22. Juli 2023

[Höreindruck] Christoph Poschenrieder - "Ein Leben lang"

Christoph Poschenrieder - Ein Leben lang
Gegenwartsliteratur
 

 Verlag: Diogenes-Verlag
 ISBN-13: 978-3-257-69448-2
 Dauer: ungekürzt, 435 Minuten
 Ersterscheinung: 23.3.2022
 Sprecher: Danne Hoffmann, Alexander Gamnitzer 


Zum Inhalt
„Sie kennen sich seit der Kindheit und beginnen gerade, ihre eigenen Wege zu gehen, als plötzlich einer von ihnen als Mörder festgenommen wird. Er soll seinen Onkel aus Habgier erschlagen haben. In einem schier endlosen Indizienprozess wird das Unterste zuoberst gekehrt. Die Freunde kämpfen für den Angeklagten, denn er kann, er darf kein Mörder sein. Doch als 15 Jahre nach dem Urteil eine Journalistin sich der Sache noch mal annimmt, stellt sich die Frage der Loyalität wieder neu.“ (Quelle: Verlagsseite)

Meine Meinung
Ein interessanter Roman, der zum Nachdenken anregt und der mich vor allem auch wegen des besonderen Aufbaus begeistert hat.

Sie sind seit der Kindheit befreundet, als einer von ihnen verhaftet und des Mordes angeklagt wird. Beweise liegen nicht vor, nur Indizien, doch durch sie wird der Freund dann auch verurteilt. Jahre später beschäftigt sich die Presse erneut mit dem Fall und interviewt die damals Beteiligten. Jeder berichtet, wie er damals die Situation empfunden hat, und auch, wie es ihm heute damit geht. Und auch noch Jahre später bleit eine Ungewissheit zurück, die sowohl auf den Freunden, aber auch auf dem Leser lastet.

Durch die Interview-Form war ich den Einzelnen sehr nahe, und da sie sowohl von dem damaligen Prozess erzählen als auch von ihrer jeweils gegenwärtigen Lebenssituation, ergibt sich für den Hörer nach und nach ein großes Ganzes. Die Freunde haben immer zusammengehalten, bei jedem Prozesstag waren sie da und haben damit ihre Loyalität gezeigt. Selber befragt erzählen sie nur Gutes von dem Beschuldigten und bilden so eine eingeschworene Einheit, die zeigen soll, dass ihr Freund unschuldig ist. 
Doch es geht nicht nur um die Schuld oder Unschuld des Einen, vielmehr auch um die Frage, was macht denn diese Anklage mit den verbliebenen Freunden – ist man trotz so großer Schuld weiter ein Freund oder distanziert man sich trotz vieler gemeinsamer Erinnerungen und Erlebnisse? 

Als Hörer bekommt man viele Infos zum Mordgeschehen, erfährt aber auch, was im weiteren Leben der Freunde passiert ist. So erhält man ein recht umfangreiches Bild der einzelnen Personen, auch von ihren Ängsten und Sorgen. Und natürlich sind sie nicht die Einheit, wie man zunächst glauben mag, sondern es zeigt sich, wie unterschiedlich alle sind. 

Die erzählten Wahrnehmungen der Einzelnen unterschieden sich dann doch in einigen Punkten stark voneinander und es stellt sich die Frage: Wer hat denn nun Recht? Was ist richtig und was ist falsch? Bei persönlichen Meinungen ist klar, dass die verschieden sind, doch auch die Fakten sprechen keine eindeutige Sprache, und der Angeklagte kann anhand dieser nicht eindeutig überführt werden. 

Ich fand dieses Hörbuch sehr interessant und es hat lange bei mir nachgehallt. Auf jeden Fall werde ich den Autor verfolgen und nach weiteren interessanten Büchern von ihm Ausschau halten.


2 Kommentare:

  1. Liebe Sabine,
    mit großem Interesse habe ich deine Rezension gelesen. Das Buch kommt mal auf die Wunschliste, vor allem, wo du davon doch so eindrucksvoll geschrieben hast.
    Mir hat Poschenrieders "Mauersegler" begeistert, das kann ich dir unbedingt ans Herz legen.
    Vielleicht magst du meine Rezi dazu mal lesen:

    https://sommerlese.blogspot.com/2016/04/mauersegler-christoph-poschenrieder.html

    Liebe Grüße und eine gute Woche,
    Barbara

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    1. LIebe Barbara,

      ich hatte den Mauersegler schon auf meine Merkliste gesetzt - jetzt ist es nach Lesen deiner Rezi nach ganz oben gerutscht. :-)

      LG Sabine

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