12. Januar 2024

[Rezension] Hanns-Josef Ortheil – Die Erfindung des Lebens

Hanns-Josef Ortheil – Die Erfindung des Lebens (Autobiografische Romane von Hanns-Josef Ortheil #1)
Gegenwartsliteratur, Romanbiographie
 

 Verlag: btb-Verlag
 ISBN-13: 978-3-442-73978-3
 Seiten: 591 Seiten
 Erschienen: 11.8.2011
 Ersterscheinung: 14.9.2009
 Umschlaggestaltung: semper smile unter Verwendung eines  Motivs von ©plainpicture /baquet

   
Zum Inhalt
„»Die Erfindung des Lebens« ist die Geschichte eines jungen Mannes von seinen Kinderjahren bis zu seinen ersten Erfolgen als Schriftsteller. Als einziges Kind seiner Eltern, die im Zweiten Weltkrieg und in der Zeit danach vier Söhne verloren haben, wächst er in Köln auf. Die Mutter ist stumm geworden, und auch ihr letzter Sohn lebt stumm an ihrer Seite. Nach Jahren erst kann er sich aus der Umklammerung der Familie lösen, in Rom eine Karriere als Pianist beginnen und nach deren Scheitern mit dem Schreiben sein Glück zu machen versuchen …“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Es war mein erstes Buch von Hanns-Josef Ortheil, aber sicher nicht mein letztes, denn mich hat er mit seiner leisen, aber intensiven Art, Szenen zu beschrieben, begeistert!

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Ich-Erzähler Johannes, der von seiner Kindheit, Jugend und frühen Adoleszenz erzählt – seine Kindheit verbringt er in Köln, sprachlos und isoliert neben seiner ebenfalls stummen Mutter. Der Vater sorgt liebevoll für die beiden, und obwohl er selber spricht, erlernt Johannes nicht das Reden. In der Schule wird er schnell ausgegrenzt, so dass sich der Vater einen anderen Weg überlegt: Er bringt ihn zu seiner Verwandtschaft im Westerwald – und dort lernt Johannes das Leben kennen und eben auch das Sprechen. Schon früh hat Johannes seine Liebe zur Musik entdeckt, und die führt in dann später nach Rom, eine Stadt, in die er sich sofort verliebt. Und doch führt ihn sein Weg auch wieder zurück nach Köln, wo er als Schriftsteller tätig ist. 

Es ist eine ruhige Geschichte, die nicht durch Action oder Spannung glänzt, vielmehr durch die intensiven Beschreibungen, die mich sofort in einen ganz eigenen Sog gezogen haben. Der Ich-Erzähler beschreibt sehr genau seine Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse, und mich hat das total gefesselt. Am Anfang ist es natürlich seine enge Bindung zu seiner Mutter, die im Mittelpunkt steht, dann die Erfahrungen in der Schule und beim Leben auf dem Bauernhof. Mich hat sehr berührt, wie er dort – obwohl immer noch sprachlos – integriert wird, ganz im Gegensatz zur Schule, wo Johannes ausgegrenzt wird und als minderbemittelt gilt. Interessant ist dann, wie er doch noch das Sprechen erlernt – und auch, mit welcher Intensität der Autor diese berührenden Szenen beschreibt. In Rom angekommen ist es dann die Liebe zur Musik, die im Mittelpunkt steht – und auch hier hat Hanns-Josef Ortheil liebevoll und eindringlich Johannes Emotionen dargestellt – dieser Abschnitt hat mich am meisten begeistert, weil ich mich total reinfallen lassen konnte in die Emotionen – und in Rom gibt es sowohl gute als auch schlechte Zeiten. 

Johannes ist ein Protagonist, den ich gerne begleitet habe – nicht immer war ich seiner Meinung und vieles konnte ich auch nicht verstehen oder nachvollziehen, und doch hat er mich mit seiner Emotionalität gefangen. Durch die vielen Innenansichten, die Gedanken und eben auch die Beschreibung der Emotionen hatte ich das Gefühl, ihn persönlich zu kennen – und habe so natürlich auch mit ihm gelitten und gefühlt. 

Der Schreibstil ist einfühlsam, dicht, kraftvoll – manch einer mag ihn auch als sperrig oder blumig bezeichnen. Für mich hat er die Atmosphäre wunderbar eingefangen – egal ob im Köln der 1950er Jahre oder später beim Besuch und Leben in Rom. 

Ein großartiger Roman, der in großen Teilen autobiografisch ist. Ich bin gerade eingetaucht in die Geschichte und empfehle sie gerne weiter, wenn man ruhige Romane mag.

Mein Fazit
Ein berührender Roman um den Ich-Erzähler Johannes, der von seiner Kindheit in Köln und seinem späteren Leben in Rom erzählt. Es ist eine ruhige Geschichte, die vor allem durch den eindringlichen und einnehmenden Schreibstil glänzt, der eine unglaubliche Atmosphäre schafft und mich richtiggehend eingesogen hat in eine andere Welt. Ein toller Roman!

Autobiografische Romane Hanns-Josef Ortheil
1. Die Erfindung des Lebens
3. Das Kind, das nicht fragte

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