18. April 2024

[Rezensioni] Mareike Fallwickl - "Und alle so still"

Mareike Fallwickl - Und alle so still
Gegenwartsliteratur, Zukunftsroman
 

 Verlag: Rowohlt-Verlag
 ISBN-13: 978-3-498-00298-5
 Seiten: 368 Seiten
 Erschienen: 16.4.2024
 Umschlaggestaltung: Nurten Zeren, Berlin

   
Buchrückentext
„An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.“ 

Meine Meinung
Ich liebe die Bücher von Mareike Fallwickl, weil sie es schafft, ernste Themen in eine spannende Lektüre zu verwandeln – diesmal ist das Thema ein sehr brisantes, ein wenig hat mir aber der Unterhaltungswert gefehlt. 

Die Geschichte spielt in einer nahen Zukunft, im Mittelpunkt stehen die Erzähler Elin, Nuri und Ruth – aus ihrer Perspektive erfährt man von dem, was geschieht. 

Elin ist Influencerin und lernt so nicht nur die guten, sondern auch die Schattenseiten dieses öffentlichen Lebens kennen. Sie hat zu ihrer Mutter kein gutes Verhältnis, schon immer hat sie gefühlt, dass sie nie die ganze Wahrheit erfahren hat. Diese innere Leere füllt sie mit wahllosem Sex, der zwar schnelle Befriedigung bringt, aber kein Gefühl von Geborgenheit oder Liebe. 

Nuri ist Migrant und kämpft sich nach abgebrochener Schule mit Jobs durchs Leben – nicht nur, dass er das quasi non-stop, Tag und Nacht macht, nein, es sind zudem auch noch entwürdigende, schlecht bezahlte Jobs, die kein anderer machen will; aber er hat ein Ziel und hofft, durch das verdiente Geld Freiheit erlangen zu können. 

Ruth ist Krankenschwester und arbeitet im Krankenhaus – obwohl der Mangel an Fachkräften groß ist und sie Überstunden leisten muss, die sie an ihre körperlichen Grenzen bringen, ist sie doch auch mit dem Herzen dabei. 

Schlecht bezahlte Arbeit in sozialen Berufen, die Selbstverständlichkeit, mit der von Frauen erwartet wird, sich um Familie und Haushalt zu kümmern, das gelebte Patriarchat und die Abhängigkeit der Frauen vom männlichen Geschlecht – dagegen lehnen die Frauen sich auf mit einem stillen Protest; sie legen ihre Arbeit nieder und legen sich vor das Krankenhaus; und hier lernen sich die drei Hauptcharaktere kennen.

Es ist ein düsteres Szenario, das die Autorin aufbaut. Mein Gefühl lässt das Ganze in der nahen Zukunft spielen, und so weit entfernt von der Realität ist das Szenario auch gar nicht. Durch den Protest der Frauen kommt die Welt fast zum erliegen - die Polizei ist machtlos, die Krankenhäuser nicht mehr arbeitsfähig, der Verkehr kommt zum Stillstand, die Versorgung der Gesellschaft ist nicht mehr gewährleistet. 

Besonders beleuchtet wird die Situation des prekären Gesundheitssystems – und hier hat die Autorin sehr detailiert die Zustände in der Pflege beschrieben – vielleicht schon ein wenig zu detailliert als das es für den Plot wirklich notwendig gewesen wäre. Daneben hat sich Mareike Fallwickl auch der entwürdigenden Lebensumstände bestimmter sozialer Schichten angenommen – schlecht bezahlte Jobs mit miesen Arbeitsbedingungen, katastrophale Wohnumstände, Menschen, die durch unser vermeintlich soziales Netz fallen. Der stille Widerstand macht mit den Hauptfiguren etwas – und jeder bringt sich in die Situation anders ein. Zwar wird ein hässliches Szenario gezeichnet, dennoch aber spricht die Autorin die Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Medien kaum an, und auch eine Diskussion verschiedener Positionen findet kaum statt.  

Der Schreibstil ist schonungslos, trocken, ein wenig sperrig, vor allem aber ehrlich. Obwohl es verschiedene Perspektiven gibt, bin ich den drei Hauptfiguren nicht nahe gekommen – für mich lag das vor allem an diesem distanzierten Schreibstil, denn eigentlich bieten die Figuren viel Anlass für Mitgefühl und Empathie. Die ganze Zeit schwebt über der Geschichte ein unheilvolles Gefühl, und das wird leider nicht aufgelöst, auch nicht am Ende. Der ganze Plot wirkt ein wenig ziellos, sieht man davon ab, dass er aufrüttelt und den Leser zum Nachdenken anregt. Bisher war ich von der Autorin gewohnt, dass sie mich trotz schwieriger Themen auch unterhalten konnte – und das hat mir hier leider gefehlt, es gibt keinen Lichtblick, keinen Ausblick, keine Leichtigkeit – nur Trostlosigkeit und Erschütterung, dann ein Chaos ohne Auflösung. 

Die Autorin hat den Finger tief in die Wunde gelegt, realistische Probleme aufgezeigt und zugespitzt, Missstände zu Recht angeprangert – ein kleiner positiver Ausblick hätte meiner Meinung nach aber gut getan, denn so war die Lektüre für mich nur anstrengend, und zurückgeblieben ist ein Gefühl von Trostlosigkeit, Aggression und Machtlosigkeit. 

Mein Fazit
Die Autorin packt wichtige Themen schonungslos an und schafft so ein trostloses Szenario, in dem still protestierende Frauen die Gesellschaft lahmlegen – leider gibt es keinen in irgendeiner Weise positiv gearteten Ausblick, so dass ich am Ende sehr bedrückt das Buch zugeschlagen habe. So wahr der Kern der Geschichte ist, hätte ich mir aber doch auch ein wenig mehr Unterhaltung und nahbarere Charaktere gewünscht. 

WERBUNG: Vielen Dank an den Rowohlt-Verlag und an Vorablesen für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

2 Kommentare:

  1. Hallo Sabine!

    Von der Autorin kenne ich ja bisher nur "Dunkelgrün fast schwarz", das mir sehr gut gefallen hat. Ich möchte gerne auch mehr von ihr lesen, aber die Themen... grade das hier hat es auch wieder in sich. Vom Klappentext her klingt es im ersten Moment gar nicht "so schlimm", aber was du beschreibst trifft einiges bei mir am Nerv, das geht mir momentan zu nahe und darüber möchte ich zurzeit eher nichts lesen.
    Schade dass es so "düster" bleibt und kein Hoffnungsschimmer auftaucht am Ende...

    Liebste Grüße und einen schönen Sonntag!
    Aleshanee

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    1. Dieses Buch war für mich wirklich anstrengend - weil es so düster und hoffnungslos ist. Schade, ich mag die <Autorin ja sehr gerne, weil sie es immer geschafft hat, mich mit ihren Themen auch zu unterhalten - das ist hier für mich auf der Strecke geblieben ...

      LG Sabine

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