25. Oktober 2024

[Rezension] Willy Russell - "Der Fliegenfänger"

Willy Russell - Der Fliegenfänger
Gegenwartsliteratur
 

 Originaltitel: „The wrong boy“ (2000)
 Übersetzerin: Sabine Hübner
 Verlag: Heyne-Verlag
 ISBN-13: 978-3-453-86428-X
 Seiten: 525 Seiten
 Erschienen: 1.12.2002
 Umschlagillustration: Hauptmann und Kampa Werbeagentur, CH-Zürich
 Umschlagabbildung: Eberhard Grames, Kleve
 
   
Buchrückentext
„Der Tag, an dem der elfjährige Raymond Marks in einer Schulpause per Zufall das „Fliegenfangen“ erfindet, ändert alles. Das harmlose Spiel wird katastrophal missverstanden, Raymond fliegt von der Schule und beginnt ein tragikomisches Leben als Außenseiter und Sonderling. Wie es ihm dennoch gelingt, sein ganz persönliches Glück zu finden, schildert dieser überaus komische und gleichzeitig warmherzige Roman.“ 

Meine Meinung
Mir war das Buch empfohlen worden, dann hat es aber lange in meinem Regal stehen müssen – jetzt kann ich sagen: es ist ein besonderes Buch, das mich gefesselt, gelangweilt, gepackt und geärgert hat. 

Raymond Marks ist ausgesprochener Morissey-Fan. Dem ehemaligen Sänger der Band „The Smiths“ schreibt er Briefe, als er sich auf dem Weg nach Grimsby befindet – dort soll er mit seinen 19 Jahren seinen ersten Job annehmen. Dort der Weg dahin ist gepflastert von Unglücken und Missverständnissen, so dass sich die Anfahrt in die Länge zieht – und Raymond so Morrissey sein ganzes bisheriges Leben erzählt. 

Am Anfang hatte ich meine Probleme mit dem Buch – der Schreibstil ist einfach, die Briefform gar nicht das Problem (weil es sich eher anfühlt wie ein normaler Roman), eher, dass ich die ersten 100 Seiten eher langatmig fand. Zwar passt der Schreibstil gut zu Raymond, und es gab auch einige wirklich witzige Szenen, dennoch war es mir zu langgezogen erzählt. Das bessert sich dann aber, vielleicht auch, weil ich mit ganz so jungen Protagonisten nichts anfangen kann und Raymond dann ja älter wird – immer noch ist die Erzählweise eher ausschweifend, es passiert aber mehr, was mich gefesselt hat. 

Raymond ist ein sympathischer Erzähler – und man bekommt schnell Mitleid mit ihm. Denn was ihm alles widerfährt, ist schrecklich zu lesen – es sind oft einfach nur unglückliche Situationen, in die er gerät, die aber sein Leben und was mit ihm geschieht nachhaltig beeinflussen. Er hat eine ruhige Art und ist den Menschen zugewandt – umso schmerzlicher liest es sich dann, wie er in der Schule gemobbt wird und wie Pädagogen und Psychologen mit ihm umgehen. Im Laufe des Buches aber hat sich mein Gefühl für ihn geändert – ich habe nicht nur den Raymond gesehen, der unglücklich in Situationen gerät, für die er nichts kann, sondern auch eine Krankheit, die sein Verhalten erklärt. Meine Sympathie hat das nicht gemindert, aber zumindest das, was alles geschieht, in ein anderes Licht gesetzt. 

Sehr gefallen hat mir seine Großmutter – sie ist im Gegensatz zur Mutter ein Quell von Unkompliziertheit und Pragmatismus. Sie steht mit beiden Beinen im Leben und lässt sich so schnell auch nichts vormachen. Sie habe ich geliebt – und man spürt gleich die besondere Bindung zu ihrem Enkel. Rührend war auch die Freundschaft des Dreiergespanns Raymond, Tinky und Norman – so unterschiedlich die drei sind, so sehr haben sie doch zueinander gestanden und sich für den anderen eingesetzt. 

Die Briefe schreibt Raymond alle im Juni 1991 – man kann kaum glauben, was er da von den Lehrern und Psychologen erzählt. Aus heutiger Sicht haben diese völlig versagt – mir schienen die Figuren aber sehr überzogen und zugespitzt, als dass ich das glauben kann; letztlich aber kann ich nicht beurteilen, wie und wo Pädagogik und Psychologie in den frühen 1990er Jahren standen. 

Das Buch ist ein ernstes, obwohl ich auch häufig schmunzeln musste. Das letzte Drittel hat mich richtig gefesselt, das Ende dann aber leider enttäuscht. Das kam irgendwie sehr schnell und plötzlich, und die Begegnung, die alles verändert, habe ich in dieser Wichtigkeit leider nicht nachempfinden können. 

Insgesamt hat das Buch neben einigen Schwächen auch viele Stärken, so dass ich es nicht bereut habe, es gelesen zu haben. An mancher Stelle muss man einen langen Atem haben, insgesamt aber fühlte ich mich doch gut unterhalten. 

Mein Fazit
Ein Entwicklungsroman, der durch eine ungewöhnliche Erzählform besticht mit einem Protagonisten, den man schnell ins Herz schließt, weil ihm so vieles ungerechtes passiert, dass man es kaum glauben kann. Obwohl der Stil oft mit Situationskomik gespickt ist, sind die Themen der Geschichte doch ernste. Nach einem etwas langatmigen Einstieg habe ich das Buch dann doch sehr gerne gelesen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Teile mir deine Gedanken und Kommentare zu meinem Beitrag mit - ich freue mich sehr auf unseren Austausch!

DATENSCHUTZ: Mit dem Absenden deines Kommentars und dem Einverständnis der Kommentar-Folgefunktion bestätigst du, dass du meine Datenschutzerklärung sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und akzeptierst.