11. Mai 2025

[Leseeindruck] Truddi Chase - "Aufschrei"

Truddi Chase - Aufschrei
Erfahrungsbericht
 

Originaltitel: „When rabbits howl“ (1987)
Übersetzerin: Hilke Schlaeger
ISBN-13: 978-3-404-61133-0
Seiten: 560 Seiten
Erschienen: 1988
Einbandgestaltung: Manfred Peters

   
Buchrückentext
„Seit frühester Jugend wurde Truddi Chase von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht. Um diese Situation bewältigen zu können, erstarrte ihre eigene Persönlichkeit, und an ihre Stelle trat eine Vielzahl von Personen, die in ihrem Körper lebten und das Kind nach außen hin vertraten und verteidigten. Die erwachsene Truddi Chase war sich dieses Zustandes lange nicht bewusst; als sie jedoch anlässlich ihrer Scheidung einen Psychotherapeuten aufsuchte, entdeckte dieser ihre multiple Persönlichkeit. Das Ergebnis seiner Therapie ist dieses Buch, das eigentlich nicht von der Autorin geschrieben wurde, sondern von den Personen, die in ihr leben. Es ist nicht nur ein erschütternder Bericht über die schlimmsten Formen von sexuellem Missbrauch, sondern zugleich auch eine erregende Abrechnung mit dem Leben, das de Protagonistin führen musste.“ 

Meine Meinung
Ich habe das Buch schon einmal vor vielen Jahrzehnten gelesen, und ich erinnere mich daran, dass ich sehr beeindruckt war. Und auch dieses Mal hat mich das Buch erschrocken, bestürzt, beeindruckt und voller Respekt zurückgelassen. 

Truddi Chase hat das Buch selber geschrieben – wobei man wissen sollte, dass Truddi Chase aus vielen verschiedenen Persönlichkeiten besteht. Denn ihr ist in der Kindheit so viel Furchtbares geschehen, dass nur das Splitten ihrer Persönlichkeit in mehr als 90 weitere Persönlichkeiten ein Weiter- und Überleben ermöglichte. 

Ihr behandelnder Arzt hat sie bei dem ganzen Prozess unterstützt – und er erklärt die Situation in einer relativ langen Einleitung. Das eigentliche Geschehen liest sich dann wie ein Roman – in der dritten Person erzählt, was es leichter macht, der komplexen inneren Welt der Frau zu folgen.

Obwohl klar ist, wer das Buch geschrieben hat, bleibt die Hauptfigur im Buch anonym. Sie wird nur „die Frau“ genannt – warum, ergibt sich dann im Verlauf des Erzählten. Auch der behandelnde Arzt bekommt einen anderen Namen: Stanley. Denn zu Beginn wissen weder er noch sie, wohin die Therapie führen wird. Und niemand ahnt, welche Erinnerungen sich mit der Zeit zeigen werden.

Im Zentrum steht das Innenleben dieser Frau, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich auch „die Truppen“ nennen. Sie tragen eigene Namen, haben verschiedene Aufgaben, Vorlieben, sogar Geschlechter und Altersstufen. Das klingt erst mal verwirrend, erklärt sich aber, wenn man das Auftreten der Figuren erlebt – denn jeder hat auch eine eigene Sprache, und durch die Schilderungen von Mimik und Gestik erkennt man auch, dass sich das Aussehen anpasst. Es ist beeindruckend, zugleich aber auch schockierend zu lesen, was die Psyche leisten muss und auch kann, wenn das Erlebte zu grausam ist, um es auszuhalten.

Nach und nach kommt zutage, was der Frau passiert ist – ab ihrem zweiten Lebensjahr. Es ist kaum zu fassen und fast nicht auszuhalten: ja, es geht um Kindesmissbrauch, geht aber noch weit darüber hinaus. Und gar nicht so selten ist es auch hier – die Frau und auch einige ihrer Truppenmitglieder geben sich selber die Schuld – und es braucht viel Arbeit und Fingerspitzengefühl, die Dinge auszusprechen, damit sie dann auch heilen können. 

Es ist ein Überlebenskampf. Er hat mich tief berührt, wütend, aber auch sprachlos gemacht – die Autorin gibt einen radikal offenen Einblick in ihr Innerstes, für diese Offenheit hat sie meinen ganzen Respekt.

Das Buch ist in den 1980ern erschienen, Truddi Chase mittlerweile verstorben. Damals war das Thema noch sehr wenig erforscht. Doch auch wenn es jetzt schon wieder neue Erkenntnisse gibt, ist dieser Bericht dennoch beeindruckend und hat – leider – auch an Aktualität nichts verloren. 

Mein Fazit
Ein aufrüttelndes, sehr persönliches Buch über ein kindliches Trauma, das Leben und Überleben damit und die kaum fassbaren Wege, die sich eine menschliche Psyche suchen kann. Nichts für schwache Nerven – aber gleichzeitig ein wichtiges Werk.

Triggerwarnung

In diesem Buch wird sexueller Übergriff und psychische Gewalt an Kindern thematisiert, ebenso das Thema Sodomie.


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