Anne Mehlhorn - Die Seele des Stachelschweins
Verlag: fhl-Verlag
Titelbild: Christine Saamer-Millman
ISBN-13: 978-3-942-82946-5
Seiten: 248 Seiten
Erschienen: 1. Juli 2013
Buchrückentext
„Seit er an seinem größten Traum gescheitert ist, hat Noel der Welt den Rücken zugekehrt. Die Sterne zu beobachten ist das einzige, wobei er noch Freude empfinden kann. Eines Nachts entdeckt er einen Kometen, der auf die Erde einschlagen und eine globale Katastrophe auslösen wird. Noel beschließt, keinen vor der drohenden Gefahr zu warnen, denn weder sein eigenes noch das Leben eines Anderen ist für ihn noch von Bedeutung. Doch dann lernt er Cassandra kennen. Cassandra, die alles verloren hat und die glaubt, das Leben nicht verdient zu haben.“
Meine Meinung
Ein leises Buch, das nicht einfach nur unterhält, sondern nachdenklich macht und auch noch nach Beenden der Lektüre nachhallt.
Mich hat das Buch von Anfang an gefangen genommen. Zunächst lernt man den 27jährigen Noel kennen, der seinen Lebenstraum verloren hat und in seinem Leben keinen Sinn mehr sieht. Das ist die Eingangsszene des Buches – Noel, der sich betrunken in den Schnee legt, um zu sterben. Doch es kommt anders und er lernt bald Cassandra kennen, ein 17jähriges Mädel, dem das Schicksal in ihren jungen Jahren schon Großes aufgebürdet hat und die sich flüchtet in Alkohol und Aggression – gegen sich selbst und gegen andere. Sie fühlt sich schuldig und kann diese Schuld nicht mehr tragen – auch sie will sich das Leben nehmen, wird jedoch von Noel gerettet. Die beiden so unterschiedlichen Charaktere nähern sich langsam an, und aus verschiedenen Gründen haben beide ein gemeinsames Ziel: einmal noch nach Narvik zu kommen. Doch die Reise ist mehr und mehr eine Reise ins eigene Selbst.
Die Geschichte hat mich gefesselt und gleichermaßen auch berührt – es ist ein Buch, das mich nachdenklich macht, ein leises Buch, das sich mit dem Sinn des Lebens und der Verantwortung seiner selbst und anderen gegenüber beschäftigt. Dabei ist die Geschichte aber auch spannend, ein Road-Movie im hohen Norden, bei dem man mit den beiden Charakteren mitfiebert. Beide sind sehr gut gezeichnet, zwei Menschen, die eher am Rande der Gesellschaft stehen und mit sich einfach nicht mehr klarkommen – und das aus ganz verschiedenen Gründen.
Noel mochte ich sehr gerne, vielleicht, weil ich manche seiner Gedanken gut verstehen und nachvollziehen konnte. Ich schätze seine ruhige Art und sein Verantwortungsbewusstsein – auch wenn er erst lernen muss, auch sich selbst gegenüber Verantwortung zu tragen. Das lernt er im Laufe der Geschichte und macht eine erstaunliche Entwicklung durch. Noel war mir einfach sympathisch, vielleicht gerade auch, weil er so unsicher und verletzlich ist, wenn es um Menschen und Gefühle geht, und ich ihn gerne in solchen Situationen einfach in den Arm genommen hätte.
Cassandra tritt zunächst als aufmüpfiges, aggressives und mir völlig unsympathisches Mädel auf, und erst im Laufe des Buches zeigen sich ihre auch liebenswerten Seiten. Sie hat einiges durchgemacht in ihrem jungen Leben und weiß nicht, sich anders zu wehren als mit Alkohol und Aggression – vielleicht verständlich, für mich aber nicht akzeptabel – daher brauchte ich etwas, bis ich auch mit Cassandra warm geworden bin.
Der Schreibstil der Autorin hat mich sehr beeindruckt: er ist klar und konzentriert, die Worte sind treffend gewählt und keines scheint zu viel oder gar überflüssig. Dabei entsteht eine melancholische, manchmal sogar bedrückende Atmosphäre, die wunderbar zur Geschichte passt. Trotz der wenigen Beschreibungen sind dennoch Bilder in meinem Geist entstanden und ich habe Noel, Cassandra und vor allem auch die Landschaft stets vor Augen gehabt.
Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der beiden Protagonisten in Ich-Form- und das jeweils abwechselnd. Verwirrt hat mich das nur am Anfang, denn erst beim Lesen merkt man, wer nun gerade erzählt. Aber bald schon hatte ich mich eingelesen und fand es dann spannend, wie Noel und Cassandra jeweils Dinge sehen, bewerten und einschätzen. Cassandra träumt zudem immer wieder von ihrer Vergangenheit, so dass man beim Lesen auch langsam versteht, was eigentlich geschehen ist und warum sie so mit dem Leben hadert.
Durch die Wechsel der Erzählperspektiven entsteht zudem noch eine interessante Spannung – wobei diese in der zweiten Hälfte des Buches auch durch die Geschichte allein entsteht, die hier schon fast an ein rasantes Road-Movie erinnert und mich hat das Buch wirklich rasch beenden lassen.
Mein Fazit
Außergewöhnliche, eher am Rande stehende Charaktere in einer ungewöhnlichen Geschichte, die fesselt und spannend ist, aber auch berührt und nachdenklich macht – mich konnte dieses Debüt von Anne Mehlhorn wirklich überzeugen, und ich bin gespannt auf weitere Bücher von ihr.
Vielen Dank an Anne Mehlhorn für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
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