20. September 2023

[Rezension] Yann Martel - "Schiffbruch mit Tiger"

Yann Martel - Schiffbruch mit Tiger
Gegenwartsliteratur
 

 Originaltitel: „Life of pi“ (2001)
 Übersetzer: Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
 Verlag: Fischer-Verlage
 ISBN-13: 978-3-596-15665-8
 Seiten: 384 Seiten
 Erschienen: 1.8.2004

   
Zum Inhalt
„Pi Patel, der Sohn eines indischen Zoobesitzers und praktizierender Hindu, Christ und Muslim erleidet mit einer Hyäne, einem Orang-Utan, einem verletzten Zebra und einem 450 Pfund schweren bengalischen Tiger namens Richard Parker Schiffbruch. Bald hat der Tiger alle erledigt - alle, außer Pi. Alleine treiben sie in einem Rettungsboot auf dem Ozean. Eine wundersame, abenteuerliche Odyssee beginnt.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Das Buch steht schon sehr lange bei mir, nachdem ich es vor Jahren mal als Hörbuch angehört und abgebrochen hatte – irgendwie hatte ich aber das Gefühl, dass es mich doch faszinieren könnte, so dass ich ihm eine zweite Chance gegeben habe. Wie gut, denn es ist eine außergewöhnliche Geschichte.

Den englischen Titel finde ich viel passender, denn dann hat man andere Erwartungen: denn es geht zwar auch um den Schiffbruch, aber eben auch um das Leben von Pi. Er ist Sohn eines indischen Zoodirektors und erzählt von seiner Kindheit – nicht nur, dass er wegen seines Namens  Piscine Molitor Patel oft gehänselt wurde, sondern vor allem, wie sich sein Weg zu Religion, Glaube und Spiritualität gestaltet hat. Der Vater beschließt dann, den Zoo zu schließen und nach Kanada zu gehen – also macht sich die Familie mit einigen Tieren, die nicht verkauft wurden, per Schiffspassage auf die Reise. Doch bei einem Unwetter geht es unter, und nur Pi schafft es auf ein Rettungsboot; und mit ihm ein Zebra, eine Hyäne, ein Orang-Utan und ein Tiger. Ein Kampf ums Überleben beginnt, der viele Monate andauert…  

Den Einstieg fand ich auch dieses Mal nicht so leicht – zwar hat mir der Schreibstil sehr gut gefallen, und gerade auch die Einblicke in das Erleben Pis der verschiedenen Religionen fand ich interessant und bereichernd – mühsam sind aber die sehr ausschweifenden und überbordenden Beschreibungen von Tieren, deren Kennzeichen und Lebensformen; das hat mich leider doch sehr an den Biologieunterricht erinnert und war mir einfach zu ausschweifend und ausführlich (und letztlich in dieser Detailliertheit auch nicht notwendig für die Geschichte). Der deutsche Titel deutet ja schon ein Schiffsunglück an, darauf muss man dann aber doch gut 100 Seiten warten. Belohnt wird man dann aber mit einem abenteuerlichen und mich atemlos machenden Überlebenskampf, der nicht nur großartig beschrieben ist, sondern auch sehr gut konzipiert ist. Man könnte meinen, es passiert doch nicht viel, wenn ein Schiffsbrüchiger über 200 Tage im Pazifik treibt, dem ist aber nicht so, denn Pi ist nicht alleine, sondern mit ein paar Tieren in seinem Rettungsboot gelandet. Und so sind nicht nur der Pazifik und die Sonne Pis Feinde, sondern auch ein bengalischer Tiger namens Richard Parker, mit dem er Revierkämpfe austragen muss.    

Gerade diesen Teil habe ich wirklich sehr gerne gelesen – auch hier erfährt man wieder eine Menge über die Tiere, aber diesmal gibt es einen direkten Zusammenhang, so dass mich das nicht gestört hat, ich es vielmehr als sehr hilfreich empfunden habe. Pi ist 16, als er den Kampf ums Überleben antritt und nun profitiert er sehr von seinen Erfahrungen mit den verschiedenen Religionen – aber nicht nur das hält ihn am Leben, vor allem ist es sein kluger Verstand, denn wirklich nichts überlässt er dem Zufall. Die wenigen Dinge, die er in dem Boot findet, nutzt er wohl überlegt, und selbst das Problem, wie mit Richard Parker umzugehen und wie ihm klarmachen, wer das Alphatier im (zugegebenermaßen sehr kleinen) Rudel ist, geht er klug und analytisch an. 

Pi ist einfach unglaublich, und so wie ich ihn schon als Jungen mit seiner klugen Art direkt ins Herz geschlossen habe, so sehr habe ich Ehrfurcht ihm gegenüber bekommen, wie er sein Schicksal auf dem Pazifik zu meistern weiß. 

Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass er gerettet wird – und im letzten dritten Teil liegt er dann im Krankenhaus und wird zu dem Unglück befragt. Da gibt es dann noch mal einen interessanten Twist, der zwar klug, aber mir ein wenig zu aufgesetzt war. 

Highlight ist wirklich der zweite Teil, der Teil, in dem Pi nicht nur das Überleben lernt, sondern auch tiefe Einsichten bekommt zu Themen wie Freundschaft, Liebe, Glaube und Hoffnung – und das, ohne pathetisch oder belehrend zu sein.

Der Schreibstil von Yann Martel ist besonders – er lässt sich gut lesen und fängt Stimmungen sehr gut ein. Besonders mochte ich aber, dass er immer auch ein wenig komisch ist, und dass trotz vieler ernster Situationen immer auch ein wenig Humor durchblitzt, ohne dass es klamaukig ist. Oft ist es eine gewisse Situationskomik, manchmal auch einfach die Absurdität mancher Dinge oder Geschehnisse.

Ich bin froh, dem Buch nochmal eine Chance gegeben zu haben – die ersten Seiten waren ein bisschen langatmig, dann aber hat mich der Autor vollendens packen können. 
  
Mein Fazit
Nach einem für mich mühsamen Einstieg, hat sich das Buch zu einem Pageturner entwickelt – der Überlebenskampf des 16-jährigen Pi, der mit einem Tiger auf dem Pazifik in einem Boot festsitzt, ist spannend, lehrreich und voller toller Gedanken. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich habe mitgefiebert und gelitten!

2 Kommentare:

  1. Liebe Sabine,

    der Roman hat mich auch total mitgerissen und begeistert. Man muss sich erst einmal mit dem Schreibstil und den Figuren eingewöhnen, aber dann ist es sehr packend.
    Ich habe übrigens zuerst den Film gesehen und dann noch das Buch gelesen und finde beides richtig toll. Schön, dass du ebenso empfunden hast und die Geschichte mochtest.

    Liebe Grüße
    Barbara

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    1. Beim Film habe ich nur 2making-offs" gesehen - die waren sehr interessant. Auf jeden Fall ein tolles Buch und ich bedaure, dass es so lange bei mir warten musste ...

      LG Sabine

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