergangenheit – sie ist ganz anders als Anna. Sie lebt das Leben und will es in vollen Zügen genießen – nicht immer handelt sie dabei vernünftig und durchdacht, dafür aber hat sie Spaß und das ist ihr das Wichtigste.

Dass Anna immer mehr in Kingas Leben eintaucht und sie fast schon zu vertreten versucht, fand ich zunächst etwas befremdlich - lernt man aber Anna näher kennen, ist ihre Motivation, das zu tun, durchaus nachvollziehbar – auch wenn ich es nicht gutheiße. Ich habe geahnt, was weiter passieren wird und vor allem auch, wie das Ende sein wird, so dass ich nicht erstaunt war, als es dann genauso kam – trotzdem aber hat mich der Schluss zum Nachdenken gebracht.

Der Schreibstil ist eindringlich mit seinen oft nur kurzen Sätzen und der vielen indirekten Rede, lässt sich aber leicht lesen und passt sehr gut zur Geschichte. An manchen Stellen fand ich sie leider etwas langatmig und ich hatte nie das Gefühl, unbedingt weiterlesen zu müssen, auch wenn mich interessiert hat, was mit Anna und Kinga wird – ich hätte mir einfach gewünscht, dass mich die Geschichte mehr fesselt, dass ich neugierig gemacht werde, auf das was weiter geschieht und dass ich deshalb das Buch nicht aus der Hand legen mag – nur das hat mir leider gefehlt. Trotzdem finde ich das Buch lesenswert, einfach weil mich die Stimmung in der Geschichte total beeindruckt hat und das Thema, in ein anderes Leben einzutauchen und das Leben anderer zu leben, total interessant finde. Ich gebe knappe 4 von 5 Sternen.

Mein Fazit
Ein ruhiges Buch, das an mancher Stelle leider etwas langatmig ist, dennoch aber durch eine dichte Atmosphäre glänzt und mich mit seiner Stimmung – die oft wehmütig und melancholisch ist – beeindruckt hat. Auch die Idee des Buches, kann man das Leben eines anderen leben, hat mir gut gefallen und mich nachdenklich zurückgelassen, auch wenn ich die Protagonistin zwar sympathisch fand, ihr Handeln und ihre Gedanken jedoch meist nicht nachvollziehen konnte. Ich gebe knappe 4 von 5 Sternen.


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