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[Rezension] Micaela Jary - "Das Haus am Alsterufer"

Micaela Jary - Das Haus am Alsterufer
Historischer Roman

Verlag: Goldmann-Verlag
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagfoto: © Imagebroker/ Alamy; Mohamad Itani/ Trevillion Images
ISBN-13: 978-3-442-48028-9
Seiten: 574 Seiten
Erschienen: 21. Juli 2014

Zum Inhalt 
Hamburg 1911. Der verwitwete Reeder Victor Dornhain lebt mit seiner Mutter und seinen drei Töchter in einer feudalen Villa direkt am Alsterufer. Während seine älteste Tochter Ellinor einmal das Geschäft übernehmen soll, hat sich Nele der Kunst verschrieben und studiert in München Malerei. Das Nesthäkchen Ivi lebt noch sehr behütet und verwöhnt in der väterlichen Obhut. Für sie zählen nur die eigenen Bedürfnisse, und als sie bei der Eröffnung des Elbtunnels den gutaussehenden Konrad kennenlernt, ist für Livi klar – diesen Mann möchte sie heiraten. Doch Konrad hat kein großes Interesse an ihr, zumal er gerade eine andere Frau kennengelernt hat, mit der ihn viele Dinge verbinden. Die Unbekannte studiert Kunst in München und besucht zurzeit ihre Familie in Hamburg. Noch ahnt er nicht, wer sich hinter dieser interessanten Frau verbirgt…

Meine Meinung
Eins vorweg – man sollte nicht den Klappentext lesen, der verrät viel zu viel und gibt der Geschichte einen ganz anderen Schwerpunkt. Zum Glück hatte ich diesen Tipp auch bekommen und konnte unvoreingenommen die Lektüre genießen – und ich bin wirklich begeistert von dem Buch! 

Es hat Spaß gemacht, die drei Schwestern Nele, Ellinor und Livi über einen Zeitraum von etwa 7 Jahren zu begleiten, ihre Entwicklung zu sehen und mit ihnen zu fiebern. Die Geschichte spielt vorwiegend in Hamburg, da Nele aber in München wohnt und im Laufe der Geschichte auch das Land verlässt, kriegt man auch Einblicke aus anderen Städten und Regionen. 

Die Atmosphäre der Zeit rund um die Jahre 1911 bis 1918 hat die Autorin wirklich wunderbar eingefangen. Wie die Familie in Hamburg lebt, was für Dinge sie beschäftigen, über was geredet wird – viele Alltäglichkeiten werden beschrieben und geben damit Einblick in die damaligen Lebensumstände. 

Die drei Schwestern können unterschiedlicher wirklich nicht sein. Während Ellinor eher ein ernsterer Typ ist und sich in der Frauenbewegung einsetzt, ist Nele eher der Kunst zugetan und hat in der Familie durchsetzen können, nach München zu gehen, um dort Kunst und Malerei zu studieren. Livi dagegen genießt das Leben und sie interessiert sich eher für Mode und aktuellen Klatsch als für Kultur oder Politik. 

Nele habe ich sofort in mein Herz geschlossen. Sie ist aufgeschlossen und intelligent, hat ihre eigenen Vorstellungen, die sie auch durchzusetzen weiß. Niederlagen muss sie leider auch einstecken, doch weiß sie auch diese zu meistern und das Beste draus zu machen. Ich fand sie einfach nur liebenswert und habe mit in einigen Kapiteln richtig mit ihr gelitten. Livi dagegen ist zwar nicht unsympathisch, aber sehr naiv und mit ihrer kindlichen und einfältig Art oft sehr anstrengend. Ihr hätte ich manches Mal gerne den Hals umgedreht und die Augen geöffnet. Auch die anderen Charaktere sind alle sehr gut gezeichnet, sie waren menschlich mit ihren Stärken und Schwächen und spiegeln zudem sehr gut die Menschen der damaligen Zeit wieder. Erwähnen möchte ich noch Konrad, den ich ebenfalls sehr geschätzt habe mit seiner verantwortungsvollen, aber auch liebevollen Art und der Eigenschaft, die eigene Person stets hinten an zu stellen. 

Aber es geht in diesem Buch nicht nur um die „Herrschaften“, auch hinter die Kulissen darf man blicken. Die junge Klara erhält nämlich in dem Haus der Familie Dornhain eine Anstellung als Dienstmädchen, so dass man nicht nur ihren Alltag und die anderen Angestellten kennenlernt, sondern außerdem Klaras erste zarte Liebe zu dem jungen Gabriel miterlebt. 

In dem Buch werden viele Themen angeschnitten – es geht um den ganz gewöhnlichen Alltag in einer höhergestellten Familie, um die Liebe, die Auswirkungen des Krieges auf die verschiedenen Bevölkerungsstrukturen, die Frauenbewegung und um die Kunst. Ich war von der ersten Seite an gefesselt und gefangen in der Geschichte. Dazu hat sicherlich auch der angenehme Schreibstil beigetragen, der einfach zu lesen war und die Seiten hat nur so dahinfliegen lassen. Zwar gibt es viele Beschreibungen, die ich aber in keinster Weise als langatmig empfunden habe, vielmehr haben sie dazu beigetragen, dass ich mir die Menschen, die Städte und die Umgebung gut vorstellen konnte. Aufgelockert wurde das ganze durch viele Dialoge oder auch Gedanken der Protagonisten. Alles in allem hat Micaela Jary die Atmosphäre der Zeit wirklich wunderbar einfangen können.

Es ist zwar kein Buch, das die ganze Zeit über spannend im klassischen Sinne ist, dennoch wollte ich immer wissen, wie es nun weitergeht, so dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Das Ende fand ich schlüssig, kam mir nur leider etwas zu abrupt. Dafür hat das abschließende Nachwort der Autorin bei mir auch die letzten Fragen klären können.

Mein Fazit
Ein toller Schmöker, mit dem ich in eine andere Zeit und in andere Orte abgetaucht bin. Der sehr angenehme Schreibstil und die interessanten, gut ausgearbeiteten Charaktere haben mich dieses Buch rasch auslesen lassen, dabei werden viele Themen angeschnitten – die Liebe, der Krieg, aber auch die Kunst und die Frauenbewegung. Mir hat das Buch gefallen, nur das Ende war mir zu abrupt. Doch ich gebe gerne 4,5 Sterne und werde sicherlich bald ein weiteres Buch der Autorin lesen.


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