12. Juli 2024

[HOMER] Interview mit Noah Martin und Buddyread von "Florentia"


Das erste Mal ist mir "Florentia" schon im letzten Jahr, auf der Leipziger Buchmesse 2023 begegnet - dort habe ich die Autorin Noah Martin lesen hören. Dann hat es aber doch noch ein Jahr gedauert, bis ich endlich zu diesem Schmöker gegriffen habe - sehr schade, denn so ist mir ein toller historischer Roman entgangen. Und das sage ich nicht, weil er jetzt auf der Shortlist für den Goldenen Homer 2024 steht und ich natürlich alle Daumen drücke, dass Noah Martin den Preis gewinnt, sondern weil ich wirklich sehr gerne in das Florenz des 15. Jahrhunderts abgetaucht bin. Meine ausführliche Rezension wird am 13.08.2024 online kommen - du kannst gespannt sein.

Ich habe das Buch gemeinsam mit der lieben Anke vom Blog "Svanvithe" gelesen, ein sogenannter "Buddyread", in dem wir uns über das Buch ausgetauscht haben. Ein paar Fragen und Antworten habe ich auch mitgebracht. Und ich hatte auch Gelegenheit, Noah Martin ein bisschen zu löchern - und ich will dich nicht weiter auf die Folter spannen; hier ist die illustre Fragerunde mit Noah und Anke. 

Interview mit Noah Martin














Jedes Jahr kürt der Verein HOMER Historische Literatur die besten historischen Romane. Aus der Fülle der in 2023 erschienenen Werke hat die HOMER Jury nach fleißiger Lektüre die ihrer Meinung nach zehn Besten herausgefiltert - und Noah Martina "Florentia - Im Glanz der Medici" ist einer von ihnen! 

 © Markus Röleke


Vielen Dank an Dich, Noah, dass Du Dich meinen Fragen gestellt hast!

Zum Aufwärmen habe ich erst mal ein paar kurze Entweder-Oder-Fragen an dich – okay?
Hund oder Katze?   ~~  Katze 
Schokolade oder Gummibärchen?   ~~  Schokolade
Tee oder Kaffee?   ~~  Kaffee
Popmusik oder Klassik?   ~~  Klassik
Auto oder Fahrrad?   ~~  Fahrrad
Sommer oder Winter?   ~~  Sommer
Berge oder Meer?   ~~  Meer
Früh- oder Spätaufsteher?   ~~  Spätaufsteher
Chaotisch oder ordentlich?   ~~  chaotisch
Kochen oder Essen bestellen?   ~~  kochen
Kino oder Theater?   ~~  Kino
Oper oder Musical?   ~~  Oper
Haus oder Wohnung?   ~~  Wohnung
Logik oder Bauchgefühl?   ~~  Logik

Aber natürlich möchte ich noch mehr über dich, das Schreiben und dein letztes Buch „Florentia – Im Glanz der Medici“, das ja auf der Shortlist für den Goldenen Homer steht, erfahren. Wie bist du zum Schreiben gekommen? 
Noah: Erste zaghafte Versuche habe ich schon während meiner Schulzeit und im Studium gemacht – da allerdings noch vorwiegend in der Fantastik und ausschließlich für die Schublade. 😊
Aber je mehr ich über die Renaissance gelesen habe, umso mehr inspirierten mich die vielen Künstler*innen, die wir heute noch bewundern. Manche Lebensgeschichten sind dabei so spannend wie ein Roman, deshalb war es ein langgehegter Wunsch von mir, über diese Zeit zu schreiben. Als sich das Raffael-Jahr 2020 näherte, dachte ich mir „Jetzt oder nie mehr“ - und begann meine Romanbiografie über Raffael Sanzio. 

