Philippe Claudel – Brodecks Bericht
Zeitgenössische Literatur
Verlag: Rowohlt-Verlag
Umschlaggestaltung: any.way, Barbara Hanke /Cordula Schmidt
Umschlagabbildung: © Paul Knight /Trevillion Images
ISBN-13: 978-3-499-24815-3
Seiten: 336 Seiten
Erschienen: 1. Februar 2011
Originaltitel: „Le rapport de Brodeck“
Übersetzer: Christiane Seiler
Buchrückentext
„Mit seiner Familie lebt Brodeck in einem kleinen Dorf. Als ein schreckliches Verbrechen geschieht, drängen ihn die Bewohner, einen Bericht über das zu verfassen, was in ihrer Mitte geschehen ist. Je mehr Brodeck über die Einzelheiten erfährt, desto weniger ist er bereit, die Wahrheit zu beschönigen. Und mit einem Mal wird er selbst zur Zielscheibe der Dorfbewohner…“
Meine Meinung
Philippe Claudel hat mich sowohl positiv überzeugt als auch negativ überrascht – dieses Buch ist vor allem auch wegen der auf dieser Geschichte basierenden Graphic Novel ins Gespräch gekommen. Es ist eine bedrückende Geschichte, die in Ort und Zeit nicht richtig einzuordnen ist und so noch mal mehr die zeitlosen Themen in den Mittelpunkt schiebt.
Es sind eigentlich sogar drei Handlungsstränge, die eng miteinander verbunden sind und die sich relativ willkürlich abwechseln und ineinandergreifen. Brodeck lebt in einem kleinen Dorf, wo etwas Schreckliches geschehen ist. Der Bürgermeister bittet ihn, da er studiert habe, einen Bericht über das Geschehene zu schreiben. Doch Brodeck schreibt nicht nur darüber, sondern auch über seine eigene Vergangenheit – und daneben gibt es noch das Geschehen in der Gegenwart. Was am Anfang eher unklar und geheimnisvoll wirkt, weil der Autor einen über lange Zeit im Dunkeln tappen lässt, ergibt dann nach und nach doch ein schlüssiges Bild.
Der Roman ist durchweg düster und melancholisch und beschäftigt sich mit Themen wie Hass und Gewalt, Ausgrenzung und Unmenschlichkeit; aber auch Gemeinschaft, Familie, Liebe und Überleben werden beleuchtet und es ist eindrücklich, wie Philippe Claudel das in diesem für die Menge der Themen sehr dünnen Buch erreicht.
Ich will zum Inhalt nicht mehr erzählen, denn gerade das Ungewisse macht die Spannung aus, dass man nicht genau weiß, was eigentlich geschehen ist und man vieles zwar erahnt, es aber nur langsam bestätigt bekommt. Die Geschichte ist ruhig und dennoch ist die Stimmung zum Zerreißen gespannt und nur schwer aushaltbar.
Dabei ist die Sprache eher trocken und oft auch nur beschreibend, ohne zu werten – daher passt der Titel des Romans sehr gut, denn genau das macht ja einen Bericht auch aus. Natürlich erfährt man Brodecks Gedanken und Gefühle und natürlich sind die auch nicht wertfrei, trotzdem ist der Stil im Buch eher nüchtern. Sehr gefallen hat mir die Charakterdarstellung – eigentlich bleiben die Figuren blass und sind nur durch kurze Biografien beschrieben, aber durch ihre ungewöhnlichen Namen sind sie dann doch gut dargestellt; da gibt es Wortneuschöpfungen wie zum Beispiel „Keinauge“ oder „Zungfrost“ als Namen für Figuren, es treten „Fratergekeime“ auf oder die „Seelenfresserin“ im „Kazerskwir“. Was jetzt vermutlich unverständlich klingt, macht in der Geschichte Sinn und unterstreicht, dass es sich um sehr zeitlose Themen handelt.
Mir hat diese Geschichte gefallen, nicht weil sie sehr gut unterhält, denn sie ist unbequem und düster, aber sie hallt immer noch nach und macht mich nachdenklich – deshalb empfehle ich dieses Buch sehr gerne weiter, wenn man sich menschlichen Abgründen stellen möchte und kann. Ich gebe 4 von 5 Sternen.
Mein Fazit
Ein ungewöhnliches Buch, das man weder zeitlich noch örtlich genau einordnen kann, das aber zeitlose Themen aufgreift und tiefe Einblicke in menschliche Seelen gibt. Die Geschichte ist düster und melancholisch und sicher keine, die man zur Unterhaltung liest; sie ist aber eine wichtige, weil Themen angerissen sind, die immer und immer wieder auftauchen. Ich gebe 4 von 5 Sternen, weil das Buch in mir immer noch nachhallt.
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