[Rezension] Katharina Hagena - "Flusslinien"

Katharina Hagena - Flusslinien
Gegenwartsliteratur
 

 Verlag: Argon Hörbuch
 ISBN-13: 978-3-732-42171-8
 Dauer: 673 Minuten
 Erschienen: 25.3.2025
 Sprecher: Ruth Reinecke, Chantal Busse, Julia Nachtmann, Jesse Grimm

   
Zum Inhalt
„Margrit Raven ist hundertzwei und wartet auf den Tod. Früher war sie Stimmbildnerin, jetzt lebt sie in einer Seniorenresidenz an der Elbe. Jeden Tag lässt sie sich von dem jungen Fahrer Arthur in den Römischen Garten bringen. Dort, mit Blick auf den Fluss, erinnert sie sich: an ihre Kindheit, den Krieg, ihre Liebhaber und an das, was sie über die einstige Gärtnerin dieses Parks weiß, Else, die große Liebe ihrer Mutter. Die Erinnerungen halten Margrit am Leben – und die Besuche ihrer zornigen Enkelin. Luzie hat sich kurz vor dem Abitur von der Schule abgemeldet und übernachtet nun allein in einer Hütte an der Elbe. Während sie Margrit, deren Mitbewohner und sich selbst im Keller der Seniorenresidenz tätowiert, versucht sie, Stich für Stich, ihre Kraft und ihr Leben zurückzugewinnen. Und dann ist da noch Arthur. Wenn er gerade niemanden zur Dialyse fährt, sucht er mit einer Metallsonde den Strand ab, erfindet Sprachen, kämpft für gefährdete Arten und ringt mit einer Schuld. Um nicht vom Strom der eigenen Erinnerungen fortgerissen zu werden, müssen sich die drei auf sich selbst besinnen. Und aufeinander einlassen.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich war skeptisch, ob mich dieses Buch überzeugen kann, umso schöner war es dann, in einen berührenden Roman eintauchen zu können.

Im Mittelpunkt stehen drei Figuren, und die Geschichte ist abwechselnd aus ihren Perspektiven geschrieben. Margrit ist 102 Jahre alt und lebt in einer Seniorenresidenz direkt an der Elbe. Sie weiß, dass ihre Zeit bald abläuft – und begegnet dieser Tatsache mit einem feinen Sinn für Humor. Täglich besucht sie den Römischen Garten, den einst die Geliebte ihrer Mutter angelegt hat. Hier erinnert sie sich an ihr bewegtes Leben, an ihre Mutter, die beim Bombenangriff ums Leben kam, an vergangene Lieben und an ihre Familie.

Regelmäßig bekommt sie Besuch von ihrer Enkelin Luzie. Luzie hat gerade die Schule abgebrochen. Eigentlich wollte sie ihr letztes Schuljahr bei ihrem Vater in Australien beenden. Doch es ist etwas Furchtbares passiert, so dass sie nicht nur zurück nach Deutschland kommt, sondern einen ganz neuen Weg einschlagen will – fernab von Abitur und Studium. Ihr Wunsch ist es, Tätowiererin zu werden, und sie findet in ihrer Großmutter eine Unterstützerin. In der Residenz trifft Luzie auf Arthur: er ist Fahrer in der Seniorenresidenz, aber auch Metallsucher und Sprachenentwickler. Auch er trägt schwer an seiner Vergangenheit. Mit seinem Zwillingsbruder bildete er ein unzertrennliches Gespann, doch ihre innige Verbindung wurde ihnen zum Verhängnis.

Es ist eine ruhige Geschichte, durch die man geführt wird und die sich langsam mäandernd aufbaut. Margrit und Luzie habe ich sofort gemocht – Margret wegen ihrer wachen und feinsinnigen Art, vor allem aber auch wegen ihres feinen und leisen Humors, der immer wieder in Zwischentönen durchblitzt; Luzie geht sehr liebevoll und feinfühlig mit ihrer Großmutter um, gleichzeitig merkt man aber auch ihre Wut und Verletzlichkeit. Bei Arthur hat es erst ein wenig gedauert – zwar fand ich seine Gespräche mit Margret immer sehr besonders, auf mich wirkte er aber etwas distanziert und eigenbrötlerisch. Erst als ich seine Geschichte erfahren habe, ist auch er mir ans Herz gewachsen. 

Da abwechselnd aus Sicht der drei Hauptfiguren geschrieben wird, war ich allen dreien sehr nahe. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und nach und nach erfährt man, was den dreien widerfahren ist. Bei Romanen auf mehreren Zeitebenen fühle ich mich oft in den Teilen der Vergangenheit wohler, das war diesmal anders – Margrets Blick zurück in ihr Leben war mir oft etwas zu detailliert, viel lieber war ich mit ihr und Luzie in der Gegenwart unterwegs. 

Ein tolle Idee fand ich, dass Margrit sich als „Übungsobjekt“ für Luzies Tattoos zur Verfügung stellt – und beeindruckt hat mich die Bedeutung hinter dem von Luzie entworfenen Tattoo – es ist ein Flusslauf mit wesentlichen Stationen aus Margrits Leben. Und bei den Tattoo-Sitzungen sind die beiden sich sehr nahe. 

Die Sprache ist wunderschön – eher leise, aber auch mit einem feinen Sinn für Humor. Er hat die verschiedenen Emotionen sehr gut eingefangen und die besonderen, sehr verschiedenen Stimmungen wunderbar transportiert. Dazu haben auch die vier Sprecher Ruth Reinecke, Chantal Busse, Julia Nachtmann und Jesse Grimm beigetragen – ich kann gar nicht sagen, dass mir einer besser gefallen hat; alle haben gefühlvoll und engagiert gesprochen und den Figuren so Leben eingehaucht. 

Mein Fazit
„Flusslinien“ erzählt eindringlich von drei Menschen, die auf ganz eigene Weise versuchen, mit Verlust, Liebe und Sprache umzugehen. Der Roman lebt von stillen Momenten und starken Figurenbeziehungen. Nicht alles hat mich gleichermaßen gefesselt, aber einiges bleibt in meinem Herzen. Ich mochte das Hörbuch wirklich sehr. 


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