[Rezension] Stuart Turton – "Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle"

Stuart Turton – Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
Mystery, Krimi  

Verlag: Heyne-Verlag
Umschlagcover: © Zero-Media.net, München, unter Verwendung der Daten des Originalverlags, Illustration: © Emily Faccini
ISBN-13: 978-3-453-44115-6
Seiten: 610 Seiten
Erschienen: 8. März 2021
Originaltitel: „The Seven Deaths of Evelyn Hardcastle“
Übersetzer*in: Dorothee Merkel

Zum Inhalt
„Familie Hardcastle lädt zu einem Ball auf ihr Anwesen Blackheath. Alle Gäste amüsieren sich, bis ein fataler Pistolenschuss die ausgelassene Feier beendet. Evelyn Hardcastle, die Tochter des Hauses, wird tot aufgefunden. Unter den Gästen befindet sich auch Aiden Bishop. Ihn hat am selben Tag eine seltsame Nachricht erreicht: »Heute Abend wird jemand ermordet werden. Bereinigen Sie dieses Unrecht, und ich zeige Ihnen den Weg hinaus.« Tatsächlich wird Evelyn nicht nur ein Mal sterben. Bis der Mörder entlarvt ist, wiederholt sich der dramatische Tag in Endlosschleife. Doch damit nicht genug: Immer, wenn ein neuer Tag anbricht, erwacht Aiden im Körper eines anderen Gastes und muss das Geflecht aus Feind und Freund neu entwirren. Jemand will ihn mit allen Mitteln davon abhalten, Blackheath jemals wieder zu verlassen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Seit Tagen schon schiebe ich diese Rezension vor mir her, weil ich nicht weiß, wie ich meine Gedanken und Gefühle zu diesem Buch formulieren soll – denn es gab Kapitel, die fand ich großartig, andere dagegen sehr verwirrend. Gut, dass ich das Buch gemeinsam mit zwei lieben Bloggerinnen in einer kleinen, aber feinen Leserunde gelesen habe, denn der Austausch hat mir schon sehr geholfen. Aber besser, ich fange vorne an.

Als eine Mischung aus Agatha Christie und „Täglich grüßt das Murmeltier“ wird die Geschichte oft beschreiben – so ganz stimme ich dem nicht zu, aber ja, es erinnert schon an beides. Es geht um die Aufklärung von Evelyn Hardcastles Tod – sie stirbt auf einem Kostümball und hier kommt Agatha Christie ins Spiel, denn es gibt eine begrenzte Zahl an Teilnehmern, die mit dem Tod in Verbindung gebracht werden können. Es ist aber kein Krimi im Sinne eines Ermittlerteams, sondern schnell merkt man, dass es nur einer ist, der den Tod aufklären soll – aber: er schlüpft immer wieder in andere Figuren, sogenannte Wirte. Und in diesen Wirten erlebt er einen ganzen Tag, eben jenen Todestag von Evelyn Hardcastle – aber diesen nicht immer wieder, sondern wirklich chronologisch. Dadurch bekommt unser Protagonist immer mehr Informationen, und da jeder Wirt anders denkt, fühlt und handelt, setzt sich so nach und nach das Puzzle zusammen. Warum er von Wirt zu Wirt springt und warum er den Tod aufklären soll, wird natürlich auch aufgelöst – aber tatsächlich erst ganz am Ende, und auch hier hat der Autor sich eine interessante Lösung ausgedacht.

Die Geschichte ist wirklich sehr komplex – und das hat das Lesen auch ein bisschen anstrengend gemacht. Es ist keine Geschichte, die man mal eben nebenher liest, sie braucht wirklich Konzentration, um die verschiedenen Wirte nicht durcheinander zu bringen und auch das Geschehen im eigenen Kopf aus den verschiedenen Perspektiven immer wieder zu sortieren. Was ich wirklich bewundere ist, wie genau der Autor das Ganze konstruiert hat – denn als Leser fragt man sich die ganze Zeit, wie er das wieder auflösen soll; und er hat das Unmögliche möglich gemacht – am Ende ergibt alles einen Sinn, es bleibt wirklich nichts offen und alles greift richtig ineinander. Auch der Hintergrund für das ganze Szenario ist schlüssig, allerdings wirft es ein Thema auf, bei dem man sicher unterschiedlicher Meinung sein kann – grob geht es darum, ob sich Menschen in ihren Verhalten ändern können. Mehr möchte ich dazu aber nicht sagen, um nicht zu spoilern, Stoff zur Diskussion gibt es aber alle Male – auch in unserer Leserunde. 