Bei deinem Debüt-Roman „Raffael – Das Lächeln der Madonna“ stand der Maler Raffael im Mittelpunkt, jetzt in "Florentia - Im Glanz der Medici" die Familie Medici, beide Bücher spielen also in der Renaissance. Was fasziniert dich an dieser Zeit?
Noah: Die Renaissance war eine Zeit voller Widersprüche und Veränderungen. Einerseits von brutalen Kriegen geprägt, die Fürsten, Könige und das Papsttum ständig führten, andererseits aber auch eine Epoche, in der Europa einen großen Schritt nach vorn machte. Der Buchdruck begann seinen Siegeszug und die Kunst erlebte eine ungeahnte Blütezeit. Die gesellschaftlichen Schichten wurden viel durchlässiger: Plötzlich konnten auch Bürger, Banker und Maler ihr Glück machen. Viele Menschen in der Renaissance hatten ein sehr wechselhaftes Schicksal. Für mich lag es auf der Hand, diese bewegte Zeit mit meiner zweiten großen Leidenschaft zu verbinden, dem Geschichtenerzählen.

„Florentia – Im Glanz der Medici“ spielt Mitte des 15. Jahrhunderts und es gibt viele historische Persönlichkeiten, auf die man beim Lesen trifft. 

Den Rahmen der Geschichte bildet die sogenannte Pazzi-Verschwörung, im Mittelpunkt standen für mich drei Figuren: Lorenzo Medici, der später als der Prächtige in die Annalen eingehen wird und der als genialer Planer und Taktiker beschrieben wird, sein Bruder Giuliano, der ganz anders als der Ältere eher unzuverlässig und ungestüm gewesen sein soll, und Fioretta Gorini, die sich später einen Namen als Malerin machen wird. Daneben tauchen dann aber auch noch andere bekannte Personen auf, aus deren Leben man einiges erfährt, wie zum Beispiel Sandro Botticelli und Leonardo da Vinci. 

Ich mochte ja alle irgendwie gerne, besonders gefallen hat mir aber Leonardo. Hast du auch eine Lieblingsfigur, eine die dir besonders ans Herz gewachsen ist?
Noah: Leonardo zu schreiben, war wirklich aufregend: Wie kann man ein Genie als jungen Mann porträtieren, der noch seinen Platz in der Welt sucht? Auf ihre Art mag ich sie alle, die Künstler*innen ebenso wie die Medici. Aber auch Albiera Pazzi – die Widersacherin meiner Hauptfiguren in der Geschichte – hat mir beim Schreiben viel Spaß gemacht. 

 

Der ganze Roman ist sehr lebendig, die Beschreibungen haben mich wirklich in die Zeit zurückversetzt, ich hatte Bilder im Kopf und Gerüche in der Nase. Wie hast du dich vorbereitet, um die vielen historischen Persönlichkeiten so lebendig und nahbar zu machen? 

Noah: Ich bin viele Male in Florenz und Rom gewesen, und ich liebe es, neben den großen Museen auch die Wohnhäuser oder ehemaligen Werkstätten meiner Protagonist*innen zu besuchen, von denen viele bis heute erhalten sind. Gerne laufe ich auch Wege ab, die meine Figuren in ihrem täglichen Leben gegangen sind. Dabei stellt man schnell fest, wie sich die Perspektive verändert, wenn man alle Strecken zu Fuß zurücklegt. Für einige Themen habe ich den Rat von Expert*innen gesucht, zum Beispiel für historische Kleidung und für die Herstellung von Farben. Und ein paar Sachen habe ich auch ausprobiert, zum Beispiel Gerichte aus der Renaissance nachzukochen.    

Ich gehe davon aus, dass du selber gerne liest – greifst du dann eher gerade nicht zu historischen Romanen oder wählst du eben genau diese aus, um dich inspirieren zu lassen? Und welche Autoren oder Autorinnen liest du besonders gerne?

Noah: Tatsächlich lese ich insgesamt gar nicht so viel Belletristik, sondern häufig Sachbücher. Wenn ich Romane lese, habe ich einen recht breit gefächerten Geschmack: Mir gefallen die historischen Romane von D.V. Bishop, Daniel Wolf und C.J. Sansom, Fantastik von Leigh Bardugo, R.F. Kuang oder Mo Xiang Tong Xiu, die literarischen Romane von Kazuo Ishiguro oder auch die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling.   

Gibt es schon Pläne für ein weiteres Buch von dir?

Noah: Ja, ich schreibe gerade an einem neuen Renaissance-Roman, der den Arbeitstitel „Das Geheimnis des David“ trägt. Er soll im Herbst 2025 erscheinen. 


