18. September 2023

[Rezension] Marina Barth - "Lumpenball"

Marina Barth - Lumpenball
Historischer Roman
 

 Verlag: Emons-Verlag
 ISBN-13: 978-3-74080-162-5
 Seiten: 239 Seiten
 Erschienen: 27. Juli 2017
 Umschlaggestaltung: Nina Schäfer
 Umschlagabbildung: mauritius images /mauritius history

   
Buchrückentext
„Köln in den 1930er Jahren: Das Nachtleben sprüht vor Freizügigkeit und Kreativität. Frauen entdecken Selbstbestimmtheit und Kreativität. Frauen entdecken ihre Selbstbestimmtheit. Die quirlige Künstlerszene dreht dem bürgerlichen Karneval auf ihren »Lumpenbällen« eine lange Nase und bildet einen Gegenpol zur sich radikalisierenden politischen Stimmung. Für die junge Fanny, Puppenspielerin am Hänneschen-Theater, wird es ihr erster und letzter Lumpenball sein, denn ihre Welt verändert sich über Nacht dramatisch.“ 

Meine Meinung
Als Wahl-Kölnerin war ich sehr neugierig auf das Buch – und gerade, dass ich alle genannten Straßen und Lokalitäten kannte, hat die Authentizität für mich nochmal unterstrichen. Es ist ein biografischer Roman mit großer Kraft, denn Fanny, die Protagonistin, hat es wirklich gegeben.

Im Mittelpunkt steht Fanny Meyer – sie ist Puppenspielerin im Hänneschen-Theater im Köln der 1930er Jahre. Die Künstlerszene ist in Köln sehr aktiv, und gerade die Frauen entdecken ihre Selbstbestimmung. Fanny liebt das Leben, ist voller Lebensfreude und lässt keine Gelegenheit aus, das Leben in allen Facetten zu genießen. Dass sie Tochter eines Juden ist, spielt für sie keine Rolle. Noch nicht, denn das ändert sich, als die Nazis an die Macht kommen.

Das Buch gibt tolle Einblicke in das damalige Leben in Köln, vor allem auch, wie die Umbrüche von den Menschen wahrgenommen wurden. Jeder ist anders damit umgegangen – Fanny hat das Thema lange ignoriert, wollte sich ihm nicht stellen, erst als sie direkt bertoffen ist, muss auch sie Gedanken an ihre eigene Zukunft zulassen. 

Fanny ist eine Frau, die mir sehr imponiert hat – sie strahlt einen Optimismus aus, der – insbesondere, da man aus heutiger Sicht ja weiß, was geschehen ist – kaum zu ertragen ist. Sie sieht immer nur die Sonnenseiten, will das Leben genießen, kann ihre Lebenslust kaum stillen – und selbst die Deportationen sind für sie immer noch „Aussiedlungen“ und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Ich weiß natürlich nicht, ob sie die Augen verschlossen hat und die Wahrheit nicht wahrhaben wollte oder ob sie sie wirklich nicht wusste. Beeindruckend ist aber, wie sich die Lage immer weiter zuspitzt und sie dennoch immer noch an das Gute glaubt bzw. glauben will. 

Das Buch ist sicher nicht nur für Kölner lehrreich, aber gerade, dass ich alle Plätze und Straßen und Läden, Bühnen usw. kannte, hat die tragische Geschichte nochmal authentischer gemacht. Gelungen ist die Atmosphäre, diese dunklen Wolken, die am politischen Horizont aufziehen und wie sich die Schlinge für die jüdische Bevölkerung immer weiter zuzieht. Ich konnte das alles wirklich fühlen und habe den Optimismus Fannys einerseits bewundert, war andererseits aber auch schockiert über ihre Naivität oder Nichtwissen oder Nichtwahrhabenwollen. Interessant war auch, wie sich das Verhältnis zu Freunden entwickelte, wer zu Fanny stand und wer sich abwandte – und in Notzeiten sind Freunde wirklich überlebenswichtig, das hat Fanny mit ihrer Geschichte gezeigt. 

Gut umgesetzt ist auch die Darstellung der damals bestehenden Künstlerszene von Köln - da war mir vieles nicht bewusst, insbesondere nicht, wie verzahnt die Menschen untereinander waren.

Der Schreibstil ist sehr lebendig, für mich auch zur damaligen Zeit und zum damaligen Lebensgefühl passend. Gerade in der ersten Hälfte, als die Nazis noch nicht sehr prominent waren, ist das Gefühl sehr positiv, die zweite Hälfte ist dann natürlich bedrückender.

Eine gelungene Darstellung eines dunklen Kapitels deutscher Geschichte in Köln – ich kann das Buch auf jeden Fall empfehlen.

Mein Fazit
Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, diesmal am Beispiel einer kölschen Puppenspielerin – authentische Atmosphäre und eine sehr realistische Darstellung des damaligen Kölns. Nicht nur für Kölner und Wahlkölner zu empfehlen. 

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