3. April 2024

[Rezension] Scott Alexander Howard - "Das andere Tal"

Scott Alexander Howard - Das andere Tal
Roman, Zeitreise, Dystopie
 

Originaltitel: “The Other Valley“ (27.2.2024)
Übersetzerin: Anke Caroline Burger
ISBN-13: 978-3-257-07282-2
Seiten: 460 Seiten
Erschienen: 20.3.2024
Covermotiv: Gemälde von © Magali Cazo: „20 avril 2018“ 

   
Buchrückentext
„Dieses Tal ist ein besonderer Ort. Geht man nach Osten oder Westen, stößt man auf den gleichen Ort, die gleichen Häuser, Hügel, Straßen – doch alles ist zwanzig Jahre zeitversetzt. Nur in Trauerfällen dürfen die Grenzen passiert werden. Als die junge Odile zwei Besucher aus der Zukunft als die Eltern ihres Freundes Edme erkennt, weiß sie, dass er bald sterben wird. Was wäre, wenn Odile das ihr auferlegte Schweigen bricht? Ein bewegendes und außergewöhnliches Debüt über Freiheit und die Macht des Schicksals.“ 

Meine Meinung
Mich hat er Plot total neugierig gemacht – verschiedene Täler, die aber unterschiedliche Zeitebenen darstellen und die so Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit repräsentieren – natürlich war ich da neugierig, was genau in dieser Szenerie geschehen wird. 

Die 16-jährige Odile lebt in einem kleinen Bergdorf und führt dort mit ihrer Mutter ein zurückgezogenes Leben. So idyllisch das Dorf erscheint, ist es aber nicht, denn es wird streng bewacht. Vordergründig sind die Nachbardörfer identisch, jedoch gleichen sie Parallelwelten, das eine Dorf liegt 20 Jahre in der Zukunft, das andere 20 Jahre zurück in der Vergangenheit. Klar, dass man da nicht einfach in das nächste Dorf gehen darf, denn Änderungen dort können sich immer auch auf das Leben in den andere Zeitebenen auswirken. In besonderen Fällen jedoch ist ein Besuch in der anderen Zeit erlaubt – geprüft wird ein solcher Antrag dann von den sogenannten Conseils – und genau für diesen Job bewirbt sich Odile. Sie hat gute Chancen, doch dann geschieht etwas, das ihr zeigt, dass ihr bester Freund bald sterben wird. Und in Odile reift die Idee, wie sie das verhindern kann. 

Ich war sehr neugierig auf die Geschichte und obwohl sie dann ganz anders war, als ich erwartet hatte, habe ich sie doch gerne gelesen und Odile auch gerne begleitet. Sie ist ein ruhiges Mädchen, das nur wenige Freunde hat und sich oft nicht recht traut, etwas zu sagen oder zu tun. Erstaunlich eigentlich, dass sie sich für den schwierigen Job der Conseil interessiert, den es gilt, Entscheidungen zutreffen, die nicht immer leicht sind – im Auswahlverfahren zeigt sich Odile dann aber von einer ganze anderen Seite und wird zu einem analytisch denkenden und selbstbewusst auftretenden jungen Mädchen, das Für und Wider abzuwägen und gut zu argumentieren weiß. Ich mochte Odile und habe sie gerne begleitet, vielleicht auch, weil sie ein wenig schutzbedürftig wirkt. Odile bleibt in der Geschichte aber nicht das junge Mädchen, im zweiten Teil begleitet man sie dann nach einem Zeitsprung als Erwachsene, erfährt, wo es sie beruflich hin verschlagen hat; aber erst nach und nach erfährt man, wie es dazu kam, und langsam setzt sich ein ganzes großes Puzzle aus vielen einzelnen Steinen zusammen. 

Die Idee der verschiedenen Täler mit den zeitlichen Parallelwelten finde ich großartig. Gelungen finde ich auch, wie sich die idyllisch anmutende Bergwelt als totalitärer Staat entpuppt – die Erklärung ist schlüssig, das Leben aber nicht leicht: Im positiven Sinne könnte man von „behütet“ sprechen, im negativen von Überwachung und Kontrolle. Es kommt im Roman zu Wechseln innerhalb der Zeitebenen, auch zu Überlegungen, wie sich Änderungen in der einen auf die anderen auswirken, und ich musste schon konzentriert lesen, um da nicht den Faden zu verlieren. Dabei herrscht die ganze Zeit eine untergründige, eher subtile Spannung, weil man spürt, dass etwas Großes geschehen wird, und genau diese Spannung hat mich in der zweiten Hälfte richtig gepackt und das Buch zügig lesen lassen. Dabei ist der Schreibstil sehr atmosphärisch, manchmal auch poetisch, dann wieder mit schönen Bildern und Metaphern, trotzdem aber angenehm und flüssig zu lesen. 

Die Charaktere sind gut gezeichnet – neben Odile lernt man in ihrer Jugend vor allem ihre Freunde kennen, deren Freundschaft maßgeblich ist für den Weitergang der Geschichte; als Erwachsene führt Odile ein eher einsames Leben und die wenigen Kollegen, mit denen sie zu tun hat, bleiben so auch eher flach in ihrer Ausarbeitung. So sehr ich Odile mochte und mit ihr auch gefiebert habe, ist die Atmosphäre insgesamt aber eher kühl und bedrückend.

Insgesamt ist das Buch trotz des fesselnden letzten Drittels ein eher ruhiges; die Geschichte ist langsam erzählt, sehr bedacht, dabei bedrückend und düster. Am Ende löst sich einiges auf, dennoch aber ergeben sich wieder neue Fragen, die jeder für sich selbst beantworten muss. 

Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn es immer wieder Abschnitte gab, die ein wenig langatmig anmuteten, empfehle ich es gerne weiter, wenn man sich auf Parallelwelten und Zeitreisen einlasen kann. 

Mein Fazit
Ein interessanter Plot rund um Zeitreisen und Parallelwelten, eine sympathische Protagonistin und ein atmosphärisch sehr dichter Roman – ich habe ihn gerne gelesen und die ruhige und bedachte Erzählweise sehr genossen. 

WERBUNG: Vielen Dank an den Diogenes-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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