[Rezension] Yoko Ogawa – "Der Herr der kleinen Vögel"

Yoko Ogawa – Der Herr der kleinen Vögel
Gegenwartsliteratur


Originaltitel: „Kotori“
Übersetzer*in: Sabine Mangold
ISBN-13: 978-3-746-63263-6
Seiten: 287 Seiten
Erschienen: 17. Februar 2017
Umschlaggestaltung: © Mediabureau Di Stefano, Berlin unter    Verwendung eines Bildes von © David & Myrtille /Arcangel Image


Buchrückentext
„Zwei Brüder, die einander alles bedeuten: Der ältere kümmert sich um die Vögel in einer großen Voliere, und er spricht eine Sprache, die allein sein Bruder versteht. Doch als er eines Tages stirbt, bleibt der jüngere einsam zurück. Schließlich übernimmt er die Obhut der Vögel, und es gelingt einer jungen Frau und einem alten Mann, sein Vertrauen zu gewinnen. Bis ein Unglück geschieht und der alte Mann spurlos verschwindet.“

Meine Meinung
Ich habe schon einige Bücher der Autorin gelesen und bin immer wieder von ihrem Schreibstil begeistert – so auch bei diesem Werk. Die Geschichte selber hat mich diesmal aber nicht so packen können und war mir insgesamt zu langsam erzählt.

Es geht um zwei Brüder, die seit ihrer Kindheit ein inniges Verhältnis haben und die auch als Erwachsene zusammen wohnen und ein ganz eigenes Leben leben. Während der Jüngere einer geregelten Arbeit nachgeht, seine freie Zeit aber nur mit seinem Bruder verbringt, lebt der Ältere zurückgezogen in der gemeinsamen Wohnung – wohl auch, weil er eine ganz eigene Sprache spricht, die zwar sein Bruder, aber sonst keiner versteht. Nur den Vögeln fühlt er sich ganz nahe, da wundert es nicht, dass er sich regelmäßig um eine Volière kümmert, die bei einem Kindergarten steht. Als der Ältere stirbt, steht der Jüngere plötzlich ganz alleine da und muss sich in seinem Leben erst wieder neu zurechtfinden.

Die Geschichte ist eine sehr ruhige, und auch das Erzähltempo ist sehr langsam. Großen Raum nimmt dabei die Kindheit und Jugend der beiden Brüder ein, so dass man sie näher kennenlernt und vielleicht auch besser versteht. Was ein bisschen magisch klingt, nämlich die eigene Sprache des älteren Bruders, ist in meinen Augen eine Form von Autismus – was sich dann auch im weiteren Leben zeigt. Die Beziehung ist eine interessante, auch die Abhängigkeiten, in die sich beide begeben, der eine eher unfreiwillig, der andere aber in vollem Bewusstsein. Das wird ihm aber erst klar, als der Bruder stirbt und er sein Leben neu arrangieren muss – und dabei auch erstmals Dinge entdeckt wie Freundschaft und Zuneigung, aber auch Ablehnung, Zweifel und Missgunst. 

Ich konnte mich schwer in die beiden Protagonisten hineinversetzen, dafür waren sie mir einfach zu fremd. Nicht einschätzen kann ich, wie viel der beschriebenen Zurückhaltung der japanischen Kultur geschuldet ist – trotzdem aber bleiben beide sehr introvertiert und zurückgezogen. Es ist schon eine Geschichte, die nachdenklich macht und das eigene Leben reflektieren lässt; auch eine leise Gesellschaftskritik kann man spüren, die aber keinen sehr großen Raum einnimmt. 

Sprachlich ist die Geschichte wieder großartig. Es sind leise Töne, schöne Bilder, schon fast anmutige oder poetische Sätze – so sehr ich mich eingelullt gefühlt habe von dieser bezaubernden Sprache, so wenig aber habe ich mit den Brüder gefühlt oder gefiebert, wie es weitergeht. Insgesamt ist die Geschichte sehr langsam erzählt, mit vielen Einblicken in das eigentümliche und zurückgezogene Leben der beiden und ohne große Aufregung, selbst als im letzten Drittel dann doch auch Dinge geschehen, die unerwartet und überraschend kommen. Ich konnte das Buch gut beiseitelegen, ohne den Wunsch, unbedingt weiterlesen zu wollen, einfach weil es mich nicht gepackt hat. Das ist sehr schade, denn ich weiß um die Erzählkunst der Autorin. Diesmal aber kann ich leider nur 3 von 5 Sternen vergeben.

Fazit
Sprachlich ist das Buch wieder genau nach meinem Geschmack, inhaltlich jedoch waren mir die Charaktere einfach zu fremd und mir die Geschichte zu langsam erzählt. Ich gebe daher 3 von 5 Sternen.  

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