26. Juni 2023

[Höreindruck] Vladimir Nabokov - "Lolita"

Vladimir Nabokov - Lolita
Klassiker
 

 Originaltitel: „Lolita“ (1955)
 Übersetzer: Helen Hessel, Maria Carlsson, Kurt Kusenberg, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, Gregor von Rezzori 
 Verlag: HIERAX Medien     
 ISBN-13: 978-3-863-52500-2
 Dauer: ungekürzt, 949 Minuten
 Erschienen: 26.2.2021
 Sprecher: Oliver Dupont
 Umschlaggestaltung: any.way, Barbara Hanke /Cordula Schmidt
 Umschlagabbildung: Buffer Cooper /Trevillion Images; Jutta Klee /Getty Images

   
Buchrückentext
„Ein Vierzigjähriger verfällt dem grazilen Zauber einer kindlichen Nymphe und erfährt die Liebe als absolute Macht über Leben und Tod.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ich habe mich wegen des Themas lange vor der Lektüre dieses Buches gedrückt, jetzt wurde es in meinem Lesekreis ausgewählt, und ich „musste“ dazu greifen. Ich bin wirklich baff - ich habe noch keine Geschichte gelesen oder gehört, die mich auf der einen Seite so gefesselt und auf der anderen Seite so angewidert hat wie diese. 

Humbert Humbert sitzt im Gefängnis, nachdem er seinen Nebenbuhler getötet hat und schildert aus seiner Sicht die Liebe zu Lolita. Im ersten Teil des Buches geht es um seine eigene Kindheit und Jugend – schon früh entdeckt er die Liebe zu jungen Mädchen, die er liebevoll „Nymphchen“ nennt. Im zweiten Teil schildert er dann seine Liebe und gemeinsame Zeit mit der anfangs 12-jährigen Lolita, von der er selber sagt, dass er sie liebt, von außen betrachtet aber eine emotionale und sexuelle Ausbeutung bietet. 

Das Thema des Buches ist widerlich – anders kann ich das gar nicht sagen; und es gab zwischendurch auch immer wieder Passagen, bei denen ich schlucken musste ob der Abartigkeit. Fasziniert haben mich aber die Sprache Nabokovs, der Aufbau der Geschichte und die Fähigkeit des Autors, den Leser bzw. Hörer „einzulullen“. Denn Humbert Humbert erzählt so eindrücklich und überzeugend, dass man fast schon Verständnis für sein Tun entwickelt, wenn genau das denn nicht so ungemein widerlich und destruierend wäre. 

Der Ich-Erzähler verliert sich in Verzückungen und liebevollen Beschreibungen, das nicht nur bezogen auf seine Lolita, sondern auch auf ganz belanglose Dinge, Landschaften, die gemeinsame Reise durch die USA oder seinen Alltag, so dass ich mich immer wieder eingewickelt fühlte von dem, was er erzählt und vor allem wie er es tut, ich aber auch immer kalt erwischt wurde von seinen abstoßenden Neigungen. Humbert Humbert versucht wieder und wieder, Verständnis beim Leser bzw. Hörer zu erhaschen, Verständnis für seine unglückliche Jugendliebe und seine Pädophilie, und wird auch nicht müde, Dolores immer wieder als die wahre Täterin darzustellen. Und wäre es eben nicht ein junges Mädchen, würde man ganz anders mit dem Protagonisten fühlen. 

Oliver Dupont als Sprecher hat für mich wunderbar zu Humbert Humbert gepasst – ich finde seine eher hohe Stimme nicht angenehm, aber durch sie hat Humbert Humbert ein Gesicht bekommen. Oliver Dupont liest alles ein wenig affektiert und mitleidig und das passt sehr gut zu dem beständigen Versuch des Protagonisten, den Hörer auf „seine Seite“ zu ziehen. 

Dieses Buch hallt lange bei mir nach – diese Gegensätze aus schrecklichem Thema und großartiger Struktur des Romans hat mich sehr beeindruckt. Auf jeden Fall empfehle ich das Buch weiter – und wenn man sich irgendwie mit dem Thema Pädophilie arrangieren kann, dann sollte man in dieses Meisterwerk hineinlesen. 

2 Kommentare:

  1. Hallo Sabine,
    da ich leider immer noch nicht selbst zum Schreiben zurückgefunden habe, stöbere ich bei Zeit bei euch etwas herum.
    Dieses Buch (nun weiß ich auch, dass es ein HB gibt^^) steht schon etwas länger auf meiner Liste. Tatsächlich habe ich vor einigen Jahren "Meine dunkle Vanessa" von Kate Elizabeth Russell gelesen und die Geschichte beruht irgendwie auf Lolita. Es ist auch das gleiche Thema. Es kann auch sein, dass im Buch sehr viele Passagen/ Zitate aus Lolita aufgetaucht sind. Auf jeden Fall steht es seit dem auf meiner To do Liste. Deine Rezension erinnert mich nun wieder daran und ich glaube dir, dass man zu solchen Büchern greifen "muss" und weniger mag. Aber doch, irgendwann mag ich es zumindest versuchen.

    Hab einen schönen Restsonntag,
    ich hoffe dir geht es gut.

    LG Andrea

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    1. LIebe Andrea,

      völlig verständlich, dass du wenig Zeit findest - bei all dem, was du den ganzen Tag so leistest!
      Von "Meine dunkle Vanessa" habe ich schon viel gehört - und dass es thematisch Lolita aufgreift. Ich bin nicht sicher, ob ich dazu greifen werde, obwohl ich fast nur begeisterte Stimmen gehört habe.
      Lolita hat mich schon sehr beeindruckt - ein so schrecklicher Plot so grandios umgesetzt. Ich habe es für einen Lesekreis gehört und bin schon gespannt, wie es die anderen empfunden haben!

      LG Sabine

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