Liebe Noah, vielen Dank dass du dich meinen Fragen gestellt hast, ich fand es sehr spannend und interessant - und natürlich freue ich mich jetzt schon auf "Das Geheimnis des David"! 



Spannend war auch die Leserunde mit Anke vom Blog "Svanvithe" - hier ein paar der Fragen und Antworten aus unserem Austausch: 

Auch an dich ein paar kurze Entweder-Oder-Fragen, um dich ein bisschen besser kennenzulernen: 
Hund oder Katze?   ~~  Pferd 😀
Schokolade oder Gummibärchen?   ~~  Schokolade - gerne in Pralinenform
Tee oder Kaffee?   ~~  Tee, am liebsten Earl Grey
Popmusik oder Klassik?   ~~  Klassik
Auto oder Fahrrad?   ~~  beides
Sommer oder Winter?   ~~  Sommer
Berge oder Meer?   ~~  Meer - ich bin ein Wasserkind und Fischkopp 
Früh- oder Spätaufsteher?   ~~  Frühaufsteher, damit ich noch lesen kann
Chaotisch oder ordentlich?   ~~  Beides in Maßen
Kochen oder Essen bestellen?   ~~  kochen
Kino oder Theater?   ~~  Kino, zuletzt mit Sohnemann Dune: Part Two
Oper oder Musical?   ~~  keins von beidem
Haus oder Wohnung?   ~~  Haus - klein, aber fein
Logik oder Bauchgefühl?   ~~  es kommt darauf an, wie der Jurist zu sagen pflegt, jedoch mit Tendenz zur Logik.  

Wie bist du zu dem Buch gekommen - hast du einen besonderen Bezug zu Italien oder zur Renaissance?

Anke: Ich gebe zu, dass ich den Roman zunächst nur auf meine Lesewunschliste gesetzt hatte. Näher hingeschaut habe ich dann nach der Rezension unserer Mitbloggerin Patricia vom Blog "nichtohnebuch" und der gemeinsamen Begegnung mit der Autorin auf der Leipziger Buchmesse nach der Bekanntgabe der Nominierung auf der HOMER-Shortlist. Spätestens da war klar, dass ich FLORENTIA unbedingt lesen muss. 
Einen besonderen Bezug zu Italien - außer dass ich die Küche zu schätzen weiß - habe ich nicht, ich war noch nicht einmal dort. Doch es gibt sicher einige geschichtsträchtige Orte, die ich besuchen würde. Nach der Lektüre gehört Florenz unbedingt dazu. 
Da ich sehr an Kunst interessiert bin, war der Besuch des Louvre in Paris vor zehn Jahren ein Muss. Natürlich habe ich dort (aus der Ferne) die MONA LISA gesehen, allerdings haben mich die anderen Werke der Renaissance-Maler ebenfalls beeindruckt. Im Übrigen schätze ich an der Renaissance die Veränderungen des Menschenbildes, die mit dieser Epoche durch die Wiederentdeckung und Hinwendung zur antiken Welt verbunden war. 
Sabine:  Ich muss gestehen, dass ich bisher wenige Romane in der Zeit der Renaissance gelesen habe - erst dieses Jahr habe ich eine Romanbiographie über Katharina von Medici gelesen (und geliebt) und das hat mir die Zeit ein bisschen näher gebracht (auch wenn Katharina natürlich viel später gelebt hat). Ich hatte letztes Jahr schon auf der Leipziger Buchmesse von dem Buch gehört und auch eine Lesung mit der Autorin besucht, das Buch dann aber doch nicht gelesen - um so schöner, dass ich es nun im Rahmen der "Blogger für HOMER".Aktion vorstellen darf!

 

Welche der Figuren war dein persönlicher Liebling?

Anke: Fioretta mochte ich sehr gern, und mir hat gefallen, mit welchen (fiktiven) Charakterzüge die Autorin diese einst reale Figur ausgestattet hat. 
Daneben bin ich tatsächlich ein Fan von Leonardo da Vinci. Mir hat seine Einstellung zum Leben und zur Religion zugesagt. An Hand dessen, was im Roman bereits angesprochen wird, hatte ich vor Augen, was dieser Mann als Maler und als Wissenschaftler lesiten wird. 
Sabine: Mein Liebling war Leonardo - ich fand es toll, mal eine Idee zu bekommen, wie er gewesen sein könnte, als er noch nicht berühmt war und er noch nicht als das große Genie gesehen wurde - und dass auch er sich mit ganz alltäglichen Sorgen und Problemen rumschlagen musste. 

