21. Mai 2025

[Rezension] Philip Roth - "Nemesis"

Philip Roth - Nemesis
Zeitgenössische Literatur
 

Originaltitel: „Nemesis“ (2010)
Übersetzer: Dirk van Gunsteren
ISBN-13: 978-3-499-25990-6
Seiten: 221 Seiten
Erschienen: 1.11.2012
Umschlaggestaltung: any.way, Cathrin Günther, nach einem Umschlag des Carl Hanser Verlags von Peter-Andreas Hassiepen

   
Buchrückentext
„Eine schwere Polio-Epidemie erschüttert 1944 Newark, Kindern droht Lähmung oder der Tod. Nur der junge Sportlehrer Bucky bewahrt die Ruhe und kümmert sich als Ausgemusterter hingebungsvoll um seine Schüler. Doch das Gefühl der Vergeblichkeit wächst so stetig wie das Verlangen nach privatem Glück. Als Bucky dem Wunsch seiner Freundin Marcia nachgibt und sie in ein Kinderferienlager begleitet, scheinen Krieg und Seuche in weite Ferne gerückt …“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Nemesis ist der letzte von Philip Roth erschienene Roman, und obwohl in 2010 die Corona-Pandemie noch weit entfernt war, erinnert der Plot doch sehr an diese Zeit. Der Roman spielt im Sommer 1944 im amerikanischen Newark – ein Sommer, der von einer sich ausbreitenden Polioepidemie überschattet wird. Im Mittelpunkt steht Eugene "Bucky" Cantor, ein junger Sportlehrer, der wegen seiner Sehschwäche nicht in den Krieg ziehen darf. Das macht ihm sehr zu schaffen, ist er doch ein Mensch, dem Prinzipientreue, Disziplin und einem ausgeprägten Verantwortungsgefühl wichtig sind. Statt also in den Krieg zu ziehen und seinem Land zu dienen, kümmert er sich um Jugendliche auf einem Sportplatz und versucht, das Chaos der anrollenden Pandemie von den Kindern fernzuhalten. Kann er so das Schicksal wirklich aufhalten?

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen - die Parallelen zur Corona-Pandemie drängen sich auf. Ein unbekanntes Virus, die wachsende Verunsicherung in der Bevölkerung, unklare Übertragungswege und das Misstrauen gegenüber Institutionen sind Themen, die sowohl 1944 als auch 2019 die Bevölkerung beschäftigten. In diesem Roman kommt dann noch ein weiteres großes Thema dazu, nämlich die Frage nach der Schuld und wer denn nun die Verantwortung trägt -  dass das jeder anders sieht und jeder mit einer solchen Situation anders umgeht, ist klar. Der eine sieht eine Verschwörungstheorie als Ursache, der andere betrachtet es wissenschaftlich, bei Becky kommt es zu einem Hadern mit seinem göttlichen Glauben. Und so zeigt der Autor sehr eindrücklich, wie eine Epidemie nicht nur den Körper, sondern auch das gesellschaftliche Gefüge angreift.

Der Schreibstil ist ruhig und unaufgeregt, einfach zu lesen und nicht anspruchsvoll. Es gibt keine dramatischen Zuspitzungen, obwohl doch auch schlimme Dinge geschehen – alles wird ruhig und fast schon gelassen und ohne große Effekthascherei erzählt. 

Bucky ist eine gut gezeichnete Figur, die man aber nicht unbedingt in sein Herz schließt. Er wirkt mit all seinen Tugenden und Prinzipien mental festgefahren und unbeweglich, ein Umstand, mit dem er vor allem sich selber im Weg steht. Diese Unbeweglichkeit zeigt sich im ganzen Roman, wächst dann aber am Ende auf ein kaum auszuhaltendes Maß heran und führt so die möglichen Langzeitfolgen einer Krise mit allen seelischen und körperlichen Narben erschreckend vor Augen. 

Mein Fazit
Nemesis ist ein leiser, aber tief wirkender Roman, der in klarer Sprache existenzielle Fragen aufwirft. Es ist ein zeitloses Werk über Verantwortung, Schuld und den Preis moralischer Strenge – dabei aber ohne große Effekthascherei und mit einer bemerkenswerten Zurückhaltung. Von mir daher eine Empfehlung. 



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