[Rezension] Tamar Noort - "Der Schlaf der anderen"

Tamar Noort - Der Schlaf der anderen
Gegenwartsliteratur
 

ISBN-13: 978-3-73247-793-7
Dauer: 469 Minuten
Erschienen: 17.6.2025
Sprecherin: Julia Nachtmann

   
Zum Inhalt
„Als Nachtwache im Schlaflabor bringt Janis Fremde ins Bett und schaut ihnen beim Schlafen zu. Der Tag-Nacht-Rhythmus, der anderen Menschen eine natürliche Struktur gibt, gilt für sie nicht. Janis arbeitet, wenn andere ruhen, sie lebt allein und hat sich mit sich selbst gut eingerichtet. Erst als Sina bei ihr auftaucht, erwacht in Janis wieder der Wunsch nach einem anderen Leben.
Sina ist Lehrerin und hat einen geregelten Alltag. Doch allmählich entgleitet ihr die Kontrolle: über ihre Familie, ihre Arbeit, ihr ganzes Leben. Als sie Janis kennenlernt, lässt sie einmal die Krisen los, die zu Hause auf sie warten. Woher kommt die starke Verbindung, die beide Frauen spüren?
Langsam befreien sich Janis und Sina von dem Takt, den der Alltag ihnen vorgibt. Sie begeben sich auf eine Reise durch die Nacht, in der auf einmal alles auf dem Spiel steht – und nichts mehr bleibt, wie es war.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Der ungewöhnliche Plot hat mich neugierig gemacht, das Cover direkt angesprochen – und schließlich hat mich das Hörbuch dann auch überzeugen können. 

Janis arbeitet als Nachtwache in einem Schlaflabor – sie lebt in der Stille der Nacht, für sich, unaufgeregt und im Reinen mit sich selbst. Sina ist Lehrerrein, Mutter und Ehefrau – und leidet unter Schlafstörungen. Im Schlaflabor begegnen sich die beiden Frauen und zwischen beiden entsteht eine leise, fragile Verbindung.

Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen. Ohne große Dramatik entfaltet sich das Porträt zweier Frauen um die vierzig, die an einem Wendepunkt ihres Lebens stehen. In Rückblenden erfährt man, wie sie wurden, wer sie heute sind – mit all ihren Zweifeln, Prägungen und Hoffnungen. Dabei tritt Janis als Ich-Erzählerin auf, bei Sina ist es die Sicht der dritten Person. Beide Frauen haben sich ein Stück weit verloren und beginnen nun, sich wiederzufinden. 

Die Figurenzeichnung ist sehr gelungen. Sina wirkt präsent, selbstbewusst, dabei aber keineswegs unantastbar – vielmehr spürt man unter ihrer Fassade eine große Verletzlichkeit und das dringende Bedürfnis nach Veränderung. Janis ist leiser, verschlossener, fast scheu – aber auch sie beginnt, sich zu öffnen - tastend, unsicher, aber ehrlich. Die Wechsel zwischen den Perspektiven sind geschickt gewählt und verstärken den Eindruck, dass beide Hauptfiguren sehr unterschiedlich sind. 

Der Schreibstil ist klar, präzise und dabei voller Zwischentöne. Ohne Schnörkel, aber mit feinen Beobachtungen und leisen gesellschaftskritischen Tönen, etwa zur Rolle der Frau oder dem Druck, in unserer Leistungsgesellschaft stets zu "funktionieren". Es gibt auch humorvolle Passagen oder solche voller Ironie, beide sind aber ganz natürlich in den ruhigen Erzählfluss eingebettet.

Sprecherin Julia Nachtmann hat die beiden Figuren lebendig gemacht. Sie versteht es, die unterschiedlichen Stimmungen einzufangen und den Charakteren Tiefe zu verleihen. Dabei klingen beide Frauen sehr individuell und doch passend zu der ruhigen Tonlage des gesamten Hörbuchs.

Mein Fazit
Eine ruhige, leise Geschichte mit zwei ganz unterschiedlichen, sympathischen Hauptfiguren, zwischen denen sich langsam eine tiefgehende Freundschaft entwickelt. Es gibt keine großen Dramen, dafür aber leise Umbrüche – und gerade darin liegt seine Stärke. Wer Geschichten liebt, die unter die Oberfläche schauen, wird hier fündig. 


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