 

Was hat dir bei Florentia besonders gefallen?

Anke: Am Anfang - vor allem nach Sichtung des Personenregisters - hatte ich Befürchtungen, mich zwischen all den Figuren nicht zurechtzufinden. Aber diese "Sorge" war und ist völlig unnötig. In FLORENTIA wird die Sichtweise von fünf Charakteren wiedergegeben, und jede für sich einen Rahmen, in dem wenige Menschen agieren. Zudem sind die Kapitel ohne ermüdende Längen, was einer zügigen Lektüre ebenfalls entgegenkommt. 
Sehr angesprochen hat mich, dass die Geschichte mit den historischen Ereignissen und Persönlichkeiten gekonnt erzählt wird und ein Mitfühlen und Mitleiden ermöglicht, weil das Geschehen und die Handlungen sowie die Motivation des Einzelnen nachvollziehbar geschildert werden. 
Sabine: Ich fand toll, dass das das ganze Buch so lebendig geschrieben ist - ich hatte das Gefühl, nicht über Fiuretta, Leonardo und all die anderen zu lesen, sondern ein Teil der Geschichte zu sein. Ich hatte so viele Bilder vor Augen - für mich ist die Zeit wirklich zum Leben erwacht!



Und an dich, Sabine, habe ich auch noch ein paar Fragen:
 

Was macht für dich den besonderen Reiz der Geschichte aus?

Sabine: Zum Einen hat mir gefallen, dass alles so lebendig erzählt ist - ich hatte gar nicht das Gefühl, einen Roman zu lesen, sondern fühlte mich als Teil der Geschichte. Noah Martin hat die Atmosphäre so toll eingefangen, die Menschen, die Stadt und die verschiedenen Lokalitäten so gut beschrieben, dass ich alles vor Augen hatte. Und nein - es war überhaupt nicht langatmig, diese ganzen Beschreibungen (wie es historischen Romanen ja leider oft vorgeworfen wird...). Zum Anderen fand ich aber auch die Einblicke in die Malerwerkstätten super interessant - wie da die Abläufe waren, wie die Farben angemischt wurden und wie die Arbeit verteilt wurde. Darüber hatte ich bisher nichts gelesen.


Wie findest du das Setting des Romans und die Darstellung der Figuren - und existieren Szenen, die beim Lesen starke (positive oder negative) Gefühle bei dir ausgelöst haben?

Sabine: Es ist bestimmt schwierig, historische Persönlichkeiten in einen fiktiven Roman einzuflechten - man weiß ja nicht wirklich, wie sie gewesen sind. Und so hat ein Autor bzw. eine Autorin natürlich auch immer einen gewissen Spielraum. Über Fioretta ist relativ wenig bekannt, da konnte Noah Martin sich also "austoben" - und ich finde, es ist eine tolle Protagonistin entstanden. Sie istr sehr authentisch, hat ein großes Herz, aber auch ein paar Ecken und Kanten. Erschrocken hat mich der Prozess zur Sodomie - der ist ja historisch belegt und für beide Betroffenen noch ganz glimpflich ausgegangen. Ich möchte aber gar nicht wissen, wie viele Menschen wegen ihrer Orientierung ihr Leben lassen mussten - schrecklich!


Gibt es Erkenntnisse, die du nach der Lektüre von FLORENTIA gewonnen hast, und welche sind das?

Sabine: Oh ja - dass ich mich durchaus häufiger nach Italien wagen sollte und dass die Renaissance eine sehr interessante Zeitepoche ist - da werde ich mich auf jeden Fall mal weiter umschauen!



Dank auch an dich, Anke, dass du bei der Fragerunde mitgemacht hast und mir deine Eindrücke geschildert hast!

Jetzt bleibt mir nur noch, die Daumen zu drücken - vielleicht geht der Goldene HOMER 2024 ja an Noah Martin für ihre "Florentia - Im Glanz der Medici"! 🍀


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