[Rezension] Joel Dicker - "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert"

Joel Dicker - Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Roman

Verlag: Piper-Verlag
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg, unter Verwendung  einer Abbildung von © corbis und eines Gemäldes von Edward Hopper, 1882-1967, Portrait of Orleans, 1950, oil on canvas, The Fine Arts Museums of San Francisco
ISBN-13: 978-3-492-05600-7
Seiten: 727 Seiten
Erschienen: 13. August 2013
Originaltitel: „La Vérité sur l'Affaire Harry Quebert“
Übersetzerin: Carina von Enzenberg

Buchrückentext
„Ein Skandal erschüttert das Städtchen Aurora an der Ostküste der USA: Dreiunddreißig Jahre nachdem die ebenso schöne wie geheimnisumwitterte Nola dort spurlos verschwand, taucht sie wieder auf. Als Skelett im Garten ihres einstigen Geliebten. Der berühmte, zurückgezogen lebende Schriftsteller Harry Quebert steht plötzlich unter dringendem Mordverdacht.“

Meine Meinung
Schon lange wollte ich dieses Buch lesen, weil ich so begeisterte Stimmen gehört hatte, gerade, nachdem es erschienen war – und doch habe ich es die ganze Zeit vor mir hergeschoben. Eigentlich war ich mir sicher, dass mir dieses Buch auch gefallen wird, vielleicht aber waren meine Erwartungen einfach zu hoch – denn mich konnte Joel Dicker leider nicht richtig packen.

Zum Inhalt will ich nicht viel verraten, denn ich denke, unvoreingenommen kann man besser in diese Geschichte eintauchen. Es ist eine Mischung aus Kriminalroman und Liebesgeschichte, aus Entwicklungsroman und Berichterstattung. Es geht um einen Mord und um Bücher, um Liebe und Freundschaft, um Erfolg und Untergang. 

Im Mittelpunkt des Romans steht der erfolgreiche Autor Marc Goldman, aus dessen Sicht das Buch auch in Ichform geschrieben ist. Er ist ein guter Freund von Harry Quebert, der des Mordes an Nola angeklagt wird. Ihre Leiche wurde in seinem Garten gefunden, nachdem sie vor über 30 Jahren verschwunden ist. Marc glaubt jedoch an die Unschuld von Harry und will diese beweisen – er forscht nach und schreibt darüber ein Buch. Und damit will er nicht nur seinem Freund helfen, sondern auch seine eigene Schreibblockade überwinden.

Die Idee des Buches fand ich super, mir hat nur leider die Umsetzung nicht gut gefallen. Der Autor lässt sich viel Zeit, die Geschichte zu entwickeln, das finde ich grundsätzlich auch nicht schlimm – aber hier war mir einiges doch zu langatmig und zu behäbig. Dabei gibt es viele Überraschungen und Wendungen und der Leser (genauso wie Marc…) wird ständig auf den Holzweg geführt – immer wenn man gerade dachte, ja, genau so war es, gab es wieder ein Wendung, einen neuen Zeugen oder eine bisher in Vergessenheit geratene Tatsache. Bis zu einem gewissen Punkt fand ich das auch sehr gelungen, am Ende wurde es mir dann aber doch zu viel der Überraschungen und fand diese – so wie die Schusseligkeit von Seiten der Behörden - nicht mehr glaubwürdig.

Der Schreibstil ist angenehm, nur der vielen wechselnden Erzählformen war ich nachher etwas überdrüssig. Es gibt verschiedene Perspektiven, aus der erzählt wird, mal aus Sicht Marcs in Ichform, aber auch aus Sicht anderer Figuren mit einem allwissenden Erzähler. Dazu springt die Geschichte in verschiedene Zeiten, mal spielt sie in der Gegenwart, dann gibt es Erzählstränge, die in der Vergangenheit spielten. Mal wirkt das Buch wie ein Tatsachenbericht, dann wie eine Erzählung, es gibt viele Dialoge, die wie mit einem Tonband mitgeschnitten wirken. Merkwürdig fand ich, dass sich sowohl die beiden Freunde Harry und Marc siezten genauso wie Harry und Nola, obwohl sie doch eine Liebesbeziehung hatten – das könnte aber auch an der Übersetzung liegen, auf jeden Fall fand ich das sehr merkwürdig. Und was Joel Dicker an vielen Stellen leider nicht bedacht hat – die alte Regel „Show, don’t tell“ – hätte er diese bedacht, hätte mir das Lesen wahrscheinlich mehr Spaß gemacht.

Die Charaktere entwickeln sich langsam, aber das ist bei einem Wälzer von über 700 Seiten auch gut so – ich kann nicht sagen, dass mir irgendeiner der vielen Figuren, die nach und nach eingeführt werden, so dass man mit ihnen nicht durcheinander kommt, wirklich sympathisch war, trotzdem aber hatten sie Tiefgang und jeder auch eine eigene Geschichte. Sehr gut gelungen fand ich die Wandlung der ganzen Bewohner aus Aurora – was zunächst wie ein idyllisches Städtchen wirkt, wird nach und nach zu einer Farce. Jeder Bewohner hat ein Geheimnis, dass verzweifelt gehütet wird, eine Macke, die unerkannt bleiben soll – kurz: keiner hat eine weiße Weste und jeder irgendwo eine Leiche im Keller.

Mir fällt die Bewertung dieses Buches leider ungemein schwer – zu langatmig und an vielen Stellen dröge unterhält die Geschichte dennoch. Und die Idee zum Roman finde ich nach wie vor super – gefehlt hat mir aber der Sog in die Geschichte, ich hatte kaum das Gefühl, unbedingt weiterlesen zu müssen, weil alles oft nur einfach vor sich her plätscherte und es unheimlich viele Wiederholungen gegeben hat, so dass ich mich zwischendurch oft gelangweilt habe. Vier Sterne erscheinen mir leider als zu viel, 3,5 eigentlich als zu wenig. Sicher aber werde ich das Buch nicht noch einmal lesen, obwohl die Auflösung am Ende dann doch schlüssig war und alle Fragen beantwortet worden sind.

Mein Fazit
Mich hat dieser Schmöker leider nicht komplett überzeugen können – die Idee ist super, die Umsetzung für mich leider nicht gelungen. An vielen Stellen war es langatmig und dröge, es gab unzählige Wiederholungen, dafür aber auch viele Überraschungen und Wendungen – vielleicht am Schluss auch zu viele. Die Erzählform hat mich nicht immer angesprochen, dafür aber sind die Charaktere gut gezeichnet und zeigen nach und nach ihr wahres Gesicht. Mich hat dieses Buch zwar unterhalten könnte, aber eine Sog, unbedingt weiterzulesen, ist leider nicht entstanden – und sicher werde ich es nicht ein zweites Mal lesen. Mir fällt eine Bewertung echt schwer, vor allem, weil ich das Buch unbedingt mögen wollte – durchgerungen habe ich mich jetzt zu 3,5 von 5 Sternen.


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