Dass die Charaktere sehr gut gezeichnet sind, klingt wahrscheinlich schon durch, denn das Buch lebt von ihnen – jeder Wirt hat eine eigene Geschichte, und spannend ist es vor allem auch dadurch, dass unser Protagonist ja in die verschiedenen Figuren springt, aber nicht automatisch auch deren Gedanken und Handlungen übernimmt, sondern immer auch er selbst bleibt -  dadurch entstehen wunderbare Zwiespalte und innere Kämpfe zwischen Wirt und ihm selber. Das ist großartig gemacht, funktioniert aber wirklich nur, weil die Charaktere so gut durchdacht und gezeichnet sind.

Grandios ist auch der Schreibstil – er ist gut lesbar und schafft eine unglaubliche Atmosphäre. Er ist einfach zu lesen und fängt dennoch die Zeit wunderbar ein – und gerade auch die mystische und oft surreale Stimmung auf diese Kostümball. Denn es ist nicht einfach nur ein heiteres Fest, sondern es gibt viele Verstrickungen und Intrigen, und diese geheimnisvolle Stimmung kommt immer wieder durch. Der Autor benutzt zudem wirklich wundervolle Bilder und Metaphern, ohne dabei aber zu blumig zu werden oder gar in Beschreibungen zu versinken – wirklich eine sehr gelungene Sprache. 

Und trotz meiner vielen guten Punkte hat mich das Buch nicht ganz überzeugt – zum einen hat mir das Ende und die Auflösung – auch wenn sie schlüssig war – nicht gefallen, zum anderen war ich der ganzen Verwirrung irgendwann doch überdrüssig und hätte mir etwas früher „Entwirrung“ gewünscht. Vielleicht ein Wirt weniger, dann wäre es insgesamt etwas kürzer gewesen, so aber hatte ich das Gefühl, dass sich das Knäuel nicht entwirrt, sondern immer fester zusammenschnürt. 

Aber – mich hat der Autor trotzdem sehr beeindruckt, so dass ich ihn weiter im Auge behalten werde und schon jetzt gespannt bin auch sein neues Buch, dass noch im August erschienen wird. Dieser Geschichte gebe ich knappe 4 von 5 Sternen. 

Mein Fazit
Ein sehr verwirrendes Szenario, dass dem Leser volle Konzentration abverlangt und ihn auch lange Zeit im Unklaren lässt – umso beachtlicher ist dann, wie der Autor das fest geschnürte Knäuel entwirrt und dass dabei dann wirklich alles auch zusammenpasst. Die Charaktere sind großartig gezeichnet, der Schreibstill sehr atmosphärisch – und mit ein bisschen weniger Verwirrung hätte ich auch mehr Sterne vergeben, so sind es dann doch nur knappe 4 von 5 Sternen geworden. 


4 Kommentare:

  1. Hi Sabine!

    Ja, die Rezension hierzu fand ich auch nicht einfach ... aber du hast das auch alles super in Worte gefasst und gut begründet, was dir gefallen - und nicht gefallen hat.
    Mir hat die Leserunde auf jeden Fall viel Spaß gemacht und ich war froh, mich mit euch austauschen zu können :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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  2. Vielen Dank für die interessante und ausführliche Rezi! Ich habe von dem Buch noch nix gehört, es ist auf jeden Fall auch etwas für mich...schon der Klappentext liest sich enorm spannend! Liebe Grüße

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    1. Wenn man weiß, worauf man sich einlässt, ist das Buch sehr zu empfehlen - und jetzt kommt ja auch ein neues vom Autor raus - das werde ich auch auf jeden Fall lesen, weil er einfach einen tollen Stil hat!

      LG Sabine

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